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Teure Medikamente geraten unter Preisdruck

Viele Medikamente sollen erstmals in einem aufwendigen Verfahren geprüft werden – das könnte den Preis für bestimmte Pillen künftig drücken Viele Medikamente sollen erstmals in einem aufwendigen Verfahren geprüft werden – das könnte den Preis für bestimmte Pillen künftig drücken
Viele Medikamente sollen erstmals in einem aufwendigen Verfahren geprüft werden – das könnte den Preis für bestimmte Pillen künftig drücken
Quelle: dpa/shp axs
Pillenpreise unter Druck: Erstmals werden teure Präparate auf ihre Wirksamkeit überprüft, die Ärzte ihren Patienten in großem Stil verordnen. Krankenkassen werden zur Zielscheibe der Pharmalobby.

Seit Monaten tobt hinter den Kulissen des Gesundheitswesens ein erbitterter Streit. Es geht um Milliardenumsätze, um die Wettbewerbsfähigkeit großer Konzerne – und um die Gesundheitschancen von Millionen Patienten.

Nun hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken seinen mit wachsender Spannung erwarteten Beschluss gefasst.

Das höchste Gremium im deutschen Gesundheitswesen entschied, welche breit im Markt angewendeten Arzneimittel als erstes einer Welle neuer Bewertungen unterzogen werden und welche Kriterien dafür gelten. Es ist der Startschuss für mögliche Einsparungen im Milliardenbereich – und für neue Kämpfe mit der Pharmabranche.

Medikamente gegen Volkskrankheiten

Betroffen sind patentgeschützte Mittel gegen Volkskrankheiten wie chronische Schmerzen, Diabetes, Herz-Kreislauf-Leiden, Depression, Arthritis, Osteoporose. Geprüft werden Wirkstoffe wie Duloxetin (unter anderem im Mittel Cymbalta), Tapentadol (Palexia), Denosumab (Prolia).

Am Ende eines aufwendigen Verfahrens dürfte es frühestens in einem guten Jahr Ergebnisse zur Frage geben, wie gut diese noch relativ jungen und deshalb teuren Medikamente im Vergleich zu Altbewährtem sind, deren Patentschutz längst abgelaufen ist.

Bei den Pharmaherstellern, die bisher frei in ihrer Preisgestaltung waren, beugen sich Heerscharen von Fachleuten, aber auch Juristen über die Vorgaben, Berichte und Dossiers. Denn die Bewertung, die der Gemeinsame Bundesausschuss zu den einzelnen Mitteln aufgrund wissenschaftlicher Expertise vornimmt, ist Basis für Preisverhandlungen zwischen Herstellern und dem Kassenverband.

Die obersten Krankenkassenfunktionäre sind zunehmend Zielscheibe der Pharmalobby: Sie wollten auf Teufel komm raus sparen – selbst wenn die Patientenversorgung leide.

Debatte ist ein Minenfeld

Erfahrungen haben beide Seiten miteinander schon. Rund drei Dutzend Nutzenbewertungen von Arzneimitteln gab es gemäß der schwarz-gelben Pharmareform AMNOG bisher – allerdings nur zu neuen Arzneimitteln. Vielen hatte der G-BA einen Mehrwert bescheinigt, aber bei weitem nicht allen.

In einigen Fällen – ein Novum – zogen die Hersteller es vor, die Pillen doch nicht auf den deutschen Markt zu bringen. Alarmiert ist man mittlerweile selbst in der Koalition, obwohl das AMNOG als Erfolgsgeschichte von FDP und Union gilt. Befürchtet wird, dass die Kassen zu rigoros agieren.

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Insgesamt erzielen die Firmen mit den schon länger unter Patentschutz stehenden Mitteln – um die es jetzt geht – einen Umsatz von gut fünf Milliarden Euro. Es ist ein Minenfeld. Entsprechend vorsichtig äußert sich der sonst äußerst energische G-BA-Chef Josef Hecken: „Der einvernehmliche Beschluss bildet für anstehende Bewertungen eine nachvollziehbare und belastbare Grundlage.“

Der unabhängige Bremer Gesundheitsökonom Gerd Glaeske spricht da schon freier: „Auch nach diesem Beschluss bleiben viele Medikamente im Markt, bei denen man sparen könnte.“ Bei Asthma-Sprays, Cholesterin-Senkern, Psychopharmaka, die die Liste der höchsten Kostenverursacher anführen, seien Zweifel angebracht, ob sie im heutigen Maß verordnet werden müssten. „Die sollte man relativ schnell bewerten.“

Angst vor zu kritischer Bewertung

Für die Hersteller ist jedes Jahr viel wert, in denen die Mitteln noch nicht von Generika-Herstellern nachgeahmt werden dürfen. Von rund 20 Jahren Patentschutz entfallen schon einmal gut 10 auf klinische Forschung. Deshalb wehren sich die Firmen mit Händen und Füßen gegen allzu kritische Bewertungen.

Glaeske pocht auf mehr Bewertungen aber auch deshalb, weil dies Patienten schütze. Denn bei den noch recht neuen Mitteln werde immer wieder deutlich, welche Nebenwirkungen sie hätten, wenn sie erstmal von Zehntausenden genommen würden.

Bei lange bekannten Präparaten seien die Risiken oft besser einzuschätzen – und geringer, meint der pharmakritische Forscher.

dpa/oc

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