Organspende-Skandal am Rechts der Isar:Schwere Vorwürfe gegen Klinikchef

Klinikum rechts der Isar

Bei Lebertransplantationen gab es am Rechts der Isar mehrere Verstöße.

(Foto: dpa)

Kein Interesse an Aufklärung? Der Bericht über 36 Verstöße bei Lebertransplantationen bringt die Verantwortlichen des Münchner Uni-Klinik Rechts der Isar in Bedrängnis. Vor allem der Ärztliche Direktor des Krankenhauses der TU steht in der Kritik.

Von Christina Berndt

Der Untersuchungsbericht der Bundesärztekammer zu Verstößen bei Lebertransplantationen bringt den Ärztlichen Direktor des Klinikums rechts der Isar in Bedrängnis. Der Professor habe die Manipulationen nicht wirklich aufklären wollen, heißt es. Vielmehr sollten "weitere Untersuchungen gerade nicht stattfinden", heißt es im Bericht der Prüfungs- und Überwachungskommission (PÜK) der Ärztekammer, die für Verfehlungen in der Transplantationsmedizin zuständig ist. Auf Anfrage verwahrte sich der Direktor gegen die Vorwürfe. Er habe "stets die erforderlichen Schritte nach dem jeweiligen Erkenntnisstand ergriffen".

Nachdem die Prüfer der PÜK bei einer Routinekontrolle im September 2012 erstmals Unregelmäßigkeiten bei Transplantationen am Rechts der Isar entdeckt hatten, haben sie sämtliche Lebertransplantationen des Klinikums aus den Jahren 2008 bis Mitte 2012 überprüft. Dabei stießen sie auf 36 Verstöße gegen die Richtlinien, wie sie in ihrem Bericht schreiben. Allein zehn Verstöße betreffen Lebervergaben an Alkoholkranke, die noch nicht die erforderlichen sechs Monate trocken waren. Zudem erhielten 13 Patienten mit Leberkrebs ein Spenderorgan, die keinen Anspruch darauf hatten. Andere Patienten an anderen Kliniken gingen dafür leer aus. Sie mussten länger auf ein Organ warten.

Intensiv befasst sich der Bericht mit vier Fällen von Manipulationen, die offenbar mit erheblicher krimineller Energie vorgenommen wurden. Die PÜK geht "von bewussten Falschmeldungen" an die Organ-Vermittlungsstelle Eurotransplant aus. So sei es zu drei Transplantationen gekommen, "die nicht hätten stattfinden dürfen".

In zwei dieser Fälle wurden Dialysen erfunden, um die Patienten auf dem Papier kränker zu machen, als sie in Wirklichkeit waren. In den beiden anderen Fällen wurde zu demselben Zweck offenbar Blut mit Urin gepanscht. Für drei der vier Fälle ist nach Einschätzung der PÜK ein Chirurg verantwortlich, der nicht mehr in München arbeitet. Dieser Arzt bestreitet die Vorwürfe. Der Ladung der PÜK zur Anhörung ist er nicht gefolgt. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt in der Sache.

Zweifelhaftes Disziplinarverfahren

Auf die beiden Blutpanschereien hatten Klinikärzte gleich nach den Ereignissen im Januar 2010 intern aufmerksam gemacht. Doch die Führungsebene wollte nicht viel davon wissen, folgert die PÜK in ihrem Bericht. So habe "eine eigentlich gebotene Aufklärung nicht stattgefunden". Der Ärztliche Direktor betonte in einem Schreiben vom Februar 2010 sogar ausdrücklich, dass kein Fehlverhalten vorgelegen habe.

Nicht gut weg kommt neben dem Ärztlichen Direktor auch der damalige Leiter der Chirurgie, der vor Kurzem entlassen wurde. Seine Darstellung sei "weder plausibel, noch wird sie den damaligen Ereignissen gerecht", heißt es in dem Bericht. Es sei seine Aufgabe gewesen, "die Umstände aufzuklären oder aufklären zu lassen".

Der SZ teilte der Professor mit, dass er von einer Verwechslung der Blutproben ausgegangen sei, da sein dafür verantwortlich gemachter Mitarbeiter die Vorwürfe für falsch erklärt habe; darin bestärkt habe ihn auch das entlastende Schreiben des Ärztlichen Direktors. Nicht klären konnte die PÜK die Rolle des damaligen Leiters des Transplantationszentrums. Auch zu diesem Professor stellt sie aber fest, dass "eine eigentlich gebotene nähere Aufklärung nicht stattgefunden hat".

Ironischerweise hat die TU München ausgerechnet gegen jenen Professor, der durch den PÜK-Bericht als Einziger vollständig entlastet wird, ein Disziplinarverfahren angestrengt. Der Leiter der II. Medizinischen Klinik habe sich nicht hinreichend um die Aufklärung bemüht, lautet der Vorwurf der TU. Die PÜK kommt dagegen zu dem Schluss, dass der Professor "unermüdlich auf seinen Manipulationsverdacht hingewiesen" habe.

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