Sichtüberwachung bei 1:1 Betreuung

  • Hallo liebe Kollegen,

    in unserer Klinik erhalten unruhige, fremd - oder eigengefährdende Pat. Zimmerisolierung. Es findet eine Überwachung mit Sichtkontakt (Glasscheibe) aus einem Nebenzimmer statt. Dabei können gleichzeitig in zwei Räumen bis zu drei Pat. betreut werden.
    Meine Frage: Kann man dies als erhöhten Betreuungsaufwand bzw. als 1:1 Betreuung abrechnen? Hat jemand Erfahrungen mit den Krankenkassen bzw. MDK gemacht? Und soweit ich weiß, müssen Überwachungen immer von examinierten Pflegekräften geleistet werden?!

    Vielen Dank

    FNK

  • Hallo fnk,

    aus meinen Erfahrungen heraus gehe ich ganz stark davon aus, dass Ihnen der MDK das streichen wird. Der MDK könnte es so auslegen, da sich Patient und betreuende Person nicht im selben Raum befinden, könnte die betreuende Person abgelenkt werden und somit wäre eine Unterberechnung vorhanden.

    Habe von einem Fall gehört wo der MDK die1:1 Betreuung gestrichen hat, da im Pflegebericht ein Vermerk war, dass der Patient auf das WC ging und die betreuende Person nicht mit auf das WC ging. Auch ist mir bekannt wenn der MDK in der Doku Hinweise findet wie "Pat. im Sichtbereich" etc. er die 1:1 Betreuung streicht.

    In Ihrem Fall schildern Sie das "...gleichzeitig in zwei Räumen bis zu drei Pat. betreut werden können..." Dort wäre die 1:1 Betreuung schon erledigt, ob eine Betreuung in der Kleinstgruppe in Frage kommt bleibt fraglich. Ich gehe davon aus, dass auch hier der MDK es streichen wird.

    Bisher ist mir es so bekannt das der MDK darauf achtet, dass sich Pat. und betreuende Person in ein und demselben Raum befinden, und die betreuende Person keinen anderen Aufgaben nachkommt.

    Vielleicht sieht der MDK das bei Ihnen anders?


    FG

  • Hallo fnk,
    eine Sichtüberwachung aus einem Nebenraum ist keine Betreuung.
    Unabhängig davon ist eine durchgängige Betreuung oder Beaufsichtigung der Kleinstgruppe über mindestens 2 Stunden sicher nicht gegeben, wenn die Aufsichtsperson im Nebenraum sitzt.

    Viele Grüße ins FNK,

    B. Gohr

    Das Problem am Gesundheitssystem ist der aufrechte Gang. Der aufrechte Gang ist moralisch wünschenswert, orthopädisch aber eine Katastrophe.

  • Hallo,
    soweit ich es bislang in diesem Thread verstanden habe, bedeutet 1:1-Betreuung, dass eine Bezugsperson einen Patienten für den zu dokumentierenden Zeitraum gleichzeitig sieht, hört und riecht ohne irgendeine andere Tätigkeit (z.B. aus dem Fenster sehen) zu vollziehen während sich die Betreuungsperson im selben Raum befindet. Eine Ablösung, z.B. beim WC-Gang der betreuenden Person ist nur möglich, wenn gleichzeitig eine andere Person die 1:1-Betreuung übernimmt und dies entsprechend (d.h. alle 15min und bei jedem Wechsel) dokumentiert wird. Gibt es hierbei sonst noch Bedingungen, welche ich nicht beachtet habe?
    Grundsätzlich wäre es ja sinnvoll und hilfreich einen möglichst kategorialen Katalog zur Dokumentation zu entwerfen, an welchem man sich möglichst MDK-prüfsicher bewegen könnte. Jedoch bin ich mir unsicher, wie einheitlich deutschlandweit die MDK-Bewertungen ausfallen (würden)... das wird die Zeit zeigen müssen.
    Mir hat sich zudem noch die Frage nach den (Kalender-)Tagen der Betreuung gestellt. So heißt es im OPS, dass mehrere Zeiträume "über den Tag addiert werden" können, was unser EDV-System bislang auch leistet. Jedoch wird hierbei der Tag, d.h. die ersten 24 Std., begonnen mit Aufnahmezeitpunkt des Patienten bewertet. Angenommen, ein Patient wird um 12:00 Uhr aufgenommen und wird ab diesem Zeitpunkt 1:1-betreut ergibt sich hierbei in der Abrechnung nach Kalendertagen, dass der Pat. am Aufnahmetag max. 12Std. 1:1-betreut gewesen sein kann. Im System werden jedoch die ersten 24 Std. nach Aufnahme gewertet, sodass (angenommen die 1:1 ging auch bis zum Tag 2 um 12:00 Uhr) sich eine einzelne 1:1-Betreuung mit über 18Std. ergibt. Gibt es Häuser, die mit ähnlichen Problemen bzgl. EDV bzw. Interpretation der Formulierungen an dieser Stelle diskutieren?

  • auch noch eine Frage hierzu... fixierte Patienten werden bei uns teilweise über die Videoüberwachung gemonitort.. (Hab ich vorher auch noch nie gehört).
    gibt es eine Gesetzesgrundlage, dass bei fixierten Patienten zwingend eine 1:1 Betreuung notwendig ist?

  • Hallo schnabbeline,

    das kann in den PsychKG's der Bundesländer geregelt sein, so soll in Niedersachsen z.B. im Zuge der Novellierung des NPsychKG's (Gesetzentwurf, 06.10.2015) der neue § 21c Abs. 2 NPsychKG lauten:

    "(2) Bei einer Fixierung ist zum Schutz der fixierten Person eine durchgängige Beobachtung mit regelmäßiger Kontrolle der Vitalfunktionen sicherzustellen. In der Regel ist die durchgängige Beobachtung durch eine ständige, unmittelbare, persönliche Beobachtung sicherzustellen. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn krankheitsbedingt eine unmittelbare Beobachtung nicht angezeigt ist."

    Die Gesetzesbegründung zu § 21c Abs. 2 NPsychKG führt aus:
    "Bei Fixierungen ist es erforderlich, zum Schutz der Betroffenen eine ständige persönliche Beobachtung der fixierten Person sowie regelmäßige Kontrollen der Vitalfunktionen durchzuführen. Eine ständige persönliche Beobachtung kann z. B. in Form einer Sitzwache oder in Form einer Beobachtung durch ein Überwachungsfenster erfolgen. Ausnahmen können dann angezeigt sein, wenn aufgrund des Krankheitsbildes des Betroffenen eine persönliche Überwachung aus ärztlicher Sicht der Indikation und ggf. dem Behandlungsziel widerspricht. Eine optisch-elektronische Überwachung bzw. Datenaufzeichnung ist nicht zulässig. Absatz 3 ist insoweit zu beachten. Mit dieser Regelung wird auch eine Empfehlung des „UN-Ausschusses gegen Folter“ (UN-Anti-Folter-Konvention) umgesetzt, der empfohlen hat, Fixierungen in psychiatrischen Krankenhäusern streng zu regulieren."

    Prüfen Sie also, ob das PsychKG Ihres Bundeslandes ähnliche Regelungen enthält. Daneben gibt es natürlich mögliche Erlasse Ihres Landes-Gesundheitsministeriums zum Thema, Empfehlungen eines möglichen Ausschusses für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung u.v.m.


    MfG,

    ck-pku

  • Hallo,

    @Kodier-Assi soweit mir bekannt ist wird die 1:1-Betreuung immer für den jeweiligen Kalendertag kodiert. Das heißt wenn ein Pat. um 12:00 mittags aufgenommen wird und 1:1 Betreuung bekommt, dass an diesem Kalendertag max. 12 h 1:1 Betreuung geleistet werden können.
    Im OPS-Katalog 2016 heißt es: "Dieser Kode ist für jeden Behandlungstag mit erhöhtem Betreuungsaufwand einzeln anzugeben." Aus meiner Sicht gibt es dort keinen Interpretationsspielraum, da ein Behandlungstag = ein Kalendertag = ein Berechnungstag im PEPP 2016 ist. Wenn ein System ab der Aufnahmezeit +24h als einen Behandlungstag bewertet liegt aus meiner Sicht ein Interpretationsfehler vor. Das würde ja bedeuten wenn ein Pat. z.B. am 01.06.16 um 10.00 Uhr zur Aufnahme kommt und am 02.06.16 um 08.00 Uhr entlassen wird, dass das System es nur als einen Behandlungstag bewerten würde und somit auch nur einen Berechnungstag abrechnen würde, obwohl es 2 Berechnungstage sind (wenn nach PEPP 2016 abgerechnet wird), weil 2 Kalendertage.

    Gruß

  • halo ck-pku,

    danke für die ausführliche Antwort. :)

    hab ich mich gleich rangesetzt und gelesen (war wohl längst überfällig)..
    Also bei uns steht da nix, kommt aber vielleicht noch, man weiß ja nie. Was ich aber dennoch ganz interessant fand, war die "Beschränkung des Aufenthaltes im Freien" als Sicherungsmaßnahme zu definieren. Also erfüllt ja praktisch jeder Patient, der keinen Ausgang hat ein Intensivmerkmal nach OPS (zumindest die erste Woche nach Aufnahme).

    LG
    Schnabb

  • Hallo zusammen.

    Im PsychKHG-BW ist die Betreuung während einer Fixierung auch schön klar geregelt, wie oben schon erwähnt: ständige, unmittelbare, persönliche Betreuung.
    Es gibt zwar in der Gesetzes-Begründung eine Ausnahme, die sich aber deutlich in Richtung Geronto-Psychiatrie bewegt (es wird da in einer Beispielsituation von einer "engmaschigen" Betreuung gesprochen) und eigentlich kaum Spielraum für eine eine andere Art der Betreuung zulässt.

    Und, frei nach Klaus W.,: das ist auch gut so. Alles andere halte ich für (grob) fahrlässig und für menschenunwürdig.

    Wir haben uns im letzten Jahr dafür entschieden, entsprechende Personalverschiebungen unabhängig von der PsychPV zu machen, um dem Patienten gerecht zu werden. PEPP- Zusatzentgelte haben bei der Entscheidung eher eine untergeordnete Rolle gespielt; zumal wir noch gar nicht wissen, wie sich die 1:1-Betreuungen auf die Erlöse im Verhältnis zum Aufwand auswirken. Zusätzlich haben wir uns das Ziel gesetzt, die Betreuungen nur durch examiniertes Personal durchführen zu lassen. Dito, was PEPP anbelangt.


    "Beschränkung des Aufenthaltes im Freien"

    So steht es auch im PsychKHG-BW. Wichtig scheint mir die Unterscheidung zwischen dem Gesetz und PEPP.
    Im Gesetz ist das immer eine individuelle Anordnung (also nix mit Stations- oder Hausordnung oder therapeutischem Konzept o. ä.), sie muss dokumentiert begründet und befristet sein. Wir erwarten demnächst die sogenannte "Besuchskommission" (ob es die in anderen Ländern im Rahmen des PsychKHG gibt, weiß ich nicht) und die wird, so haben wir gehört, bei einlliegenden Patienten explizit nachfragen und sich die Dokumentation bei entlassenen Patienten sehr genau anschauen (vielleicht haben andere Forumsteilnehmer*innen schon Erfahrungen). Und sie wird dem Landtag berichten.....
    In "PEPP" muss sie wohl "nur" ärztlich angeordnet sein. Es kann mir aber niemand erzählen, der / unser MDK würde, zumindest in BW, nicht nach der Begründung gucken, wenn die laut PsychKHG-BW gefordert ist.

    Freundliche Grüße

    Jorge

  • Hallo,

    Also erfüllt ja praktisch jeder Patient, der keinen Ausgang hat ein Intensivmerkmal nach OPS (zumindest die erste Woche nach Aufnahme).

    Ich finde da muss man unterscheiden zwischen untergebrachten Patienten und Patienten, die mehr oder weniger freiwillig (jedenfalls ohne Beschluss) in der Klinik sind. Letztere können zumindest theoretisch jederzeit wieder die Behandlung beenden (selbst wenn das dann vielleicht eine Unterbringungsmaßnahme zur Folge hättte, die aber erst nach dem Beschluss gelten würde). Das gilt auch dann, wenn sie freiwillig eine Vereinbarung über einen beschränkten Ausgang getroffen haben. Die "Scherungspaßnahe" greift meines Erachtens nur bei den untergebrachten Patienten! Auch die im Gesetz aufgeführten Sicherungsmaßnahmen gelten in der Regel nur bei Unterbringen (stehen im entsprechenden Abschnitt des Gesetzes).

    Gruß