Medikationsfehler vermeiden Kasse fordert regelmäßige Pillen-Checks für Patienten

Berlin · Wer von seinen Ärzten so viele Rezepte ausgestellt bekommt, dass er mehr als fünf Wirkstoffe regelmäßig einnimmt, soll nach einem Vorschlag der KKH (Kaufmännische Krankenkasse) regelmäßig die Einnahme seiner Medikamente überprüfen lassen

Wie Sie Antibiotika richtig einnehmen
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Foto: dpa, Franziska Koark

"In Deutschland ist nach Schätzungen alle acht Sekunden ein Patient von einem Medikationsfehler betroffen", sagte KKH-Chef Ingo Kailuweit unserer Redaktion.

"Gerade, wer mehr als fünf Medikamente gleichzeitig einnehmen muss, leidet häufig unter Neben- und Wechselwirkungen. Für diese Risikogruppe wäre ein verpflichtender Pillen-Check hilfreich,", betonte der Kassenchef. Diesen könne zum Beispiel "ein unabhängiges Institut mit pharmakologischen Experten für Arzneimittelsicherheit" übernehmen.

Jeder sechste Euro, der von den gesetzlichen Krankenkassen ausgegeben wird, fließt in Arzneimittel. 2012 waren es 29,2 Milliarden Euro, die in Pillen, Säfte und Salben investiert wurden. Die Krankenkassen beklagen, dass vor allem ältere Menschen zu viel und häufig nicht die richtigen Arzneimittel erhalten. Im Durchschnitt nehmen Männer über 65 Jahre dem Arzneimittelreport der Barmer GEK zufolge täglich 7,3 Wirkstoffe ein, bei Frauen dieser Altersgruppe sind es 7,2 Wirkstoffe. Nachgewiesen ist, dass zu viele Arzneimittel das Risiko von Stürzen, unerwünschten Wechselwirkungen und Krankenhausaufenthalten erhöhen.

Erschwerend kommt hinzu, dass nicht alle Arzneimittel, die Senioren verordnet werden, auch für sie geeignet sind. Schutz bietet die sogenannte Priscus-Liste, die in Kooperation von Wissenschaftlern und Krankenkassen entstanden ist. Darauf sind 85 Wirkstoffe genannt, die Senioren lieber meiden sollten.

KKH-Chef Kailuweit verspricht sich von einem regelmäßigen und verpflichtenden Pillen-Check Verbesserungen für die Versicherten und für die Finanzen der Krankenkassen. "Profitieren würden in erster Linie die Patienten, aber auch das solidarische Gesundheitswesen, wenn durch weniger Folgekrankheiten weniger Kosten entstehen", sagte der Kassenchef. Kosten, Nutzen und die Nebenwirkungen von Arzneimitteln müssten in einem "vernünftigen Verhältnis" zueinander stehen.

Besonders groß ist das Problem der Über- und Fehlversorgung mit Arzneien aus Sicht von Experten in Pflegeheimen. "Gerade Bewohner in Pflegeheimen erhalten oft viele Medikamente, die kaum einen Nutzen für die Patienten haben", betonte Kailuweit. Er verwies auf eine Studie, wonach die Hälfte der Arzneimittel bei Heimbewohnern abgesetzt worden seien, ohne dass sich der Gesundheitszustand der Betroffenen verschlechtert habe. Der überwiegenden Mehrheit der Studienteilnehmer sei es hinterher sogar besser gegangen.

Steigende Arzneimittelverschreibungen, die nicht zwingend mit einem schlechteren Gesundheitszustand der Bevölkerung erklärt werden können, finden sich auch bei Kindern und Jugendlichen. So ist die Zahl der Antipsychotika, also Arzneimittel, die bei Seelenleiden verschrieben werden, in den vergangenen sieben Jahren bei Minderjährigen um 41 Prozent gestiegen. Allerdings lässt sich ein entsprechender Anstieg psychiatrischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen nicht feststellen.

(qua)
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