Knapp 316.000 Menschen arbeiten in Berlin und Brandenburg im Gesundheitssektor: Senator Mario Czaja zu den Möglichkeiten und Herausforderungen der Gesundheitswirtschaft in der wachsenden Stadt.

Gesundheitswesen und Gesundheitswirtschaft sind Pfunde, mit denen die Region Berlin-Brandenburg wuchern kann. Das hat Gesundheits- und Sozialsenator Mario Czaja (CDU) am Donnerstag in Berlin betont. Allein im Zeitraum Juni 2013 bis Juni 2014 hätten 7200 Menschen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in diesem Bereich gefunden, sagte Czaja vor Vertretern des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI). Das bedeutete Rang zwei, nur bei den wirtschaftlichen Dienstleistungen mit etwa 12.000 neuen Jobs gab es einen größeren Zuwachs. Insgesamt stieg die Zahl der Beschäftigten in diesem Zwölfmonatszeitraum um 40.800.

Damit arbeiten in der Region aktuell knapp 316.000 Menschen im Gesundheitsbereich, davon knapp zwei Drittel in Berlin. Die Wichtigkeit dieses Sektors zeigt sich nach Czajas Angaben aber auch in der Zahl der klinischen Studien. An 3000 dieser Studien werde zurzeit gearbeitet, mehr als 90 Prozent würden in der Hauptstadt erstellt.

Kosten für Pflege steigen stark an

Der Senator verhehlte aber auch nicht, dass Gesundheit und Pflege das Land Berlin Geld kosten. Berlin wachse nicht nur, die Stadt werde insgesamt auch älter. Während bis 2030 ein Bevölkerungsanstieg von 7,2 Prozent erwartet werde, steige der Anteil der 65- bis 80-Jährigen um 14,4 Prozent, der Anteil der Hochbetagten (80 Jahre und älter) sogar um 80 Prozent.

Gleichzeitig sei die Region trotz des Aufschwungs immer noch arm. In Berlin betrage das durchschnittliche Haushaltseinkommen 1600 Euro, in Deutschland insgesamt aber 2988 Euro. Der Anteil derjenigen, der von sozialen Transferleistungen lebt, sei mit 19,5 Prozent mehr als doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Die Summe, die Berlin aufwenden müsse, um für sozial schwache Menschen Grundsicherung, Hilfe zur Pflege und Wohngeld zu bezahlen, werde also wachsen.

In diesem Zusammenhang lobte Czaja die Haushaltsdisziplin des Senats in den vergangenen Jahren. Seit 2011 sei der Haushalt ausgeglichen. Im Zeitraum 2001 bis 2011 habe Berlin seine Ausgaben nur um 2,4 Prozent erhöht – der mit Abstand geringste Anstieg aller Bundesländer. In anderen Ländern wuchsen die Ausgaben in diesen zehn Jahren teilweise um weit mehr als 20 Prozent. „Da ist unter Rot-Rot im Senat ordentliche Arbeit geleistet worden, das muss ich auch als CDU-Senator anerkennen“, sagte Mario Czaja und löste zumindest bei einigen Zuhörern Verblüffung aus.

Wenig Geld für Krankenhäuser

Auch der Zusammenhang zwischen dem Gesundheitswesen und dem für den Senat verlorenen Volksentscheid zum Tempelhofer Feld erschloss sich manchen VBKI-Mitgliedern erst auf den zweiten Blick. Der erzwungene Verzicht auf 4700 neue Wohnungen sei auch eine Entscheidung „gegen Ältere, Ärmere und Behinderte“ gewesen, sagte der Senator. Damit seien preisgünstige und barrierefreie Wohnungen nicht gebaut worden. Solche Entscheidungen müssten dann letztendlich über die sozialen Sicherungssysteme refinanziert werden.

Im Gesamtetat des knapp 23 Milliarden Euro umfassenden Haushaltes des Landes Berlin schlägt der Bereich Gesundheit und Soziales mit 4,1 Milliarden Euro zu Buche. Das sind 18 Prozent und nur geringfügig weniger, als für das Ressort Bildung, Jugend und Wissenschaft der Senatorin Sandra Scheeres (SPD) aufgewendet wird.

Die Investitionen für Krankenhäuser machen dabei laut Czaja nur rund 100 Millionen Euro aus. Berlin gebe so wenig Geld für seine Krankenhäuser aus wie kein anderes Bundesland. Während Hamburg 60 Euro pro Jahr und Einwohner in seine Kliniken investiere, seien es in Berlin nur wenig mehr als 20 Euro und damit zwei Drittel des Bundesdurchschnitts. „Wir brauchen da eine massive Veränderung“, betonte der Senator. Zwar seien bei den letzten Haushaltsberatungen die Investitionsmittel um 20 Prozent angehoben worden, doch reiche dies nicht aus.

Bessere Notfallversorgung etablieren

Dabei sei die ökonomische Situation der Berliner Krankenhäuser besser als im Bund insgesamt. Das liege auch daran, dass in den vergangenen Jahren 20.000 Klinikbetten abgebaut wurden. Die Auslastung der Krankenhäuser sei höher und die Verweildauer der Patienten geringer als im Bundesdurchschnitt. Im neuen Krankenhausplan des Senats, der 2016 in Kraft treten soll, ist allerdings ein Anstieg der Bettenzahl um 1500 auf rund 22.000 vorgesehen – eine Auswirkung der wachsenden Stadt Berlin. 700 dieser Betten seien bereits vorhanden, erläuterte der Senator. Welche Häuser mehr Betten vorhalten dürfen als bisher, für welche Fachrichtungen das gilt und welche Kliniken Betten abbauen müssen, sei noch nicht entschieden, sagte Czaja am Rande der Veranstaltung. Dazu würden derzeit Gespräche mit Krankenhäusern und Kassen geführt.

Czaja betonte, der neue Krankenhausplan solle aber vor allem für strukturelle Verbesserungen bei der Versorgung der Patienten sorgen. Das sei vor allem in den Rettungsstellen und in der Geriatrie vorgesehen. Alle Berliner Notfallkliniken müssten von 2016 an eine eigene ärztliche Leitung sowie eine Pflegeleitung in der Notaufnahme vorweisen. Ein Arzt soll zentraler Ansprechpartner und Lotse, das Personal für die Arbeit in einer Rettungsstelle qualifiziert sein. Dazu hat die Ärztekammer eine Zusatzausbildung zum Notfallmediziner entwickelt, die von der Gesundheitsverwaltung auch bereits genehmigt wurde.

Ein weiterer wichtiger Baustein des künftigen Krankenhausplans ist das elektronische Bettenregister. Von 2016 an soll es Rettungskräften möglich sein, mit einem Klick auf dem Computer sehen zu können, in welche Klinik sie ihren Notfallpatienten am besten und schnellsten bringen. Mit einem im Krankenwagen vorhandenen Tablet-Computer sollen sie die aktuelle Belegung von Krankenhäusern und deren Spezialisierungen abrufen können.