Krankenkassen erheben schwere Vorwürfe Fehler in jeder zweiten Klinikrechnung

Berlin · Die gesetzlichen Krankenkassen erheben schwere Vorwürfe gegen die Kliniken. Von den Abrechnungen der Krankenhäuser, die der Medizinischen Dienst der Kassen überprüft, ist jede zweite Abrechnung falsch, wie der "Spiegel" unter Berufung auf ein internes Papier des Spitzenverbandes der Kassen berichtet.

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Foto: dpa, Benjamin Ulmer

Im ersten Halbjahr 2012 wurden demnach elf Prozent der Rechnungen unter die Lupe genommen. Die Prüfer gehen üblicherweise dann ans Werk, wenn den Kassen die Zahlungsaufforderungen der Kliniken unplausibel erscheinen.

Nicht bei jeder falschen Rechnung ist Absicht oder Betrug im Spiel. Abrechnungen im gesetzlichen Versicherungssystem sind mit ihren Pauschalen und Ziffern so kompliziert, dass Fehler sehr leicht passieren können.

Auffällig ist, dass die Zahl der Falschabrechnungen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat. 2006 galt nur etwa jede dritte überprüfte Krankenhausabrechnung als fehlerhaft. Mittlerweile ist es mehr als die Hälfte. Im ersten Halbjahr 2012 summierten sich die Rückforderungen der gesetzlichen Krankenversicherungen auf zwei Milliarden Euro.

Für die Kassen stellen Behandlungen in Kliniken den größten Kostenfaktor dar: 34 Prozent der Ausgaben flossen im ersten Halbjahr 2012 an Krankenhäuser. Die Gesamtkosten summierten sich 2011 auf 83,4 Milliarden Euro.

Schummeln und Schlampen bei der Abrechnung hat für die Krankenhäuser keine ernsthaften Konsequenzen. Werden sie von den Prüfern des Medizinischen Dienstes überführt, müssen sie lediglich die Summen zurückzahlen, die sie zu viel erhalten haben. Die Kassen hingegen müssen an die Kliniken eine Aufwandsentschädigung von 300 Euro entrichten, wenn sie Akten zu Rechnungen anfordern, die sich bei der Überprüfung als korrekt erweisen.

Die Patienten bekommen in der Regel von den Tricks der Kliniken nichts mit. Die Krankenkasse KKH verweist beispielsweise auf den Fall einer Klinik aus Ostdeutschland, die eine normale Aufnahme zu einem Notfall hochstufte, dabei wurde der Patient nur ambulant behandelt.

Gegen zahlreiche Geburtskliniken erheben die Kassen den Vorwurf, dass sie das Geburtsgewicht von Frühchen nach unten korrigieren, um höhere Fallpauschalen zu erhalten. Es gibt aber auch die Fälle, in denen Patienten betroffen sind: So soll eine Klinik in Bayern ihre Patienten länger als medizinisch notwendig auf der Intensivstation liegen lassen, um höhere Kosten abrechnen zu können.

Die Kassen fordern, dass die Politik Sanktionen für Falschabrechnungen einführt. Tatsächlich will Minister Daniel Bahr (FDP) noch in dieser Legislaturperiode die Krankenhausfinanzierung reformieren. Die von den Kassen geforderten Sanktionen sind aber nicht vorgesehen. Vielmehr plant das Ministerium, einen "Schlichtungsausschuss" von Kliniken und Kassen einzurichten. Dieser soll Vorschläge für eindeutigere Regeln bei den Klinikabrechnungen machen.

(qua)
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