• Nachtrag:

    Im Übrigen ist es mir herzlich egal, ob das PEPP-System als solches kommt, oder irgendetwas anderes (die Kliniken, die bereits umgestellt haben, werden sich freuen).
    Zurückgedreht wird die Zeit mit Sicherheit nicht und damit bleibt auch ohne PEPP vieles in der Psychiatriewelt, was jetzt dem PEPP-System zugeschrieben und mit der Hoffnung verbunden wird, bei PEPP-Abschaffung sei alles wieder, wie früher.

    Gruß

  • Aber hier lesen und schreiben Menschen, die mit der praktischen Umsetzung des Systems zu tun haben und manchmal scheinbar damit weniger Probleme haben, als die Fachverbände oder die Politiker am grünen Tisch.

    Dass die hier lesenden und schreibenden Menschen weniger Probleme damit haben, liegt aber m.E. auch daran, dass es uns Beschäftigung gibt. Wenn ich aber z.B. mal betrachte, wieviel Ressourcen dafür aus der Versorgung abgezogen werden (die dadurch wohl nicht verbessert wird) und wie haarspalterisch Diskussionen um Auslegungen geführt werden, wenn strukturell vorgehaltene Ressourcen wie ein hoher Personalschlüssel auf einer geschlossenen Station dazu führt, dass die dadurch eintretende Beruhigung/ Entaktualisierung Intensivkriterien nicht mehr verschlüsselbar macht, die auf anderen Stationen weiter vorhanden wären, wenn weder die Häuser noch die MDKs vergleichbar einschätzen, wenn..., wenn... wenn... dann bleibt für mich auch der Eindruck, dass das System weder leistungs-, noch patientengerecht ist.

  • Hallo Kodirre,

    auch ich bin sicherlich nicht mit allen Punkten des PEPP-Systems und dessen Umsetzung zufrieden und vieles könnte meiner Meinung nach viel einfacher und gleichzeitig trotzdem leistungsgerechter und transparenter sein. Aber egal in welchem System: Möchte man Leistungstransparenz und Leistungsgerechtigkeit (bzw. wenigstens gewissen Leistungsbezug in der Vergütung) haben, muss man Leistungen auch dokumentieren, in irgendeiner Form zu Abrechnung bringen und sich ggf. fragen lassen, ob diese Leistung tatsächlich erbracht wurde. Das gilt für jede Form von Entgeltsystem!

    Ein Großteil der Probleme liegt meines Erachtens in den Komplex-OPS und den Therapieeinheiten, die alles vermischen. Viel einfacher wäre eine Abbildung ausgewählter spezifischer Leistungen (z.B. Psychotherapie) und das Weglassen von einem Großteil der im OPS aufgeführten Verfahren (noch dazu aller "im Aufwand vergleichbaren Verfahren"). Dann müssten sich halt viele Bereiche und Berufsgruppen damit abfinden, dass ihre spezifische Leistung nicht besonders berücksichtigt würde, aber die dann ausgewählten und spezifisch kodierten (und dokumentierten) Leistungen könnten ggf. besser vom InEK analysiert und bewertet werden.

    Dies würde alles auch im aktuellen System im Rahmen der Weiterentwicklung gehen. Ich kann dazu nur wiederholt auf das Vorschlagsverfahren des DIMDI und des InEK hinweisen! Machen Sie doch Lösungsvorschläge für die von Ihnen geschilderten Probleme. Diese Möglichkeit besteht und allein das ist ein Fortschritt (und im Übrigen einmalig)

    Solchen polemischen Äußerungen wie "PEPP muss weg", die noch dazu mit falschen Behauptungen begründet werden, kann ich nur unterstellen, dass hier ganz andere Ziele verfolgt werden und gar kein Interesse an einem konstruktiven Dialog besteht.

    Daran ändert auch das Konzeptpapier der Fachverbände nichts, denn es ist eben nicht mehr, als ein Konzept mit einem Umsetzungshorizont etwa in der Nähe der BER Eröffnung (ja, das ist jetzt auch polemisch ;-). Und wer im deutschen Gesundheitssystem glaubt, man könnte als Ziel erreichen: Personal wird bedarfsgerecht finanziert, Strukturen werden bedarfsgerecht finanziert und was "bedarfsgerecht" ist, legen wir selbst (Expertenkommission) fest; ja der... (zensiert durch freiwillige Selbstkontrolle).

    Wir müssen uns damit abfinden, dass in einem beitragsfinanzierten Gesundheitssystem die Ressourcen begrenzt sind und deshalb wird man immer über eine "gerechte" Verteilung nachdenken müssen (das ist dann die sogenannte "Ökonomisierung", denn Ökonomie ist die Lehre der Verteilung begrenzter Ressourcen). Ich kann nicht verstehen (zumindest wenn ich nichts Bösartiges unterstelle), warum man die vielen neuen Möglichkeit der Mitgestaltung oder von mir aus auch der Erprobung von Alternativen durch Modellvorhaben nicht nutzt, sondern statt dessen das Erreichte torpediert und man ganz von vorne anfangen möchte (noch dazu ohne die wirklich interessanten Kritikpunkte wie z.B. den Sektorbezug wirklich anzugehen).

    So Long,

    Gruß

  • Hallo GW,

    grundsätzliche ökonomische Überlegungen ("Verteilung begrenzter Ressourcen") werden von Ihnen mit politischen Ansichten ("Leistungsgerechtigkeit") und dann auch noch mit administrativen Überlegungen ("Leistungsdokumentation") verknüpft. Daran ist allerdings überhaupt nichts neu, dies war schon immer so seit Bestehen der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland (1883). Beitragsmittel (begrenzte Ressourcen) wurden für eine vorher definierte Leistung "Krankenhausbehandlung" (zunächst Reichsversicherungsordnung, nun § 39 SGB V) mit administrativen Überlegungen (Diagnosendokumentation, Bewegungsmeldungen aktuell im Rahmen des § 301 SGB V) verknüpft.

    ABER:
    Sie unterstellen dann, dass der jetzige meiner Meinung nach unglückliche Versuch der Neugestaltung eines Vergütungssystems nur konstruktiv (um-)gestaltet werden kann, in dem man „mitmacht“. Dass kann ich, aber auch Andere, nun überhaupt nicht teilen. Dieses vermeintliche Argument bringen in schöner Regelmäßigkeit PEPP-Befürworter: "Schaut, immerhin machen schon ein Drittel der deutschen Psychiatrien mit, dass ist der Beweis einer wachsenden Akzeptanz" (so z.B. die neue gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Maria Michalk hier).

    Darauf entgegnet zu Recht der derzeitige Vorsitzende der Fachgruppe Psychiatrie im VKD Holger Höhmann, ein unumstrittener Fachmann im deutschen stationären Psychiatriewesen, in seinem Antwortbrief vom 02.12.2015 Folgendes:
    "Ihrer Aussage im o.g. Beitrag, dass die psychiatrischen Krankenhäuser aufgrund des getätigten Umstieges auf das neue System, "ein gutes Stück weiter sind" als die Verfasser des Alternativkonzeptes, müssen wir jedoch vehement widersprechen. Die Kliniken, die bereits optiert haben, sind nicht etwa aufgrund eines Zuspruchs zum geplanten System umgestiegen. Vielmehr blieb vielen psychiatrischen Kliniken aufgrund der gravierenden finanziellen Schwierigkeiten keine andere Möglichkeit. Durch die Möglichkeit der Erhöhung der Veränderungsrate - um bis zu 100 % - haben viele Kliniken den Weg des Umstiegs gewählt. Dies nun als Einvernehmen der Kliniken zum PEPP-System zu werten, ist keineswegs der richtige Schluss. Darüber hinaus versuchen viele Kliniken durch eine möglichst frühzeitige Anwendung Erfahrungen mit dem PEPP-System zu sammeln, auch um das wirtschaftliche Risiko zu minimieren, welches ab dem Jahr 2017 mit verringerten Minder- und Mehrerlösausgleichen unmittelbar eintritt. Es ist gerade die konkrete Umsetzungserfahrung von PEPP, die viele Akteure in Verbänden und Fachgesellschaften in der Haltung bestärkt, dass PEPP bereits vom Grundansatz her kein zielführendes leistungsbezogenes Entgeltsystem sein kann. Aus dem Umstieg von Häusern auf die Akzeptanz des Systems zu schließen entbehrt also jeglicher Grundlage. Wir bitten Sie herzlich; im Interesse von Patientinnen und Patienten, das durch eine breite Basis von 17 wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Verbänden getragene Konzept zu unterstützen, um dazu beizutragen den gravierenden Fehlsteuerungen von PEPP eine konstruktive Alternative entgegen zu setzen. (...)"

    Ihren Vorschlag, das Vorschlagsverfahren des DIMDI zur Änderung unsinniger Prozedurenkodes zu nutzen, teile ich überhaupt nicht. Im Gegenteil suggeriert die Teilnahme am Vorschlagsverfahren, dass man den OPS-Kodes überhaupt etwas Positives abgewinnen kann, weil man sie ja ändern möchte. Dabei wissen wir ja um den hohen administrativen Aufwand bei fehlender Vergütungsrelevanz, die Probleme aufgrund der Unbestimmtheit der einzelnen Hinweise und Merkmale, die dann wiederum zu unfruchtbaren Auseinandersetzungen mit dem MDK im Rahmen der seit PEPP stark gestiegenen MDK-Prüfquote führen, die vom eigentlichen Kerngeschäft der Behandlung psychisch kranker Hilfebedürftiger fernhalten usw.

    Und nun folgern Sie (wie leider immer schon) pauschal, dass diejenigen, die dem neuen Entgeltsystem nicht aufgeschlossen gegenübertreten, eine naive, weltfremde Rückwärtsgewandtheit und fehlender ökonomischer Verstand angelastet werden kann.
    Dies teile ich ganz und gar nicht und entspricht auch nicht meiner Erfahrung in der Auseinandersetzung mit Kritikern, ganz im Gegenteil! Man muss meiner Meinung nach eben nicht erst am PEPP-System teilnehmen, um konstruktiv daran mitzuwirken, dass das vorgeschlagene Entgeltsystem noch sinnvolle Veränderungen erfährt. Dies kann man auch unabhängig von einer Optierung auf politischem Wege tun. In diesem Zusammenhang lohnt auch immer wieder die Erinnerung daran, dass PEPP nicht etwa auf dem Einigungswege, sondern durch vielfach kritisierte Ersatzvornahme des damaligen FDP-Gesundheitsministers Bahr (Elefant im Porzellanladen) auf den Weg gebracht wurde.

    Nach so viel Schelte nun meine Systemkritik mit Verbesserungsvorschlägen, die ich Fachleuten und Politikern immer wieder aufzeige, auf die Sie gern eingehen können:

    • Das geplante (eindimensionale, Diagnosen zentrierte) Entgeltsystem setzt –trotz Verbesserungen– auch weiterhin falsche Anreize (möglichst kurze VWD, möglichst schwere Diagnosen).
    • Das neue Entgeltsystem hat, wie oben beschrieben, einen großen bürokratischen und zudem unsinnigen Aufwand zur Folge (Dokumentation, Prüfaufwand), der vom Kerngeschäft Behandlung fern hält.
    • Die originäre Intention des Gesetzgebers/der Krankenkassen zur Reform 2009, Transparenz zu schaffen, wird aus heutiger Sicht nicht erfüllt werden.
    • Mit der Fallzusammenfassung erfolgt im Sinne einer Risiko-Umkehr eine Übertragung finanzieller Lasten von der gesetzlichen Krankenversicherung auf den Leistungserbringer für wiederkehrende stationäre Behandlungsbedürftigkeit bei Patienten aufgrund

      • psychosozialer Umstände,
      • konstitutioneller Faktoren und/oder
      • anerkannter Behandlungssettings!
    • Bei einer bestehenden Versorgungsverpflichtung (bei uns gem. § 15 NPsychKG) gibt es für ein Krankenhaus kaum Steuerungsmöglichkeiten im Unterschied zu Mitbewerbern ohne eine solche Verpflichtung, die „Rosinenpickerei“ betreiben könnten!
    • „Blutige“ Entlassung: in Folge der Regelungen zur Fallzusammenfassung müssen Krankenhäuser zukünftig aus finanziellen Gründen (fehlende Kostendeckung) prüfen, ob Pat. im Folgeaufenthalt bereits frühzeitig entlassen werden müssen, auch wenn aus sozialpsychiatrischer Sicht eine Entlassung noch nicht zwingend erforderlich wäre.
    • Warten auf Wiederaufnahme: in Folge der Regelungen zur sog. Fallzusammenfassung müssen Einrichtungen der Eingliederungshilfe zukünftig damit rechnen, dass auch bei psychischen Krisen eine sofortige Wiederaufnahme nicht zwingend möglich sein wird (21-Tage-Regelung), es sei denn, es besteht Versorgungsverpflichtung.
    • Der geplante Wegfall der Psych-PV zum Jahre 2019 und die Beauftragung des G-BA, (bisher ergebnislos) Personalstandards zu schaffen kann katastrophale Folgen für psychisch kranke stationär Behandlungsbedürftige haben.
    • Hier befürchten wir die Absenkung von Standards, die gewinnorientierte Krankenhausbetreiber nutzen könnten, das kostenintensive Personal abzubauen, um Leistungen billiger zu machen, was kommunale oder gemeinnützige Häuser infolge der Absenkung von Bewertungsrelationen in erhebliche Schwierigkeiten bringen könnte!
    • Besser wäre eine (leitliniengerechte) Weiterentwicklung der Psych-PV.
    • Die gesamte Diagnosen zentrierte InEK-Systementwicklung setzt auf die ICD-10-GM auf. Ab 2018 wird jedoch die ICD-11 eingeführt, die einen ganz anderen Ansatz als die ICD-10 verfolgt. Fraglich ist, wie sich dies nun, kurz nach einer möglichen verpflichtenden PEPP-Einführung, auswirkt. Man denke nur an die Anwenderprobleme in der Umstellung der ICD-9 zur ICD-10…
    • Ein neues Entgeltsystem sollte Sektorengrenzen überwinden können (und nicht diese zementieren):

      • innerhalb des SGB V betrifft dies die Sektoren ambulante, teilstationäre und vollstationäre Behandlung (personelle Kontinuität, Home-Treatment).
      • darüber hinaus wäre es hilfreich, die Sektoren zwischen SGB V und SGB IX zu überwinden.
    • Möglich wäre dies z.B. durch ein sog. „Regionalbudget“.
    • Ein Vergütungskompromiss könnte ansonsten über die Kopplung der ausschließlich diagnoseorientierten Gruppierung von Patienten in einige wenige Fallgruppen mit dem vom InEK entwickelten und für die Kostenkalkulation bereits verwendeten „Betreuungsintensitäten-Modell“ erreicht werden. Dies würde z.B. die wenig nützlichen, aber extrem administrationsaufwendigen OPS-Prozeduren, die so viel Widerstand auslösen, m.E. überflüssig machen.

    Ich könnte die Aufzählung noch fortführen, beschränke mich jedoch aus Platzgründen auf die o.g. Punkte.

    Wir haben ja nun des Öfteren festgestellt, dass wir inhaltlich durchaus ähnliche Überlegungen betreiben (siehe aktuell die Überlegungen zur Sektorengrenzen-Überwindung). Trotzdem möchte ich nun noch einmal Ihrer Polemik begegnen, die ich nicht teilen kann.

    Auf Kritik zu meiner Kritik freut sich


    mfG,

    ck-pku

  • Hallo,

    fangen wir mal hinten an:

    Trotzdem möchte ich nun noch einmal Ihrer Polemik begegnen, die ich nicht teilen kann.

    Einen Beitrag zu einer Diskussion, auch wenn sie engagiert sein mag, als Polemik zu bezeichnen wenn er nicht der eigenen Meinung entspricht, ist meiner Meinung nach genau dies!


    ABER:
    Sie unterstellen dann, dass der jetzige meiner Meinung nach unglückliche Versuch der Neugestaltung eines Vergütungssystems nur konstruktiv (um-)gestaltet werden kann

    Gleiches gilt, wenn in einer Aufforderung zur konstruktiven Mitarbeit eine Unterstellung gesehen wird.


    Und nun folgern Sie (wie leider immer schon) pauschal, dass diejenigen, die dem neuen Entgeltsystem nicht aufgeschlossen gegenübertreten, eine naive, weltfremde Rückwärtsgewandtheit und fehlender ökonomischer Verstand angelastet werden kann.

    Ich kann leider in keinem meiner Beiträge finden, dass ich jemanden als naiv oder rückwärts gewandt bezeichnet oder fehlenden ökonomische Verstand unterstellt hätte, schon gar nicht pauschal. Ich wünsche den Krankenhäusern gerne, dass sie alle aus ihrerer Sicht erforderlichen personellen und strukturellen Ressourcen finanziert bekommen. Meine sehr langjährige Erfahrung im deutschen Gesundheitssystem und dem Krankenhauswesen sagen mir jedoch, dass hier auch noch andere Player mitreden werden wollen. Mag sein, dass im Zuge einer möglichen Konkretisierung des Konzepts ich zu einer anderen Interpretation komme. Doch im Moment lese ich aus den zentralen Punkten des Papieres eine Forderung heraus, an deren Umsetzung ich nicht glaube. Natürlich kann man es dennoch fordern, aber daran zu glauben, dass es auch tatsächlich unverändert so kommen könnte, ist etwas anderes.

    Ich könnte jetzt für jeden Ihrer Punkte um eine Konkretisierung oder konkrete Beispiele für die einzelnen pauschalen Aussagen bitten.

    Es ist unbestritten, dass jedes Entgeltsystem Anreize bietet. Die von Ihnen aufgeführten Regionalbudgets zum Beispiel bieten oft einen erheblichen Anreiz, die Patienten gar nicht erst stationär aufzunehmen. Das wird in den Modellprojekten oft als Erfolg dargestellt. Aber abgesehen davon, dass auch dort einmal Patienten aus finanziellen Erwägungen ambulant behandelt werden könnten, die eigentlich einer stationäre Behandlung bedürften: Manche Klinikleiter von Modellprojektkliniken berichten ganz stolz, wie viele ihre Patienten sie jetzt kostengünstiger ambulant behandeln und wie viele Stationen sie schon geschlossen haben, bei gleichbleibendem Budget. Was glauben Sie, wie lange machen das die Kassen wohl mit?

    Blutige Entlassung, Rosinenpickerei, warten auf Wiederaufnahme; dies alles wurde bereits im DRG System befürchtet und kam in weit geringerem Ausmaß, als gedacht (nein, damit sage ich nicht, dass es das gar nicht gäbe!). Noch einmal: jedes Entgeltsystem hat seine Anreize. Doch ob die Anreize die medizinische Einschätzung und Behandlung beeinflussen, liegt in der Verantwortung der Behandler und Kliniken. Von deren medizinischer und moralischer Integrität habe ich scheinbar eine bessere Meinung, als diejenigen, die in den Anreizen eine Gefahr der medizinischen Versorgung sehen. Bei allen Problemen des DRG-Systems: Wir haben auch dort trotz der Fallpauschalen sicherlich kein Problem einer Unterversorgung (eher einer Überversorgung, aber wenn man sich die kritischen Bereiche (z.B. Wirbelsäule, TEP) im Vergleich mit dem Rest anschaut, ist das auch eher gering).

    Denn auch das Konzept der Fachverbände wird Anreize haben ebenso wie es die bisherige Vergütung über Pflegesätze bot. In den psychiatrischen Kliniken, die ich kenne, waren in Sitzungen auch früher schon Auslastung und Belegungstage genau so ein Thema, wie es zukünftig die Bewertungsrelationen sein werden. Und es wurde sehr genau darauf geachtet, die Budgetvorgaben zu erfüllen.

    Die Dokumentationsanforderungen sind unbestritten, wenngleich meine Erfahrung zeigt, dass sich der Mehraufwand bei einem eingespielten Dokumentations- und Kodierprozess und mit Softwareunterstützung (OK, meist mit Optimierungspotential) in Grenzen halten lässt. Soweit der OPS in seiner Ausgestaltung kritisiert wird, kann ich in Teilen zustimmen. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass die Fachgesellschaften maßgeblich an der Entwicklung und Weiterentwicklung des OPS beteiligt sind und die Idee der Komplex-OPS für diesen Bereich sicherlich keine alleinige Idee eines DIMDI oder InEK Mitarbeiters war. Ich bin allerdings - vielleicht meiner Historie geschuldet - nun kein pauschaler Gegner des OPS als Abbildung medizinischer Leistungen, nur weil ich mit der konkreten Ausgestaltung bestimmter OPS unzufrieden bin. Hier ist sicherlich Bedarf, einiges über Bord zu werfen was mit Sicherheit keinen Eingang ins System finden wird und statt dessen vielleicht einzelne ausgewählte zentrale Leistungen spezifisch zu kodieren. Ich höre dann aber auch schon die Aufschreie, dass bestimmte Leistungen dann ja gar nicht mehr abgebildet werden könnten.

    Es bleibt jedoch dabei: Ein Anspruch auf Vergütung von Leistungen auf der einen Seite bedingt einen Anspruch auf Nachweis dieser Leistungen auf der anderen Seite. Wenn man ein leistungsorientiertes Vergütungssystem möchte (das ist bisher die gesetzliche Vorgabe), ist auch Dokumentation erforderlich. Und auch im Konzept der Fachgesellschaften werden die dort vorgeschlagenen Kriterien selbstverständlich irgendwie dokumentiert und nachgewiesen werden müssen.

    Ich warte mal entspannt ab, wie es weitergeht. PEPP ist nicht mein Leben. Ich sehe lediglich ein gewisses Potential darin und glaube nicht, dass es besser wird, wenn man das bisher Erreichte aufgibt und mit einem anderen System wieder von vorne anfängt. In der konkreten Ausgestaltung als Entgeltsystem werden auch dann viele Kritiken, die sich jetzt gegen PEPP richten wieder hervorkommen, weil sie eben nicht PEPP-abhängig sondern grundsätzlich sind. Aber das ist nur meine persönliche Einschätzung.

    Gruß

  • Vielen Dank, GW, für Ihren ausführlichen und vor allem sachlichen Beitrag!
    Gruß
    GenS

  • Zunächst möchte ich allen danken, für die sehr kritische Auseinandersetzung, welche sicherlich für viele eine Bereicherung ist. Danke!!

    Bzgl. der Dokumentation möchte ich gerne kurz meine Meinung äußern. Die mitunter heftigste Kritik kommt hier meinem Erleben nach aus Richtung der Ärzteschaft. Nach meinem Empfinden liegt hier nicht eine systembedingte Mehrdokumentation vor, sondern die Dokumentation wird nun auf ein Level gehoben, welches schon länger geschuldet wäre. Verweisen möchte ich hierzu nur auf die Berufsordnung der Ärzte und die §630d-h BGB. In der Vergangenheit und auch aktuell noch, wird eine meist nur rudimentäre Dokumentation toleriert, in dem irrigen Glauben damit mehr Zeit am Patienten zu haben. In wie weit das der Realität in den einzelnen Kliniken entsprechen möchte, dass soll jeder für sich beurteilen, ich erlebe häufig diesen Effekt nicht. Eine ordentliche und vollständige Dokumentation bedeutet doch eine Steigerung der Qualität für den Patienten, für die Klinik und angesichts steigender Nachweisansprüche, auch eine höhere Rechtssicherheit der Organisation Krankenhaus.

    MfG
    klauss

  • Guten Morgen,

    ich darf noch einen Aspekt hinzufügen:
    Eines der zentralen Argumente für das PEPP System war und ist die vorgebliche Leistungstransparenz.
    Diese ist jedoch eine Illusion. Kaum jemand dürfte durch die nun vorhandenen Kodierung von Leistungen in die Lage versetzt werden, wirklich zu verstehen, worin die Leistung der Psychiatrie besteht. Das entstandene System hat mit enormem Aufwand die ohnehin naheliegende Erkenntnis gebracht, dass der Beginn der Behandlung etwas mehr kostet als die Weiterbehandlung und das die Betreuung der Patienten mit hohem Personalaufwand teurer ist als die Betreuung mit weniger Personalaufwand. Und nun?

    Eine Transparenz, die die tatsächlichen Leistungen auch nur für eine Minderheit nachvollziehbar machen würde, ist nicht gegeben. Im Gegenteil: Das System ist so kompliziert, dass nicht mal für die Fachleute nachvollziehbar ist, was eigentlich wirklich passiert. Ob die Dokumentation inhaltlich besser wird, ist auch nur eine Vermutung, die niemand wirklich untersucht hat.

    Alle Berufsgruppen haben sich an der Verkomplizierung des Systems beteiligt und haben dabei gegen die laufend geäußerten Warnungen des INEK verstoßen, nur, um sich selbst darstellen zu können. Diesen Unfug baden die Praktiker vor Ort aus. Ob das an der Versorgungsqualität für bestimmte Subgruppen etwas verschlechtert hat, ist völlig unklar, nicht erforscht und bleibt somit bloße Behauptung.

    Das praktische Ergebnis ist ein bürokratisches System, in dem sich Behandlungsabläufe den Kodiererfordernissen anpassen und nicht umgekehrt. Hinzu kommt eine von den Kassen initiierte MDK-Aktivität, die in dieser Form in der Psychiatrie bisher unbekannt war und die dann erst im Ergebnis einen ökonomischen Druck mit sich bringt. Darunter müssen aber zunächst die Krankenhäuser und nicht die Patienten leiden, weil im Ergebnis wieder retrospektiv bereits erbrachte Leistungen aberkannt werden.

    Es mag sein, dass dies dazu führt, dass künftig auch prospektiv auf Leistungen verzichtet wird, das Prüfverhalten der Kostenträger wird sich aber durch solches Entgegenkommen nur verlagern, nicht aber vermindern lassen. Insofern dürfte eine solche Verringerung von Leistungen in der Praxis nur wenig an der Versorgung ändern. Gerade die von Kritikern geforderte Schonung der "Schwächsten" ist hier sicher belanglos, da die "Schwächsten" vermutlich auch die mit dem sichersten Behandlungsbedarf sein dürften.

    Zusammenfassung:

    • Transparenz durch PEPP ist eine Illusion
    • Die Kritik am System auf Grundlage der Versorgungswirklichkeit der Patienten ist nicht substantiiert und geht am derzeit zentralen Problem vorbei
    • Das derzeit aus meiner bescheidenen Sicht zentrale Problem ist die bürokratisch Überfrachtung und Komplexität des Systems, welches die Leistungen vom Patienten weg führt und durch die Kostenträger im Detail angreifbar ist.

    Gruß

    merguet

  • Hallo Herr Merguet,

    ich kann ihre Kritik zum größten Teil teilen. Was mir fehlt ist allerdings die Perspektive (oder ist da eine gewisse Resignation herauszulesen?)

    Wenn ich aus Ihrer Kritik die relevanten Stichpunkte betrachte, die ich mal mit Tranparenz, Komplexität und Aufwand beschreiben würde, dann sehe ich hier in erster Linie eine Kritik an den OPS. Denn letztenendes hängt die Transparenz an der Leistungsbeschreibung und auch die Komplexität und der Aufwand sind durch für mich durch Überfrachtung und gutgemeinte, aber zu wortreiche und unganaue Definitionen bedingt.

    Mein Vorschlag wäre weiterhin die Reduzierung der OPS auf relevante, klar definierte, einzelne Leistungen (z.B. Psychotherapie, Ergotherapie) im Sinne einer Leistungsabbildung statt einer Leistungsdefinition durch unendliche Mindestmermale und der subsumierung jedglicher erdenklicher Personalbindungszeit in so genannten Therapieeinheiten.

    Das wäre einfacher (Leistung --> OPS) in Kodierung und Dokumentation und durch die Beschränkung auf einzelne definierte und medizinisch zentrale Leistungen sowohl transparenter als auch einfacher zu prüfen/belegen.

    Ein Restaufwand wird immer bleiben, abhängig vom gewünschten Ausmaß an Transparenz und Leistungsgerechtigkeit.

    Gruß

  • Hallo,

    die Antwort der Bundesregierung auf die "Kleine Anfrage" von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, die bereits am vergangenen Freitag, den 15.01.2016 erteilt wurde, wurde heute veröffentlicht. Diese Bundestags-Drucksache 18/7281 finden Sie hier.

    Wie erwartet wird in wesentlichen Teilen der Antworten auf den noch laufenden, ergebnisoffen geführten "strukturierten Dialog" des Bundesministeriums für Gesundheit abgestellt. Die nächste Sitzung des strukturierten Dialogs ist für das erste Quartal des Jahres 2016 vorgesehen.

    Ich wünsche ein schönes Wochenende.


    MfG,

    ck-pku