Comotio, Schädelprellung oder HWS-Distorsion?

  • Einen schönen regenfreien Tag, liebes Forum,

    ich hatte das Thema erst im Abrechnungsforum, vielleicht ist es aber hier besser aufgehoben. Kann man seinen eigenen Thread eigentlich löschen?

    Aber nun zum Problem:

    Habe ich einen Patienten nach SHT aufgenommen und überwacht und kodiere dann die S06.0 Commotio, bekomme ich die B80Z mit RG 0,282.
    Habe ich einen Patienten nach SHT aufgenommen und überwacht und kodiere dann die S00.95 Schädelprellung, bekomme ich die J65B mit RG 0,321.

    Ich bekomme also mehr, wenn der Patient weniger hat. Der Überwachungsaufwand ist ja der gleiche.

    Besser sogar noch die HWS-Distorsion, die ja auch immer mal mit dabei ist. Patient sagt ja: \"Mir tut alles weh, der Kopf, der Hals. Den kann ich kaum bewegen.\"
    Kodiere ich dann also die S13.4 bekomme ich I68B, RG 0,780.

    Wie gehen andere damit um? Wann kodiert Ihr eine Prellung, wann eine Commotio? Wie grenzt Ihr eine Schädelprellung von der HWS-Distorsion kodiertechnisch ab, will heißen: Wann HD?

    Viele Grüße

    Benjamin

    P.S.
    Ich denke mal, dass hier die Kassen oder der MDK gar nicht scharf auf Prüfungen sind. Hier lässt man bestimmt lieber immer die Commotio als HD stehen. :teufel:

    • Offizieller Beitrag
    Zitat


    Original von Benjamin:
    ich hatte das Thema erst im Abrechnungsforum, vielleicht ist es aber hier besser aufgehoben. Kann man seinen eigenen Thread eigentlich löschen?

    Hallo Benjamin,

    kann man nicht. Nur der Text der einzelnen selbstverfassten Posts kann gelöscht werden.

    Ich habe das für Sie übernommen.

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo Benjamin,

    wir orientieren uns bei der Kodierung von Fällen, die wegen V. a. SHT aufgenommen wurden, daran, ob
    1. das SHT wirklich vorlag (Symptomatik) und
    2. ob noch irgend eine andere Verletzung die stationäre Aufnahme rechtfertigen kann.
    Es ist ja für den MDK sicher nicht einzusehen, wenn ein Patient wegen ein paar \"Kratzern\" oder Beulen stationär aufgenommen wird, der \"nebenbei\" auch noch ein SHT hat. Wenn sich natürlich herausstellt, dass das vermutete SHT keins war, oder wenn andere stichfeste Gründe für die stationäre Aufnahme vorlagen, die Aufwand gemacht haben, dann nehmen wir laut DKR das Symptom oder die Krankheit, die zur stationären Aufnahme geführt haben.

    Grüße aus Brandenburg

    Elisabeth Kosche

  • Guten Morgen

    ich hatte genau zu diesem Problem \"SHT 1. Grades versus Schädelprellung\" schon einige Schriftwechsel mit dem MDK, da ersteres natürlich deutlich billiger ist. Eine stationäre Aufnahme mit der HD Schädelprellung ist immer schwierig zu begründen, da sie erklären müssen, warum der Patient überhaupt stationär behandelt wurde (primäre Fehlbelegung!). Auf Sozialgerichtklagen haben wir aus diesen gründen immer verzichtet und das SHT als HD angegeben.
    Anders sieht die Sache schon bei der HWS-Distorsion aus. Wenn Sie beide Diagnosen stellen können und die Distorsion eindeutig im Krankenblatt kllinisch und am besten noch röntgenologisch nachgeiowesen ist, verschlüsseln wir es grundsätzlich als HD. Bisher wurde dieses Vorgehen vom MDK nicht bemängelt.

    Viele Grüße

    Dr. Haubold :chirurg:

  • Guten Tag liebes Forum,

    ich muss die Frage nochmal um einen neuen Aspekt ergänzen. Ich habe jetzt einen Artikel von einem Kollegen erhalten, in dem es um die Kodierung von leichten Kopfverletzungen geht (DRG-Übungen: Stationäre Aufnahme bei leichten Kopfverletzungen, Der Chirurg BDC 11.2004).

    Hier wird in einem Beispiel gesagt: Offenbar Z.n. Klettergerüststurz im Kindergarten, wird weinend und benommen aufgefunden, Mutter gibt später auch an, dass das Kind auffällig ruhig und verstört ist. Bei der Untersuchung werden keine pathologischen Befunde festgestellt. Entlassung am nächsten Tag.

    HD soll dann Z03.- sein!

    Das habe ich aber bisher völlig anders verstanden. Diese Kodes sollen doch nur dann als HD zugeordnet werden, wenn keinerlei Symptome vorliegen. Das ist doch hier aber nicht so, es sind beschrieben: Benommenheit, auffällige Ruhe und Verstörtheit.

    Ich denke, hier kann dann bestimmt nicht ein Z-Kode verwendet werden oder liege ich hier falsch?

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag Benjamin,

    Sie liegen hier nicht falsch. In dem erwähnten Beispiel ist Z03.- definitiv nicht als HD zu nennen, da Symptome vorlagen. Wäre in dem Beispiel gesagt worden: Kind sitzt weinend neben Klettergerüst ohne Symptome eines möglichen Sturzereignisses... und der weitere Verlauf wäre wie im Beispiel geschildert abgelaufen, wäre Z03.- zuzuordnen. Weinen ist kein Symptom, sondern ein nicht selten erlebte Reaktion von Kleinkindern auf alles mögliche. Benommenheit usw. ist aber ein Symptom was auf die Verdachtsdiagnose Schädelverletzung hinweist und hier ist die DKR eindeutig:

    \"Können für die Hauptdiagnose spezifischere Schlüsselnummern angegeben werden, haben diese Vorrang vor einer Schlüsselnummer aus der Kategorie Z03.– Ärztliche Beobachtung und Beurteilung von Verdachtsfällen. Wenn ein Symptom, das mit der Verdachtsdiagnose im Zusammenhang steht, vorliegt, wird die Symptom-Schlüsselnummer als Hauptdiagnose zugewiesen, nicht ein Kode aus der Kategorie Z03.– Ärztliche Beobachtung und Beurteilung von Verdachtsfällen (s.a. DKR D008b Verdachtsdiagnosen).\"

    Hier dann im Zweifelsfall R40.0, vielleicht findet man aber auch noch einen anderen Kode.

    Ich habe den Verfasser (Dr. Bartkowski) vor 2 Tagen auf die problematische Formulierung und Kodezuweisung in diesem Beispiel hingewiesen. Dr. Bartkowski sieht die Formulierung nun auch als problematisch an und sagte, dass er das Beispiel entsprechend überarbeiten wird.

  • Guten Morgen,
    das Problem scheint mir so noch nicht gelöst zu sein. In unserem Beispiel wurden im Krankenhaus nach einem vermuteten Sturz eines dreijährigen Kindes keine Symptome mehr festgestellt. Fremdanamnestisch sei das Kind \"benommen\" gewesen. Im Krankenhaus machte das Kind auf die Mutter einen \"auffällig ruhigen und verstörten\" Eindruck. Lassen Sie mich dieses Beispiel präzisieren: Der behandelnde Arzt stellt keine neurologischen / psychiatrischen Auffälligkeiten fest, nimmt aber nicht zuletzt aus forensischen Bedenken bei äußerst besorgtem Elternteil das Kind zur Beobachtung auf.
    Die Vermutung einer Schädelprellung oder Commotio ist nicht begründbar, niemand hat den Unfall beobachtet. Es würde tatsächlich nur noch das Symptom R40 Somnolenz / Benommenheit bleiben, welches jedoch nicht bei einer Kopfverletzung kodiert werden darf. Es bleibt also zu klären, ob allein aufgrund der subjektiven Fremdanamnese R40 kodierbar ist - wenn auch der Arzt eine Benommenheit feststellt und dokumentiert, wäre der Sachverhalt eindeutig. Ich glaube, klassifikatorisch oder kodiertechnisch werden wir dieses Problem nicht lösen, da es ja reine Ermessenssache ist, sich für einen Kode zu entscheiden, an der Behandlung ändert sic dadurch ja nichts. Es ist also nötig, den Gruppierungsalgorithmus robuster zu machen, d.h., Somnolenz, Beobachtung und Commotio mit derselben DRG zu vergüten, schwerere Commotiones (gesteuert durch Dauer der Bewusstlosigkeit) jedoch in höher vergütete DRGs triggern zu lassen.
    Mit unserer Übungsaufgabe wollten wir v.a. vor einem Upcoding warnen, nämlich durch Negieren von eindeutigen Symptomen einer Commotio aus B80Z herauszukommen und über die Diagnose Schädelprellung eine höher vergütete DRG abzurechnen.
    Ich gebe zu, dass wir hier in eine ziemlich spitzfindige Diskussion geraten, aber wegen der klinischen Relevanz sollten wir das Problem ausdiskutieren und zu einer praxistauglichen Lösung kommen.

    Dr. Rolf Bartkowski
    Arzt f. Chirurgie, Med. Informatik
    Berlin

    • Offizieller Beitrag
    Zitat


    Original von Selter:
    \"Wenn ein Symptom, das mit der Verdachtsdiagnose im Zusammenhang steht, vorliegt, wird die Symptom-Schlüsselnummer als Hauptdiagnose zugewiesen, nicht ein Kode aus der Kategorie Z03.– Ärztliche Beobachtung und Beurteilung von Verdachtsfällen (s.a. DKR D008b Verdachtsdiagnosen).\"

    Guten Morgen Herr Bartkowski,

    da Symptome vorlagen und diese auf die Verdachtsdiagnose hingewiesen haben, scheidet der Z-Kode definitiv aus. Es geht dann nur noch um die Frage, welches Symptom wie kodiert wird. Dass bei einem Kleinkind die Anamnese fremdanamnestisch ist, ist ja eher die Regel und, dass während des stationären Verlaufs keine neurologischen Auffälligkeiten festgestellt wurden besagt dann auch nur, dass keine Commotio kodiert werden kann, nicht aber, dass dann ein Z03-Kode benutzt werden kann. Auch der Zeitpunkt der Feststellung ist hier nicht ausschlaggebend. Bei einer Commotio mit Bewusstlosigkeit wird auch die Dauer der Bewusstlosigkeit kodiert, obwohl ja meist die Patienten bei Aufnahme schon das Bewusstsein wiedererlangt haben. Es wird Stromunfall kodiert, obwohl dieser (in der Regel) auch nicht \"live\" im Krankenhaus stattfand, usw..... Es gibt hier sehr viele Beispiele für diesen Sachverhalt.

    Ich hätte wahrscheinlich im Zweifelsfall \"Schädelprellung\" kodiert, weil:

    ich diese Verdachtsdiagnose nach den Angaben stellen würde (Commotio lag ja nun mal nicht vor) und ich dieses Kind ja diesbezüglich behandeln würde (zumindest ja durch körperliche Schonung mit Bettruhe und Überwachung). Inwiefern soll ich denn mit Sicherheit dann ausschließen, dass hier keine Prellung vorliegt?

    Mit den gesetzlichen Kassen hat man dann allerdings schnell eine MDK-Anfrage wegen primärer Fehlbelegung am Hals. Aus dieser \"Angst\" wir dann jetzt vermehrt dieser Z03-Kode benutzt, obwohl eindeutig eine Schädelprellung vorlag (so wurde es mir am Telefon mehrmals geschildert). In 4 der von mir diesbezüglich letzte Woche geprüften BG-Fällen wurde dann auf Ihren Artikel verwiesen. In einem Fall kam sogar die Klinik auf die Idee, nachträglich selber Ihre Rechnung mit der HD Commotio zu stornieren und stellte eine neue mit der HD Z03.- mit Verweis auf den oben genannten Artikel. Das zeigt leider, dass hier dann doch etwas falsch verstanden wurde. Ich habe die jeweiligen Ärzte alle angerufen und Ihnen den Fall eingehend erläutert und hoffe, dass diese Z03-Kodes jetzt nicht mehr in jedem 3. Fall als HD genannt werden.

    Ihren Vorschlag einer DRG-Anpassung unterstütze ich gerne und habe diesen auch schon vor ein paar Monaten mündlich beim InEK vorgetragen. Eine schriftliche Eingabe wird noch folgen. Dies können wir ja beim Treffen in Frankfurt dann besprechen.