Kodierung von Depressionen

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    hat jemand aus dem Forum sich mit dem Themenbereich Kodierung von Depressionen intensiver auseinandergesetzt und kann mir u.U. weiterreichende Informationen übersenden.

    In unseren Entlassberichten, insbesondere der operativen Fächer, findet sich häufig lediglich die Formulierung "Depression". Bekannterweise bestehen hier deutliche Differenzierungsmöglichkeiten, die u.U. CCL wirksam sind.

    Bislang haben wir insbesondere die aktuelle Medikation dahingehend analysiert, welchen depressiven Krankheitsbildern diese typischweise zugeordnet ist. So wird beim Venlafaxin und anderen Substanzen die Major Depression im Ifap als Indikation benannt. Diese Diagnose wie auch die endogene Depression ordnet der Grouper der F32.2 zu.

    In verschiedenen Internet - Quellen wird die Bezeichnung der Major Depression als aus dem anglo - amerikanischen Sprachraum stammender Begriff bezeichnet, der u.U. nicht uneingeschränkt auf Europa übertragen werden kann.

    Wie beziehen Sie die aktuelle Medikation in Ihre Kodierung diesbezüglich ein? - Hat jemand eine Art Leitfaden ?

    Vielen Dank und herzliche Grüße

    Stephan Wegmann

  • Moin,

    wenn Sie "nur" die (vorhandene) Medikation der Depression während des Aufenthaltes weiterführen empfiehlt sich die F33.4

    Ansonsten würde ich (Sie sprachen von operativen Fächern) schon weitergehende Diagnostik bzw. ein neurologisches oder psychiatrisches Konsil und/oder Umstellung der Medikation für die Kodierung z.B. der F32.2 fordern.

    Gruß
    zakspeed

  • Hallo Münsteränder,

    im Normalfall sind bei uns in den somatischen Disziplinen anamnestische Angaben wie auch Befunde zur Depression dürftig bis nicht vorhanden. Systematisch ist m.E. zu unterscheiden in F32.- ("eine" depressive Episode) und F33.- ("rezidivierende" depressive Störung [mehrere Episoden])."

    Sofern die "Depression" als anamnestische Angabe verzeichnet ist und der Patient ein Antidepressivum erhält, kodieren wir dies mit F32.9 (inkl. Depression o.n.A.).

    Falls aus den Unterlagen zusätzlich hervorgeht, dass es sich um eine rezidivierende Depression handelt, z.B. anhand von alten Arztbriefen, in denen die Depression als rezidivierend beschrieben wird, kodieren wir dies mit F33.9. Dies sind bei uns in der Somatik in Ermangelung weiterer Befunde die "Regelkodes".

    Der Kode F33.4 kann bei uns regelhaft nicht angegeben werden, da wir über den Status (remittiert) schlicht keine Infomationen haben.

    Sofern bei einem Patienten ein psychiatrisches Konsil mit differenzierter Befundung erfolgt, wird dem entsprechend kodiert.

    Viele Grüße

    Medman2

  • Hallo, medman2

    danke für die Info. Welche Form von Depression würden Sie dann konkret kodieren bei der Angabe "Depression" im Arztbrief und der kombinierten Gabe von Mirtazepin und Venlaflaxin?
    Für beide Substanzen wird im Ifap "Major depression" als Indikation benannt; dieses wäre dann F32.2.

    Viele Grüße

    Stephan Wegmann

  • Hallo Herr Wegmann,

    das wurde doch schon beantwortet: Allein aufgrund der Medikation kann allenfalls der ICD F32.9, bei dokumentierten Hinweisen auf eine rezidivierende Störung F33.9 kodiert werden. Dass die Medikamente für eine "major" Deppression zugelassen sind heißt in Bezug auf den Schwergrad gar nichts, weil erstens der Begriff "major Depression" nicht der ICD Einteilung entspricht, sondern - wie Sie ja selbst bereits anmerkten - aus dem anglo-amerikanischen DSM IV kommt. Dort bedeutet "major Depression" eher so etwas, wie früher im deutschen Sprachraum die "endogene Depression", also in Abgrenzung z.B. zu einer reaktiven Depression (siehe auch Nationale Versorgungs-Leitlinie Unipolare Depression).
    Zweitens haben die Medikamente auch mehrere Indikationen, schon deshalb ist der Schluss vom Medikament auf die spezifische Diagnose unzulässig.

    Haben Sie jedoch zusätzliche fachliche Informationen und Dokumentationen zu Ihrem Patienten (z.B. Arztbrief aus der Psychiatrie), die eine genauer Spezifizierung der Diagnose beschreiben, dann sehe ich keinen Grund eine unspezifische Diagnose anzugeben. Der bereits psychiatrisch als schwer rezidivierend depressiv diagnostizierte Patient wird ja nicht nur deshalb, weil er in der Somatik liegt, plötzlich nur noch "nicht näher bezeichnet" depressiv. Hier gilt das Gleiche wie für Stadien bei anderen chronischen Erkrankungen. Aber - wie gesagt - nur dann, wenn diese Diagnose auch fachlicherseits gestellt wurde und diese Information Ihnen vorliegt. Allein aufgrund der Medikation und deren schwammige Angabe zur Indikation keinesfalls!

    Gruß

  • Hallo, GW

    danke für die ausführliche Stellungnahme. Ich habe mich zwischenzeitlich mal durch meine Psychiatrie - Bücher und ebenso durch die von Ihnen benannte Leitlinie geackert.

    Angesichts der rudimentären Angaben werden wir die Kodierung wahrscheinlich nicht halten können. - Letzter Ansatzpunkt wäre der Hausarzt, den ich morgen zu erreichen versuche.

    Herzliche Grüße

    Stephan Wegmann

  • Hallo Münsterländer,

    wie GW schon sagt, in diesem Fall F32.9. Wenn Sie vom Hausarzt die Information erhalten, dass es sich um eine chronisch rezidivierende Depression handelt, die F33.9.

    Viele Grüße

    Medman2

  • Ooops, habe die Diskussion gerade erst gesehen. Die korrekten Codes wurden ja schon genannt, trotzdem noch 2 Anmerkungen:

    Ansonsten würde ich (Sie sprachen von operativen Fächern) schon weitergehende Diagnostik bzw. ein neurologisches oder psychiatrisches Konsil und/oder Umstellung der Medikation für die Kodierung z.B. der F32.2 fordern

    In der "und/oder"-Formulierung kann ich dem zustimmen. Strikt verwahren sollte man sich allerdings gegen die immer wieder mal auftauchende Forderung, psychiatrische Diagnosen nur bei Einschaltung eines Psychiaters zu kodieren - dafür gibt es in den DKR (und auch sachlich) keine Grundlage. Sonst dürfte der Psychiater ja auch keinen Bluthochdruck diagnostizieren und der Arzt in Weiterbildung überhaupt nichts...

    Punkt 2:

    Angabe "Depression" im Arztbrief und der kombinierten Gabe von Mirtazepin und Venlaflaxin?

    Die Praxis, einfach eine zum Medikament passende Erkrankung zu kodieren, ist bei Antidepressiva generell unmöglich, da sie regelmäßig auch bei Patienten ohne jede Depression eingesetzt werden, teils on-, teils off-Label: Schlafstörungen, Schmerz, Angst, Ejaculatio praecox u.s.w. Die reine Medikamentenangabe ohne weitere Informationen erlaubt also erst mal *gar keine* Diagnose und erfordert immer Rückfrage beim Arzt, wenn aus den Akten die Diagnose nicht hervorgeht. In der Chirurgie wird das leider regelmäßig zur Antwort "keine Ahnung, hat er mitgebracht" führen. Aber nichts zu kodieren ist immer noch besser, als dem Patienten eine psychische Erkrankung anzudichten, die er möglicherweise gar nicht hat. Ich weiß, die Konstellation trifft hier im konkreten Fall nicht zu, aber ich musste mich da gelegentlich schon mit Medizincontrollern streiten...