Die Finanzspritzen für defizitäre Kliniken verstoßen laut dem Bundesverband Deutscher Privatkliniken gegen EU-Recht. Der Verband spricht von Wettbewerbsverzerrung und will gerichtlich gegen die gängige Praxis im Landkreis Calw vorgehen.

Calw - Der Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDPK) sieht durch Finanzhilfen von Kreisen und Kommunen für ihre defizitären Krankenhäuser EU-Recht verletzt. Eine solche Subventionierung verstoße gegen Vorschriften des EU-Beihilferechts, sagte Thomas Bublitz, Hauptgeschäftsführer des BDPK der Stuttgarter Zeitung. Er wies darauf hin, dass der Gesetzgeber Krankenhäuser in Wettbewerb stelle um die bestmögliche Patientenversorgung. Durch diese „unzulässigen öffentlichen Beihilfen“ seien nicht nur Privatkliniken benachteiligt, die ohne „Auffangnetz“ arbeiten müssten, sondern auch gemeinnützige Krankenhäuser, etwa die der Kirchen. Seiner Auffassung nach seien auch die kommunalen Kliniken benachteiligt, die kein Minus machten und deshalb auch kein „zusätzliches Geld“ erhielten.

 

Der Bundesverband will deshalb diese gängige Praxis des Defizitausgleichs rechtlich prüfen lassen und hat dem Kreis Calw mit einer Musterklage gedroht. Dass Calw ins Visier geraten ist, sei eher zufällig, gibt Bublitz zu und verweist auf öffentlich zugängliche Zahlen und Informationen.

Der Calwer Landrat Helmut Riegger bestätigt, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung erhalten zu haben, deren Frist am Freitag abläuft. Er solle sich verpflichten, künftig den Finanzausgleich aus der Kreiskasse zu unterlassen. „Ich war über diese Abmahnung überrascht und beabsichtige nicht, darauf einzugehen“, sagte Riegger der StZ. „Sollte keine anderweitige Einigung mit dem BDPK möglich sein, wird es wohl auf eine gerichtliche Auseinandersetzung in Form eines Musterprozesses hinauslaufen“, sagte Riegger weiter. Eine solche gerichtliche Auseinandersetzung wäre für den Kreis Calw „sehr unerfreulich“. Er schätze zwar die Erfolgsaussichten für den BDPK als gering ein, eine Klage aber würde in der Kreisverwaltung „beachtliche personelle und finanzielle Ressourcen binden“. Für 2013 hat der Kreistag beschlossen, die Defizite von 5,7 Millionen Euro in den Krankenhäusern Calw und Nagold auszugleichen.

Beitrag öffentlicher Träger laut Ministerium dringend nötig

Das Sozialministerium sieht die angedrohte Klage „sehr kritisch“. Zum einen, weil die Zukunft der Krankenhausversorgung im Landkreis Calw derzeit im Rahmen einer Bürgerbeteiligung diskutiert werde. Aber vor allem auch deshalb, weil die öffentlichen Krankenhausträger überall im Land einen bedeutenden Beitrag zur Krankenhausversorgung mit leistungsfähigen, wirtschaftlich gesicherten und eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern leisten und dieser Beitrag dringend gebraucht wird, betont ein Sprecher des Ministeriums.

Die Länder hätten den Auftrag, eine „bedarfsgerechte stationäre Krankenhausversorgung der Bevölkerung“ sicher zu stellen. Dies sei eine Aufgabe der staatlichen Daseinsvorsorge. Dabei sei die Trägerpluralität laut Krankenhausgesetz gewährleistet. Von insgesamt 224 Krankenhäusern in Baden-Württemberg werden 100 in öffentlicher, 66 in privater und 58 in freigemeinnütziger Trägerschaft betrieben. Die Landkreise hätten, so das Ministerium, darüber hinaus eine besondere Verpflichtung im Rahmen der Daseinsvorsorge. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass bei Aufgabe eines privaten Krankenhauses notfalls der Landkreis einspringen und ein Krankenhaus betreiben muss, wenn das Krankenhaus für die Deckung des Bedarfs in der jeweiligen Region notwendig ist. Vor diesem Hintergrund müssen nach Auffassung von Ministerin Altpeter im Bereich des Krankenhauswesens andere Maßstäbe gelten als in streng wettbewerbsrechtlich organisierten Bereichen der Wirtschaft.

Reumann: „Beihilfen sind grundsätzlich möglich“

Thomas Reumann, Vorstandsvorsitzender der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), sieht zunächst keine Wettbewerbsverzerrung. Beihilfezahlungen seien innerhalb der EU nicht grundsätzlich verboten. Im so genannten Monti-Paket der EU seien Kriterien aufgeführt, wonach kommunale Träger, also Landkreise, durch einen „Betrauungsakt“ ermächtigt werden können, Beihilfen für Krankenhäuser zu leisten, wenn diese medizinische Leistungen erbrächten, die „der Allgemeinheit“ dienten. „Wenn die Voraussetzungen gemäß der Monti-Regelungen eingehalten werden, sind Beihilfen grundsätzlich möglich“, betonte Reumann. Im übrigen müsste der Privatklinikverband eine so genannte „Beihilfebeschwerde“ nicht gegen den Landkreis Calw, sondern gegen die Bundesrepublik Deutschland führen, der Kreis wäre also „nicht Partei des Verfahrens“.

Das Sozialministerium hält sich mit einer Einschätzung des Vorgangs noch zurück. Man könne derzeit nicht beurteilen, ob es bei dieser Klage „nur“ um die Einhaltung von europarechtlichen Vorgaben gehe, erklärte der Ministeriumssprecher. Erst wenn die Klage tatsächlich vorliege, könne man beurteilen, ob es in Wirklichkeit nicht um den „angestrebten Ausbau der Marktanteile privater Krankenhausträger geht“.