Die Kliniken in Nagold. Foto: Fritsch

Gewerkschaft und Geschäftsführung wollen Situation bei Gespräch am 6. Juni erörtern. Angst vor Notlagentarif.

Kreis Calw - In diesen Tagen geistert ein Wort einem Schreckgespenst gleich durch die Häuser des Klinikverbunds Südwest: Notlagentarif. Die Mitarbeiter der Kliniken fürchten einen Sparkurs zu ihren Lasten. Die Betriebsräte wehren sich nicht nur gegen den Sozial-, sondern auch den drohenden Qualitätsabbau.Der Klinikverbund Südwest muss – wie viele andere Einrichtungen im Gesundheitsbereich – sparen. Von 27 Millionen Euro Defizit ist die Rede, die die Gesellschafter, die Kreise Böblingen und Calw sowie die Stadt Sindelfingen, in diesem Jahr ausgleichen müssten.

Für die Kliniken in Calw und Nagold steht allein eine Unterdeckung von 8,1 Millionen Euro im Raum. Auch wenn jüngst eingeleitete Strukturmaßnahmen laut Klinikverbund-Geschäftsführerin Elke Frank schon greifen und dieses Minus nach unten drücken, wird auch über Maßnahmen im personellen Bereich nachgedacht. Das hatte ein Gutachten nahegelegt.

Zunächst stand eine mögliche Kürzung oder gar Streichung des Weihnachtsgelds im Raum. Nun fürchten die Mitarbeiter, dass ein sogenannter Notlagentarif noch deutlich tiefere Einschnitte bringen könnte.

Entgegen anderslautenden Meldungen anderer Medien soll es noch keine Verhandlungstermine geben, wie die Gewerkschaft verdi und der Klinikverbund gestern übereinstimmend erklärten. "Es gab lediglich ein Anfrage für ein informelles Gespräch", sagt verdi-Gewerkschaftssekretär Jürgen Lippl aus Stuttgart.

Grundsätzlich sind Notlagentarife an enge Bedingungen geknüpft. Beispielsweise ein unabhängiges Gutachten und die Aussicht, dass ein Sanierungsplan erfolgversprechend ist. Laut Lippl erhält verdi im Land zehn bis zwölf Anfragen pro Jahr von Unternehmen des Gesundheitssystems, die einen solchen Tarif abschließen wollen.

Eine Entscheidung, ob es Verhandlungen geben wird, stehe noch nicht fest, sagte Ingo Matheus, Pressereferent des Klinikverbands, mit Verweis auf das Informationsgespräch Anfang Juni. Von verschiedenen Arbeitsgruppen würden derzeit Lösungen zu Strukturveränderungen erarbeitet. Klar sei aber auch, dass man vom Aufsichtsrat den Auftrag habe, personelle Einsparungen zu prüfen.

In solchen personellen Einsparungen sieht Heinz Hinsche, Betriebsratsvorsitzender der Kliniken Nagold, "eine Bedrohung für die Belegschaft und die Versorgung". Einsparungen würden Mitarbeiter treffen, die jetzt schon am Rande des Machbaren arbeiteten. Finanzielle Einbußen würden Familien mit Verpflichtungen oder auch Alleinerziehende belasten.

Schwer wiegt für Hinsche auch der drohende Fachkräftemangel. Insbesondere im Pflegebereich, bei dem jetzt schon zwei arbeiten würden, wo früher drei oder vier Kräfte im Einsatz waren, werde die Versorgung gefährdet Schon jetzt habe man 130 000 Überstunden angehäuft.

Hinsche lehnt ebenso wie sein Kollege Sven Armbruster, Betriebsratsvorsitzender der Kliniken Calw, einen Notlagentarif und damit Einschnitte bei den Mitarbeitern ab. Die Stimmung in der Belegschaft beschreiben beide als besorgt und mit Ängsten belegt. "Die Zitrone ist nicht nur ausgepresst, die Presse ist kaputt", sagt Armbruster.

Beide Betriebsratsvorsitzende kritisieren auch, dass so ein Notlagentarif die Mitarbeiter ungleich belaste. Von den 4200 Mitarbeitern des Klinikverbunds wären 3000 betroffen. Die Häuser in Nagold und Calw zählen knapp 530 beziehungsweise 500 Mitarbeiter.

Die Betriebsräte sehen noch Spielräume, bevor man einen Notlagentarif angeht. So könnten erst einmal die übertariflichen Bezahlungen, die es teilweise gebe, gestrichen werden. Hinsche lenkt den Blick auch auf die Streichung möglicher doppelter Angebote in Calw und Nagold.

Doch alles Sparen helfe nicht, wenn die Politik nicht die Strukturen im Krankenhausbereich so gestalte, dass man wirtschaftlich arbeiten kann. Ein Punkt, in dem sich Betriebsräte und Klinik-Leitung sofort einig sind.