Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Katholische Klinik geschlossen Wilhelmshaven ringt um städtisches Krankenhaus

Mit hohem Einsatz ringt Wilhelmshaven um sein städtisches Krankenhaus. Nachdem die Fusion mit dem katholischen Hospital geplatzt war, kaufte die Stadt das Hospital – und schloss es umgehend.
21.11.2014, 16:00 Uhr
Lesedauer: 3 Min
Zur Merkliste
Von Martin Wein

Mit hohem Einsatz ringt Wilhelmshaven um sein städtisches Krankenhaus. Nachdem die bereits beschlossene Fusion mit dem katholischen Hospital geplatzt war, kaufte die Stadt das Hospital – und schloss es umgehend. Um die damit noch tiefer klaffende Haushaltslücke zu schließen, steht nun das letzte Tafelsilber zur Disposition: Die Kunsthalle soll nicht länger erweitert, sondern vermutlich geschlossen werden.

Seit drei Jahrzehnten im wirtschaftlichen Abschwung, ein Drittel der Einwohner verloren und bislang ohne die erhofften Impulse durch den Jade-Weser-Port: Das strukturell schwer gebeutelte Wilhelmshaven kämpft um die letzten eigenen Einrichtungen. Zahlreiche Schulen und Sportplätze wurden bereits geschlossen. Der Botanische Garten wird aufgegeben und ist künftig Anhängsel des privaten Rosariums. Die stätischen Altenwohnanlagen, ja selbst Friedhöfe sollen verkauft werden. Steuern und Gebühren wurden 2013 bereits deutlich erhöht. Nur die medizinische Versorgung im eigenen Krankenhaus möchte man unbedingt in kommunaler Hand behalten. „Das ist erklärtes Ziel aller großen Ratsfraktionen“, sagt Wilhelmshavens Pressesprecher Arnold Preuß. Das Krankenhaus ist mit jetzt rund 1600 Mitarbeitern der bei weitem größte Arbeitgeber in der Stadt.

Für dieses Ziel ist der Stadt fast kein Preis zu hoch. Mit rund 96 Millionen Euro steht die Kommune derzeit in der Kreide bei einem Haushaltsvolumen von 220 Millionen im Doppelhaushalt 2013/14. Hauptgrund dafür sind allerdings nicht erhöhte Sozialleistungen und Personalkosten: 20 Millionen Euro Neuverschuldung nahm die Stadt in den vergangenen drei Jahren in Kauf, um das kommunale Reinhard-Nieter-Krankenhaus zu erhalten. Rund die Hälfte des Geldes war nötig, um Verluste auszugleichen, die der ehemalige Geschäftsführer des kommunalen Krankenhausbetriebes durch nicht genehmigte Kredite bei bis zu zehn Banken, die auf ein ruhendes Konto flossen, jahrelang verschleiert hatte. Wohin das Geld letztlich floss und wofür es verwendet wurde, konnten selbst die eingeschalteten Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers nicht mehr nachvollziehen.

Weitere 11,3 Millionen zahlte die Stadt jüngst kurzerhand der katholischen Hospital-Gemeinschaft Jade-Weser für deren St. Willehad-Hospital – um es zu schließen. Die letzten drei Patienten wurden vor zwei Wochen nach 105 Jahren katholischer Krankenpflege ins kommunale Krankenhaus verlegt, das künftig als „Klinikum Wilhelmshaven“ firmieren soll. Die Übernahme kam so plötzlich, dass viele Ärzte noch Tage vor der Schließung nicht wussten, ob sie von der Kommune weiter beschäftigt werden.

Ursprünglich hatten die Stadt und der katholische Träger ihre Betriebe fusionieren wollen, um für die geschrumpfte Kommune ein gemeinsames Krankenhaus neu zu bauen. Beiden Seiten war klar: Sowohl das katholische Hospital von 1905 als auch das städtische Haus aus den 1960er-Jahren wiesen so große Sanierungsbedarfe auf, dass ihr Betrieb wirtschaftlich nicht mehr vertretbar war. Ein neues gemeinsames „Krankenhaus der Maximalversorgung“ hatte Oberbürgermeister Andreas Wagner im Frühjahr 2013 versprochen. Allerdings scheiterte der bereits notariell geschlossene Fusionsvertrag an der Rechtsaufsicht. Eine Rolle dürfte gespielt haben, dass der katholische Partner bei schwangeren Frauen nur in Notfällen eine Abtreibung vornehmen wollte – inakzeptabel aus Sicht der Stadt.

Um die Vision vom Neubau zu retten, wurde aus der Fusion fast über Nacht ein Kauf, der die städtischen Finanzen allein in diesem Jahr mit sechs Millionen Euro zusätzlich belastet. Die 10 000 Quadratmeter große Immobilie des katholischen Hospitals rund um einem verklinkerten Weltkriegsbunker soll dafür zum Jahresende besenrein an die Stadt übergeben werden und wird von dieser bereits zum Kauf angeboten. Einzige Bedingung: Das Gesundheitszentrum und die Kapelle sollen erhalten bleiben.

Auch für 2015 sei eine weitere Neuverschuldung zu erwarten, sagt Pressesprecher Preuß. Damit die Haushaltslage nicht aus dem Ruder läuft, will die CDU/SPD-Ratsmehrheit jetzt alle freiwilligen Ausgaben auf den Prüfstand stellen. Noch im Frühjahr hatte die Stadt mit einem millionenschweren Kunstforum rund um die Werke des gebürtigen Wilhelmshaveners Rainer Fetting im ehemaligen Kraftwerk Südzentrale oder im jetzigen Küstenmuseum geliebäugelt. Nach der Haushaltsberatung der Mehrheitsfraktionen am Wochenende erklärte CDU-Fraktionschef Stephan Hellwig, er halte stattdessen eine Schließung der Halle für wahrscheinlich.

Die Vision vom Klinikneubau hingegen bleibt erhalten. Bis 2020 könne das Gebäude bezogen werden, glaubt Oberbürgermeister Andreas Wagner. Die Übernahme der Kosten von schätzungsweise 70 Millionen Euro hat das Land zugesagt, die Antragsverfahren laufen. Die bisherige Geschäftsführerin des städtischen Eigenbetriebs will diese Idee indessen nicht weiter verfolgen: Andrea Aulkemeyer nimmt zum Jahresbeginn eine Stelle im Vorstand der Medizinischen Hochschule Hannover an. Ihr Nachfolger Reinhold Keil will verlorenes Vertrauen zurück gewinnen. Dabei kämpft er selbst um Glaubwürdigkeit. Der Aufsichtsrat der Uniklinik Freiburg hatte Keil im Sommer nach nur zwei Jahren als Geschäftsführer fristlos entlassen, weil er einen Dienstwagen samt Chauffeur dienstfremd genutzt haben soll. Das Arbeitsgericht empfahl einen Vergleich.

Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+! Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)