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Fallzusammenführung und Aufwandspauschale: Entscheidungen des BSG vom 28. November 2013

1.  BSG vom 28. November 2013, Az.: B 3 KR 33/12 R: Keine Verpflichtung des Kran-
    kenhauses zur Wiederaufnahme innerhalb von 30 Tagen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 FPV)

1.1 Sachverhalt

Der Patient wurde im Krankenhaus zweimal wegen eines Prostataleidens stationär behandelt. Während des ersten Aufenthalts (4. Mai 2006 bis 6. Mai 2006) wurde mit dem Patienten bereits ein Wiederaufnahmetermin für den 6. Juni 2006 zur transurethralen Prostataresektion vereinbart, die dann am 7. Juni 2006 durchgeführt wurde. Am 12. Juni 2006 wurde der Patient nach Hause entlassen.

Das Krankenhaus rechnete beide stationäre Aufenthalte getrennt voneinander ab. Im Nachgang nahm die Krankenkasse allerdings eine Aufrechnung vor, mit der Begründung, dass eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs. 2 FPV in Betracht komme, da aus medizinischer Sicht die Prostataoperation ohne Weiteres innerhalb von 30 Kalendertagen ab der Erstaufnahme hätte erfolgen können. Die Wiederaufnahme erst am 33. Kalendertag statt schon am 30. Kalendertag sei medizinisch nicht geboten gewesen und verstoße daher gegen das Gebot wirtschaftlicher Leistungserbringung.

Das Krankenhaus hatte dem entgegengehalten, dass eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs. 2 FPV ausscheide, weil die Wiederaufnahme des Patienten eben nicht innerhalb von 30 Kalendertagen ab der Erstaufnahme erfolgt sei. Auch eine analoge Anwendung von § 2 Abs. 2 FPV komme nicht in Betracht, da dies nach dem Grundsatz der wortgetreuen Auslegung vertraglicher Abrechnungsregelungen ausgeschlossen sei. Das Krankenhaus sei zudem nicht verpflichtet, allein wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots stets die für die Krankenkasse preisgünstigste Art der Durchführung einer Behandlung zu wählen.

Sozialgericht und Landessozialgericht hatten jeweils zugunsten des Krankenhauses entschieden.

1.2 Entscheidung des BSG

Das BSG bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs. 2 FPV schon deswegen nicht in Betracht komme, weil der Tatbestand der Wiederaufnahme innerhalb von 30 Kalendertagen ab dem Aufnahmedatum des ersten stationären Aufenthaltes nicht erfüllt sei. Die Vorschrift könne auch nicht analog angewandt werden. Eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung stehe dem entgegen. Eine solche Auslegung sei aber schon geboten, um Fehlinterpretationen und Missverständnisse zu vermeiden. Es stehe allein den Vertragsparteien der FPV zu, Fehlentwicklungen im Abrechnungssystem zu korrigieren und gegebenenfalls Änderungen für die Zukunft vorzunehmen. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn eine vorzeitige Wiederaufnahme des Versicherten aus medizinischen Gründen geboten gewesen wäre oder es sich um ein systematisches Ausnutzen der 30-Tage-Frist zur Gewinnoptimierung gehandelt hätte. Mangels entsprechender Anhaltspunkte könne hiervon aber nicht ausgegangen werden.

1.3 Ausblick

Das BSG hat mit dieser Entscheidung nochmals bestätigt, dass § 2 Abs. 2 FPV keine Fallzusammenführung in Fällen gebietet, in denen die Wiederaufnahme tatsächlich außerhalb der 30-Tages-Frist erfolgte. Dies gilt jedenfalls für alle Fälle, in denen eine Wiederaufnahme des Patienten zu einem früheren Zeitpunkt nicht medizinisch geboten war, in denen also keine besondere Dringlichkeit für die Wiederaufnahme besteht. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn das Krankenhaus eine medizinisch gebotene Wiederaufnahme verzögert, um eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs. 2 FPV zu vermeiden. Hierfür dürfte aber die Krankenkasse darlegungs- und beweisbelastet sein.

2. BSG vom 28. November 2013, Az.: B 3 KR 4/13 R: Anspruch auf Aufwandspauschale
    trotz fehlerhafter Kodierung

2.1 Sachverhalt

Die Krankenkasse hatte im Nachgang einer stationären Behandlung ihres Versicherten die Prüfung des Abrechnungsfalles durch den MDK veranlasst. Der MDK kam zu dem Ergebnis, dass die stationäre Behandlung in vollem Umfang medizinisch notwendig war. Bemängelt wurde allerdings die Kodierung der Hauptdiagnose M81.45. Nach Auffassung des MDK hätte die Hauptdiagnose S42.21 kodiert werden müssen. An der abgerechneten Fallpauschale I41Z änderte sich durch die Änderung der Hauptdiagnose allerdings nichts.

Die Krankenkasse beglich die Rechnung in vollem Umfang, lehnte aber die Zahlung einer Aufwandspauschale ab. Sie habe die Prüfung durch den MDK nur deshalb eingeleitet, weil sie hierzu durch einen nach § 301 SGB V unvollständigen Datensatz veranlasst wurde. Bei korrekter Abrechnung und Kodierung der Hauptdiagnose wäre keine MDK-Prüfung eingeleitet worden.

2.2 Entscheidung des BSG

Das BSG erteilte der Argumentation der Krankenkasse eine Absage und verurteilte die Krankenkasse entgegen der vorherigen Entscheidung des Landessozialgerichts zur Zahlung der Aufwandspauschale.

Der Anspruch sei von folgenden drei Voraussetzungen abhängig:

-     Durchführung der Prüfung zur Verminderung des Rechnungsbetrags,

-     keine Verminderung des Rechnungsbetrags im Ergebnis der Prüfung,

-     zusätzlicher Aufwand für das Krankenhaus in Folge erneuter Befassung mit dem
      Abrechnungsfall.

Das BSG wies nochmals darauf hin, dass trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen die Aufwandspauschale allerdings nicht beansprucht werden kann, wenn die Krankenkasse durch eine fehlerhafte Abrechnung zur Einleitung des Prüfverfahrens veranlasst wurde.

Für den vorliegenden Fall könne hiervon aber nicht ausgegangen werden. Der Fall sei auch nicht vergleichbar mit einer früheren Entscheidung des BSG vom 22. Juni 2010, Az.: B 1 KR 1/10 R, da im damals entschiedenen Fall die falsche Kodierung der Hauptdiagnose unstreitig stand. Im vorliegenden Fall sei aber stets streitig gewesen, ob die Hauptdiagnose tatsächlich fehlerhaft kodiert wurde. Auch sei die Krankenkasse gar nicht durch die fehlerhafte Kodierung zur Prüfung veranlasst worden; es ging vielmehr um eine allgemeine Prüfung der primären und sekundären Fehlbelegung.

2.3 Ausblick

Krankenkassen und MDK gehen immer häufiger dazu über, selbst bei Bestätigung der Rechnungsforderung die fehlerhafte Kodierung nicht CCL-relevanter Haupt- oder Nebendiagnosen zu rügen und unter Verweis hierauf die Zahlung der Aufwandspauschale zu verweigern.

In diesen Fällen sollte stets geprüft werden, ob nicht der behaupteten fehlerhaften Kodierung nachvollziehbare Argumente entgegengehalten werden können. Bleibt die Kodierung nämlich streitig, ist die Entscheidung des BSG vom 22.06.2010, Az.: B 1 KR 1/10 R, nicht anwendbar. Von einem vorschnellen Einräumen der fehlerhaften Kodierung ist abzuraten.

Darüber hinaus sollte auch geprüft werden, ob der Prüfauftrag überhaupt wegen der fehlerhaften Kodierung ausgelöst wurde. Sollte nämlich die Prüfung auch im Hinblick auf andere Diagnosen oder eine primäre oder sekundäre Fehlbelegung eingeleitet worden sein, könnte der Krankenkasse entgegengehalten werden, dass in diesem Fall die fehlerhafte Kodierung nicht bzw. nicht allein Anlass für die Einleitung des Prüfverfahrens war.