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Deutschland Entbindungsstationen

Für Schwangere wird der Weg zur Klinik länger

Ressortleiterin Politik
Babys sind ein Geschenk, doch werdende Mütter müssen auf dem Land oft lange Strecken bis zur nächsten Geburtsstation zurücklegen Babys sind ein Geschenk, doch werdende Mütter müssen auf dem Land oft lange Strecken bis zur nächsten Geburtsstation zurücklegen
Babys sind ein Geschenk, doch werdende Mütter müssen auf dem Land oft lange Strecken bis zur nächsten Geburtsstation zurücklegen
Quelle: NCC
Die sinkende Geburtenrate führt zu einem Sterben der Entbindungsstationen. So werden nicht nur die Wege zum Kreißsaal länger – damit wachsen die Risiken für Mutter und Kind. Kliniken schlagen Alarm.

Ganz so dramatisch wie in der Weihnachtsgeschichte mit der notdürftigen Geburt im Viehstall ist die Lage zwar noch nicht. Aber die Wege zur nächsten Entbindungsstation werden in Deutschland vor allem für Schwangere in ländlichen Regionen Jahr für Jahr länger. Denn immer mehr Krankenhäuser machen ihre Geburtsstationen dicht. Die sinkende Geburtenrate lässt einen Großteil der klinikeigenen Vollstationen mit angestellten Frauenärzten in die Verlustzone rutschen: 58 Prozent der Entbindungsabteilungen schreiben nach Zahlen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Miese. Auf dem Land sind es sogar bis zu 75 Prozent.

Zugleich lassen sich freiberufliche Gynäkologen durch die hohen Kosten der Haftpflichtversicherung für den Fall von Arztfehlern davon abschrecken, als Belegärzte in die Kliniken zu gehen. Und der klassische Kliniktrick, Patienten mitunter auch überflüssige Operationen an Knien und Hüften angedeihen zu lassen, um die Einnahmen zu steigern, funktioniert beim Kinderkriegen nun einmal nicht. Entweder schwanger oder nicht. Überall im Land schließen Geburtsstationen.

Nach Angaben der Krankenhausgesellschaft wurden in den vergangenen zehn Jahren mehr als 200 Abteilungen stillgelegt. Für Aufsehen sorgte zuletzt die Schließung der Geburtshilfe auf der Insel Sylt. Die Hochschwangeren müssen sich seither rechtzeitig mit dem Zug auf den Weg aufs Festland machen, wenn sie ihren Nachwuchs mit fachärztlichem Beistand im Krankenhaus zur Welt bringen möchten. Und der Niedergang der Entbindungsabteilungen hat weitere schwerwiegende Folgen. Denn je weniger Kinder auf einer Station geboren werden, desto höher wird die Gefahr von Kunstfehlern – weil es schlicht an Routine mangelt. So wachsen nicht nur die Wege zum Kreißsaal, sondern auch die Gesundheitsrisiken für Mutter und Kind.

Die Betreiber staatlicher wie privater Kliniken schlagen jetzt Alarm. Setzt sich der Abbau der Entbindungsstationen in rasantem Tempo fort, werden die Wege für Mütter und Familien bald zu lang. „Für Krankenhäuser in Regionen, in denen die Geburten zurückgehen, andere Krankenhäuser mit Entbindungsstation aber in zumutbaren Entfernungen nicht vorhanden sind, muss es Sicherstellungszuschläge geben“, verlangt deshalb der designierte DKG-Präsident Thomas Reumann. „Das heißt, die einzelne Entbindung muss besser bezahlt werden.“

Für Krankenhäuser in Regionen, in denen Geburten zurückgehen, andere Krankenhäuser mit Entbindungsstation aber in zumutbaren Entfernungen nicht vorhanden sind, muss es Sicherstellungszuschläge geben
Thomas Reumann, DKG-Präsident

Die Gesundheitspolitiker der schwarz-roten Koalition versprechen, den Vorschlag aufzugreifen und den Krankenkassen mehr Großzügigkeit bei der Vergütung jeder einzelnen Geburt in den betroffenen Kliniken zu verordnen. „Die Zahl der Geburten in Deutschland sinkt. Trotzdem wollen wir auch in der Fläche eine gutes Angebot an Geburtsstationen“, sagt der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn. Die von den Krankenhäusern geforderten Zuschläge seien sinnvoll, um kleinen Krankenhäusern auf dem Land beim Überleben zu helfen. Über die konkrete Höhe wird im nächsten Jahr verhandelt.

Doch die Politik steckt in einer Zwickmühle. In einer groß angelegten Reform wollen die Gesundheitsexperten von Bund und Ländern zusammen mit den Krankenkassen eigentlich dafür sorgen, dass die Vergütung künftig nach der Qualität der Behandlung ausgerichtet wird. Überflüssige Betten, die es in vielen anderen Bereichen außer in der Geburtshilfe gibt, sollen außerdem Schritt für Schritt abgebaut werden.

Den Geburtsstationen auf dem Land droht deswegen ein Nullsummenspiel: Zwar können sie ab 2016 auf die sogenannten Sicherstellungszuschläge zählen, wenn sie unter niedriger Auslastung leiden. Erreichen sie aber das geforderte Qualitätsniveau nicht, müssen sie wiederum mit Abzügen rechnen. Am Ende könnte alles beim Alten bleiben. Und die Schwangeren müssen sich unter Wehen sehr rechtzeitig auf immer längere Wege machen.

Grüne wollen Vorrang der Grundversorgung

„Dieser Fall wäre denkbar“, räumt der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach ein. Jeder Klinik mit Qualitätsmängeln werde aber zunächst eine Übergangsfrist für Nachbesserungen gegeben, bevor tatsächlich Abzüge aus Qualitätsgründen vorgenommen würden. Diese Neuregelung solle auch für die Geburtsstationen gelten. „Ich fände es problematisch, wenn man in unterversorgten Bereichen die Qualitätsanforderungen aussetzt“, sagt Lauterbach.

Niemandem sei geholfen, wenn Stationen am Leben gehalten würden, die mangelhafte Behandlungen anbieten. „Erklärtes Ziel bleibt aber, das Sterben der Geburtsabteilungen zu stoppen.“

Den Grünen reicht das nicht: Eine Grundversorgung, die in der Nähe liegt, müsse Vorrang haben vor einer qualitativ herausragenden Maximalversorgung, fordert Gesundheitsexperte Harald Terpe. Geburtsstationen, die Qualitätsstandards nicht erfüllen, dürften in unterversorgten Regionen nicht einfach geschlossen werden, sondern müssten durch Investitionen in Technik und Personal auf ein akzeptables Niveau gebracht werden.

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