Preisdifferenzierung ist unerlässlich

Das Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Fallpauschalen der Stadtspitäler Triemli und Waid stellt Spitäler und Behörden in der ganzen Schweiz vor grosse Herausforderungen.

Michael Waldner, Rechtsanwalt
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Das Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Fallpauschalen der Stadtspitäler Triemli und Waid (im Bild) stellt Spitäler und Behörden vor grosse Herausforderungen. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

Das Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Fallpauschalen der Stadtspitäler Triemli und Waid (im Bild) stellt Spitäler und Behörden vor grosse Herausforderungen. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

In seinem zweiten Grundsatzentscheid zur Tarifbildung unter der neuen Spitalfinanzierung hat das Bundesverwaltungsgericht die vom Regierungsrat des Kantons Zürich festgesetzten Fallpauschalen von 9480 Franken für die beiden Stadtspitäler Triemli und Waid geschützt. Die Beschwerden der Stadt Zürich und der Krankenversicherer hat das Gericht abgewiesen. Die Stadt begründete ihre Beschwerde mit der Stellung der Stadtspitäler am Ende der Versorgungskette. Sie kritisierte, die heutige Tarifstruktur SwissDRG bilde die mit dieser Stellung verbundenen Kostennachteile der Stadtspitäler im Vergleich zu normalen Grundversorgerspitälern nicht korrekt ab. Der vom Regierungsrat durchgeführte Wirtschaftlichkeitsvergleich (sogenanntes «Benchmarking»), in welchen dieser alle nichtuniversitären Zürcher Spitäler einbezogen hatte, sei zulasten der Stadtspitäler verzerrt und daher gesetzwidrig.

Nationales Benchmarking

Das Bundesverwaltungsgericht liess dieses Argument nicht gelten und schützte den Wirtschaftlichkeitsvergleich des Regierungsrates. Es stellte klar, dass das Benchmarking idealerweise national zu erfolgen und sämtliche Akutspitäler der Schweiz zu umfassen habe. Separate Benchmarking-Gruppen für einzelne Spitalkategorien (z. B. für Stadtspitäler) seien nicht sachgerecht.

Die Annahme, differenzierte Fallpauschalen innerhalb der nichtuniversitären Spitäler seien im Licht des Urteils unzulässig und damit sei eine zuvor heftig umstrittene Frage abschliessend geklärt, wäre indes voreilig. Denn das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerden der Stadtspitäler nicht etwa ab, weil es die von der Stadt geforderte Preisdifferenzierung grundsätzlich ablehnen würde. Vielmehr war es den Spitälern gemäss Urteil nicht gelungen, die von ihnen behauptete spezielle Stellung als Endversorger nachzuweisen.

Systemimmanente Problematik

Das Gericht anerkannte aber in einer Kernaussage des Urteils, dass Endversorgerspitäler, die überproportional viele komplexe Fälle behandeln, bei einem einheitlichen Basisfallwert gegenüber anderen Spitälern benachteiligt werden. Dies sei eine Folge des Umstands, dass die Spitäler in der medizinischen Versorgungskette unterschiedliche Funktionen hätten, wobei namentlich die Endversorger keine Möglichkeit eines «cherry picking» bei der Auswahl ihrer Patienten hätten.

Es handle sich um eine systemimmanente Problematik, die auch durch eine ausgereifte Tarifstruktur nicht behoben werden könne. Tarifdifferenzierungen zur Korrektur dieses Effekts seien daher systemkonform. Diesem Problem sei jedoch nicht durch die Bildung unterschiedlicher Benchmarking-Kategorien, sondern durch eine Spital-individuelle Anpassung ausgehend vom nationalen Referenzpreis zu begegnen. Mit der Feststellung, dass die unterschiedliche Stellung von Spitälern innerhalb der Versorgungskette eine Differenzierung der Tarife erfordert, trifft das Bundesverwaltungsgericht den Kern des Problems. Die Erklärung der systemimmanent höheren Kosten von Spitälern am Ende der Versorgungskette dürfte indes nicht ausschliesslich in der Häufung komplexer und defizitärer Fälle bei den Endversorgerspitälern liegen. Vielmehr dürften weitere Faktoren wie die zunehmende Komplexität der Prozesse, die teurere Infrastruktur und das spezialisiertere Personal, welche für die Abdeckung eines sehr breiten Leistungsangebots mit teilweise geringen Fallzahlen unerlässlich sind, das Ihre zu den höheren Fallpauschalen bei diesen Spitälern beitragen. Anerkennt man die Notwendigkeit und die Daseinsberechtigung von Spitälern, die ebendiese Funktion wahrnehmen und solche spezialisierten Leistungen erbringen können, so anerkennt man damit auch längerfristig die Notwendigkeit einer Differenzierung der Basispreise. Dies zumindest dann, wenn man nicht in Kauf nehmen will, dass Spitäler je nach ihrer Stellung in der Versorgungskette systematisch unter- oder überfinanziert werden.

Dem Bundesverwaltungsgericht ist beizupflichten, dass die Bildung starrer Benchmarking-Kategorien problematisch ist, da jeder Kategorienbildung letztlich eine gewisse Willkür anhaftet. Es stellt sich aber doch die Frage, wieweit die Forderung nach einem schweizweit einheitlichen Benchmarking mit der Feststellung systemimmanenter Kostenunterschiede zwischen Spitälern unterschiedlicher Versorgungsstufen verträglich ist. Auch wird sich weisen müssen, wieweit die dem Bundesverwaltungsgericht vorschwebende einzelfallweise Spital-individuelle Anhebung der Base-Rate (fixe leistungsbezogene Pauschalen pro Behandlungsfall) für Endversorgerspitäler geeignet ist, dieses systemimmanente Problem der Tarifstruktur einer einheitlichen Lösung zuzuführen.

Einheitlichkeit der Kostenrechnungen

In jedem Fall aber stellt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Spitäler und Behörden in der ganzen Schweiz vor grosse Herausforderungen. Das Gericht hat keinen Zweifel daran gelassen, dass die heute oft noch fehlende Qualität und Einheitlichkeit der Kostenrechnungen mit Hochdruck herzustellen ist. Besonders gefordert sind die Spitäler am Ende der Versorgungskette. Sie werden nun aufzeigen müssen, inwiefern sie sich strukturell und in Bezug auf ihre Leistungen von Spitälern tieferer Versorgungsstufe abheben und inwiefern die damit einhergehenden höheren Kosten trotz effizienter Leistungserbringung notwendig sind. Nur so werden sie sich in die Lage versetzen, ihre Forderung nach einer höheren Base-Rate auch gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht zu rechtfertigen und damit die notwendige Finanzierung ihrer Leistungen sicherzustellen.

Michael Waldner vertritt als Rechtsanwalt zahlreiche Spitäler in der ganzen Schweiz in Tariffestsetzungsverfahren. Im genannten Fall betreffend die Spitäler Triemli und Waid war er bzw. seine Kanzlei nicht involviert.

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