Unterseen | 16. Mai 2013
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Nichts übrig für Gemeindepolitik?

Von rund 4000 Stimmberechtigten in Unterseen nehmen im Schnitt nur etwa 100 an den Gemeindeversammlungen teil. Dabei stehen am 17. Juni wichtige Entscheidungen bevor: Etwa über die Zukunft der Geburtsabteilung oder über den Einkauf von Polizeileistungen.
von Magdalena Ostojic
Kein Interesse für politische Themen auf Gemeindeebene – der Gemeinderat kann nur spekulieren, weshalb verhältnismässig wenig Unterseener an Gemeindeversammlungen teilnehmen.
Kein Interesse für politische Themen auf Gemeindeebene – der Gemeinderat kann nur spekulieren, weshalb verhältnismässig wenig Unterseener an Gemeindeversammlungen teilnehmen.Fotos: Magdalena Ostojic

Der Gemeinderat Unterseen ist in Sorge. Obwohl in der Bödeligemeinde etwa 4000 stimmberechtigte Bürgerinnen und Bürger leben, nehmen verhältnismässig wenige an den Gemeindeversammlungen teil. «Die Beteiligung ist stabil tief», sagt Gemeindepräsident Jürgen Ritschard. «Wenn nicht gerade ein Geschäft vorliegt, das den Leuten unter den Nägeln brennt, bringt man knapp 100 Leute zusammen.» Man könne zwar interpretieren, dass die Leute zufrieden sind, aber für die Repräsentanz wichtiger Entscheide sei das schwach. Ritschard hofft, dass an der Gemeindeversammlung vom 17. Juni wieder mehr Leute erscheinen werden. Zumal es vor allem um zwei wichtige Entscheide geht: um die Zukunft der Geburtsabteilung des fmi-Spitals und den Einkauf von zusätzlichen Polizeileistungen.

Ressourcenvertrag zwischen Bödeli-Gemeinden

Im vergangenen Jahr schloss Unterseen für rund 25'000 Franken mit der Kantonspolizei Bern einen sogenannten Leistungseinkaufsvertrag ab. Tatsächlich eingekauft waren somit polizeiliche Interventionen, die die Gemeinde wegen Zeitmangels oder aus Kapazitätsgründen nicht selber übernehmen konnte. Nicht inbegriffen waren jedoch präventive Leistungen wie beispielsweise Patrouillen. Schon im letzten Jahr stand fest, dass – sobald sich die Möglichkeit dazu bietet – der Leistungseinkaufsvertrag durch einen Ressourcenvertrag abgelöst wird. Diesen kann eine Gemeinde erst abschliessen, wenn sie mindestens zwei Polizei-Personaleinheiten einkauft. Darin enthalten wären nicht nur die präventiven Leistungen, der Vertrag würde der Gemeinde auch mehr Kompetenzen zusichern. Zum Beispiel für das Durchführen stationärer Geschwindigkeitskontrollen.

Für Leistungen auch bezahlen

Interlaken verfügt bereits seit mehreren Jahren über einen Ressourcenvertrag mit dem Kanton. «Sie investierten rund eine halbe Million Franken in vier Personaleinheiten», sagt Gemeinderätin Verena Roderer. Davon profitiert hätten aber auch die beiden anderen Bödeligemeinden Unterseen und Matten. «Gerade beim Patrouillieren haben die Polizisten nicht an den Gemeindegrenzen Halt gemacht» so Roder. In der letzten Zeit habe sich dies aber etwas reduziert, weil Unterseen für diese Leistung nicht bezahlt. Die Sicherheitskommission will nun gemeinsam mit den Bödeligemeinden sowie dem Kanton einen gemeinsamen Ressourcenvertrag abschliessen und zusammen sechs Polizeistellen einkaufen. Unterseen und Matten je eine, Interlaken vier. Der Pauschalbetrag für eine Stelle beläuft sich auf rund 141'000 Franken. Das sei zwar teurer, aber «wir kaufen das ein, wofür wir auch Leistung bekommen und früher von Interlaken profitiert haben», so Roder. Die Gemeinderätin sieht die Vorteile eines Ressourcenvertrages nicht nur in polizeilichen Leistungen begründet, die zum Sicherheitsempfinden der Bevölkerung beiträgt, sondern auch im Mitspracherecht, wenn es um die Planung von Einsätzen geht.

Defizitgarantie für Geburtsabteilung

Ein weiteres wegweisendes Geschäft ist die Zukunft der Geburtsabteilung der Spitäler fmi AG. Die Standorte in Unterseen und im Frutigland verzeichnen ein Defizit von 1,2 Millionen Franken. Für Gemeindepräsident Ritschard ist dies klar die Folge der Einführung von Fallpauschalen, welche im Rahmen der Umorganisation des Gesundheitswesens auf nationaler Ebene beschlossen wurden. «Vor allem kleinere Spitäler in ländlichen Regionen sind strukturell benachteiligt, da die allgemeinen Kosten auf weniger Fälle umgewälzt werden können», so Ritschard. Um eine Schliessung der Geburtsabteilungen zu verhindern, bat die Spitäler fmi AG die Gemeinden letztes Jahr um Defizitbeteiligung. 600'000 Franken seien vermutlich ausreichend, um den übrigen Verlust tragen zu können.

Der Gemeinderat Unterseen will den Stimmbürgerinnen und -bürgern vorschlagen, die Spitäler fmi AG mit 102'718 Franken, verteilt auf zwei Jahre, zu unterstützen. Verschiedene andere Gemeinden haben ihre Unterstützung bereits zugesichert. «Es ist klar, dass eine dauernde Defizitbeteiligung für die Gemeinde untragbar ist. Unbestritten ist aber, dass man ein Signal nach Bern senden will», so Ritschard. Es könne nicht sein, dass der Amtsbezirk Interlaken Oberhasli und das Frutigland zusammen so gross sind wie der Kanton Zürich und keine Geburtsabteilung mehr haben sollen. Er hofft, dass der Kanton spätestens in zwei Jahren aktiv wird und die fmi-Spitäler unterstützt. Laut Ritschard laufen im Grossen Rat bereits Bestrebungen, die die Mittelzuteilung des Kantons an die verschiedenen Spitäler neu regelt. Sockelbeiträge im Rahmen der Grundversorgung an strukturell benachteiligte und regional wichtige Spitäler wären denkbar. An der Gemeindeversammlung vom 17. Juni entscheiden die stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger Unterseens, ob sie der Defizitgarantie und dem Ressourcenvertrag zustimmen wollen. «Wir sind froh, wenn es bei diesen zwei wichtigen Traktanden breit abgestützte Beschlüsse gibt», so Ritschard.

Gemeindeschreiber Peter Beuggert, Gemeinderätin Verena Roder, Gemeindepräsident Jürgen Ritschard und Gemeinderat Stefan Zurbuchen informierten in einer Medienkonferenz über die bevorstehende Gemeindeversammlung.
Gemeindeschreiber Peter Beuggert, Gemeinderätin Verena Roder, Gemeindepräsident Jürgen Ritschard und Gemeinderat Stefan Zurbuchen informierten in einer Medienkonferenz über die bevorstehende Gemeindeversammlung.
Weitere Traktanden

Jahresrechnung 2012

Die Jahresrechnung schliesst bei einer unveränderten Steueranlage von 1,78 wesentlich besser ab als budgetiert. Der zusätzliche Ertrag wird für weitere Abschreibungen und als Gewinn mit entsprechender Erhöhung der Eigenmittel verwendet.

Liegenschaften des Finanzvermögens – Verkauf

Der Verkauf einer Liegenschaft im Wellenacher-Rychengarten kam kurzfristig aufgrund von entsprechenden Anfragen zustande. Käuferin ist die Wellenacher Immobilien AG, Unterseen. Gemäss kommunalem Spezialreglement fällt dieser Verkauf in die Kompetenz des Gemeinderates. Der erzielte Erlös von insgesamt 1,8 Millionen Franken ergibt einen ausserordentlichen Liegenschaftsgewinn von 1,279 Millionen Franken. Dieser Betrag soll primär für den Schuldenabbau beziehungsweise für Abschreibungen verwendet werden. Für die definitive Art der Verbuchung wird die Gemeindeversammlung in einem Jahr im Rahmen der Jahresrechnung 2013 entscheiden.

Kreditabrechnungen

Die Abrechnungen für die Sanierung der Aufbahrungshalle, den Neubau der Wertsammelstelle Werkhof und die Belagsanierung Obere Goldey schliessen innerhalb des genehmigten Objektkredits ab.

Nachkredite

Bei der Schlussabrechnung des Büroeinbaus Werkhof ergibt sich eine Überschreitung des vom Gemeinderat gesprochenen Kredits (100'000 Franken) um 12'441.50 Franken. Weil das Geschäft mit dieser Überschreitung in die Kompetenz der Gemeindeversammlung fällt, beantragt der Gemeinderat einen Nachkredit. Bei der Sanierung der Toilettenanlagen im Oberstufenschulhaus tauchten in der Ausführungsphase unerwartete Mängel auf, weshalb es auch hier zu höheren Kosten kommt. Der Gemeinderat beantragt einen Nachkredit von 12'472.15 Franken. (pd)