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Drastische Einschnitte für Kliniken in NRW

Experten fordern Reform / Nicht mehr jedes Angebot auf dem Land möglich

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 | © FOTO: DETLEF WITTIG
30.10.2014 | 30.10.2014, 13:29

Dortmund. Zu viele Betten, zu viele Standorte, zu wenig Ärzte. Das sind laut Experten Gründe dafür, weshalb die Kliniklandschaft in Deutschland vor großen Veränderungen steht. Die Zahl der Kliniken wird weiter abnehmen, andere werden sich auf bestimmte Fachgebiete spezialisieren. Zudem werden ambulante medizinische Angebote gerade im ländlichen Raum ausgebaut, auch in OWL.

"Wir werden nicht so viele Ärzte haben, um die Strukturen eins zu eins zu erhalten", zeigte sich Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) bei einer Expertendiskussion in Dortmund überzeugt. Nicht jede Klinik müsse alle Abteilungen vorhalten, dies vergrößere oft die roten Zahlen. Anreize für Kooperationen müssten geschaffen werden, fordert die Ministerin.

Information
385 Krankenhäuser

  • Im Jahr 2012 gab es in NRW 385 Krankenhäuser mit 120.973 Betten und 249.499 Beschäftigten.
  • Sie behandelten 4.379.355 Fälle mit je 7,7 Tagen durchschnittlicher Verweildauer (Bund: 7,6) bei 76,1 Prozent durchschnittlicher Bettenauslastung (Bund: 77,4).
  • Die Zahl der Krankenhäuser sank in den letzten 17 Jahren um ca. 20 Prozent.

"Die Notwendigkeit des Strukturwandels ist da", unterstreicht Steffens, die zugleich betonte, dass es im Krankenhausbereich kein Versorgungsdefizit gebe. Doch die Bürger müssten sich darauf einstellen, dass sie künftig ein Krankenhaus für die Grundversorgung "um die Ecke" hätten, für speziellere Behandlungen aber einen weiteren Weg in Kauf nehmen müssten.
Auch die Geburtshilfe gehört nach Ansicht der Ministerin nicht mehr zur Kategorie der Grundversorgung: "Wir haben weniger Kinder."

"Überkapazitäten sind das dominante Problem"

Wolfgang Greiner, Lehrstuhlinhaber an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, sagte: "Im Krankenhaussektor sind aktuell Überkapazitäten das dominante Problem." Doch die Steuerungsmöglichkeiten der Länder mit dem Ziel eines Abbaus dieses Überangebotes seien gering.

Greiner, der Mitglied des Sachverständigenrates Gesundheit der Bundesregierung ist, plädiert dafür, dass sich Krankenhäuser im ländlichen Raum auf die Grund- und Regelversorgung konzentrieren sollten. "Die Kommunen werden mehr Verantwortung übernehmen müssen", sagt Greiner im Gespräch. "Wir brauchen Ärtzehäuser", ist eine seiner Forderungen. "Wir werden mehr Kooperationen zwischen ambulanten und stationären Angeboten haben", sagt Greiner voraus. Dafür müsse es auch strategische Verbünde zwischen Kliniken und Praxen geben.

Auf grundsätzlichen Beifall stieß bei den anderen Experten Greiners Vorschlag, einen Qualitätswettbewerb in den Klinikbereich zu bringen. Eine zentrale Rolle hierbei soll das neue Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen spielen, das entsprechende Daten der Krankenhäuser gebündelt vorhalten soll.

Absprache bei Angebotsentwicklung

"Krankenhäuser um die 200 Betten, die keine Spezialisierung haben, sind strukturell unterfinanziert", sagt Johannes Heß, alternierender Vorsitzender der AOK Nordwest. Nach Ansicht des Paderborners müssten sich die Kliniken bei der Entwicklung ihrer Angebote auch deshalb absprechen, um Ärzte zu halten.

Wie groß die Schieflage in der Kliniklandschaft mancherorts ist, verdeutlicht Heß an einem Beispiel: In einem Radius von 25 Kilometern um Dortmund gebe es aktuell 44 Krankenhäuser, die eine Blinddarm-OP machen könnten. Sein Kollege Georg Keppeler mahnt: "Wir dürfen keine Angst vor Veränderungen haben."


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