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BSG vom 8. Oktober 2014, Az. B 3 KR 7/14 R: Vergütungsklagen der Krankenhäuser mit Streitwerten bis EUR 2.000,00 weiterhin zulässig

Das Bundessozialgericht (BSG) hatte über die Frage zu entscheiden, ob eine von der Berliner Charité Ende 2013 erhobene Klage auf weitere Krankenhausvergütung in Höhe von EUR 1.018,00 zulässig ist, obwohl die Klägerin vor Klageerhebung nicht den Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4b Satz 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) angerufen hatte.

Keine Unzulässigkeit durch die Gesetzesänderung zum 1. August 2013 – Gebot effektiven Rechtsschutzes

Das BSG entschied, dass die mit der Gesetzesänderung als Zulässigkeitsvoraussetzung in § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG vorgeschriebene Anrufung des Schlichtungsausschusses voraussetze, dass ein solcher Ausschuss auch existiere und die Aufgabe der Streitschlichtung effektiv wahrnehmen könne. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei kein Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 KHG eingerichtet gewesen. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Garantie eines effektiven Rechtsschutzes könne die Anrufung eines Schlichtungsausschusses aber erst dann Klagevoraussetzung sein, wenn dieser Ausschuss tatsächlich angerufen werden könne. Deshalb habe das SG die Klage nicht als unzulässig abweisen dürfen.

Keine Unzulässigkeit durch die Gesetzesänderung zum 1. August 2013 – Gebot effektiven Rechtsschutzes

Das BSG stellte ferner klar, dass die Klage auch nicht nachträglich unzulässig geworden sei, weil seit dem 1. September 2014 die Schiedsstellen nach § 18a Abs. 1 KHG die Funktion der Schlichtungsausschüsse übernehmen müssen. Klagen, die zum Zeitpunkt ihrer Erhebung zulässig gewesen seien, blieben das nach allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen auch nach späteren Rechtsänderungen.

Klagen sind auch derzeit weiterhin zulässig

Von besonderer Bedeutung ist die Aussage des BSG zur Zulässigkeit aktuell erhobener Klagen. Das BSG weist darauf hin, dass auch derzeit Klagen noch unmittelbar zulässig seien. Die Sperre des § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG greife im Hinblick auf die im Gesetzgebungsverfahren deutlich angesprochenen Zweifel an der tatsächlichen Fähigkeit der Schiedsstellen nach § 18a Abs. 1 KHG zur Bewältigung der Aufgaben der Schlichtungsausschüsse erst dann, wenn die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG und/oder die zu errichtenden Schlichtungsausschüsse nach § 17c Abs. 4 KHG den örtlich zuständigen Verbänden der Krankenkassen und den Landeskrankenhausgesellschaften verbindlich angezeigt haben, dass sie tatsächlich handlungsfähig sind. Den einzelnen Krankenhäusern und Krankenkassen sei es nicht zumutbar, von sich aus die Zuständigkeit und Handlungsfähigkeit des zur Schlichtung berufenen Gremiums zu recherchieren, zumal die Anrufung eines nicht arbeitsfähigen Schlichtungsgremiums in der Regel nicht die Verjährung eines Zahlungs- oder Rückzahlungsanspruchs hemme.

Des Weiteren könne die Sperre des § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG nicht greifen, solange nicht die unverzichtbare Klarheit über den gegebenen Rechtsweg bestehe. Die Entscheidung des Gesetzgebers, zumindest vorübergehend die Schiedsstellen nach § 18a Abs. 1 KHG mit der Wahrnehmung der Aufgabe der Schlichtungsausschüsse zu betrauen, habe Konsequenzen für die Rechtsnatur der "Entscheidungen". Die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG ist nach der Rechtsprechung des Senats eine Behörde im Sinne des Verfahrensrechts, die durch Verwaltungsakt entscheidet. Das könne dann für die Schlichtungsausschüsse, deren Funktion die Schiedsstelle zunächst übernehmen soll, nicht anders beurteilt werden, so dass eine Klage "gegen die Entscheidung des Schlichtungsausschusses nach § 17c Abs. 4 KHG" gegen diesen Ausschuss zu richten wäre.

Konkret hieße das, dass im Anschluss an das Schlichtungsverfahren eine Leistungsklage auf Zahlung gegen die Krankenkasse nicht in Betracht käme. Vielmehr müsste eine Anfechtungsklage gegen den Ausschuss gerichtet werden – was die angedachten Verfahrensordnungen der Schiedsstellen so nicht vorsehen.

Auch die fehlende Regelung über die Zuständigkeit und den Rechtsweg stelle einen Verstoß gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes dar, weshalb derzeit Klagen weiterhin zulässig sein müssen (Medieninformation Nr. 29/14; Terminbericht Nr. 44/14).

Empfehlungen

Bis zum Eingang einer entsprechenden Anzeige des Schlichtungsausschusses/ der Schiedsstelle bei den örtlich zuständigen Verbänden der Krankenkassen und den Landeskrankenhausgesellschaften bleiben auch Klagen über Forderungen unter EUR 2.000,00 zulässig. Insbesondere die bis zum 31. Dezember 2014 von der Verjährung bedrohten Forderungen können daher weiterhin rechtshängig gemacht werden.
Vor Klageerhebung ist aber unbedingt die Nachfrage bei der jeweils zuständigen Landeskrankenhausgesellschaft zu empfehlen, ob die von dem BSG verlangte Anzeige dort schon eingegangen ist. Sollte dies der Fall sein, bedarf es der Prüfung, ob die Verfahrensordnungen der Schlichtungsausschüsse/ der Schiedsstellen den von dem BSG gestellten Anforderungen genügen (anderenfalls wäre diese Anzeige unbeachtlich und die Klagen blieben zulässig).