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Proteste begleiten Rat-Sondersitzung Grünes Licht für Klinik-Fusion in Delmenhorst

Mit klarer Mehrheit hat der Rat in einer Sondersitzung am späten Montagnachmittag die Fusion von städtischem Klinikum und katholischem Josef-Stift gebilligt. Begleitet wurde die Sitzung von Protesten.
22.12.2014, 19:55 Uhr
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Von Andreas D. Becker

Mit klarer Mehrheit hat der Rat in einer Sondersitzung am späten Montagnachmittag die Fusion von städtischem Klinikum und katholischem Josef-Stift gebilligt – auch wenn die Stadt in der neuen Holding nur Minderheitengesellschafter sein wird. Begleitet wurde die Sitzung von Protesten einiger Klinikum-Beschäftigter.

Dieses Mal bewies der Rat – im Gegensatz zu den Steuererhöhungen – Haltung. Der Antrag der Unabhängigen, über die „Verbundbildung zwischen dem Klinikum Delmenhorst und dem St.-Josef-Stift“ namentlich abzustimmen, wurde gefolgt: 26 Ratsmitglieder riefen ja, elf antworteten mit nein und vier enthielten sich bei der Frage, die für die medizinische Versorgung in der Stadt existenziell ist.

Dabei gab es zuvor noch Protest von rund 60 Klinikum-Mitarbeitern, die mit dem jetzigen Vertrag nicht glücklich sind. Wie berichtet, wird das katholische Stift 90 Prozent der Holding-Anteile bekommen, die Stadt den Rest. Mit klaren Folgen: Die Kirche hat zukünftig im Krankenhauswesen in der Stadt das Sagen. „Alle Ratsvertreter tragen mit ihrer Entscheidung die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung in den nächsten Jahren in der Stadt und für die Arbeitsplätze am Klinikum – weit über den 31. Dezember 2014 hinaus“, mahnte der Betriebsratsvorsitzende Gerd Prahm. Auch er sah durchaus die Notwendigkeit, Synergien zu nutzen – „aber nicht im Hauruckverfahren“.

Letztlich überwog in der Politik die Einsicht, dass es wohl keinen anderen Weg als die Fusion gibt. „90:10 finde ich auch beschissen, ein Trauerspiel ist das“, erklärte Marlis Düßmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen und stellvertretende Vorsitzende im Klinikum-Aufsichtsrat. Doch sie erinnerte daran, dass es zwangsläufig so kommen musste, weil in der Vergangenheit zu viele Fehler gemacht wurden: von der Stadt, von der Politik, vom Betriebsrat, von der Geschäftsführung des Klinikums. Alle haben demnach ihren Anteil daran, dass das kommunale Krankenhaus in eine derart desolate Lage gewirtschaftet wurde.

Letztlich war es aber nicht nur die prekäre finanzielle Situation, die den Politikern in dieser Stadt ohne Geld keine Wahl ließ. Es war auch die klare Ansage des Landes, Delmenhorst zukünftig krankenhauspolitisch nur noch mit Geld zu bedenken, wenn es lediglich ein Krankenhaus in der Stadt gibt. „Im Krankenhausplanungsausschuss wurde am 11. Dezember einvernehmlich festgestellt, dass nur ein Zusammenschluss und eine Ein-Standort-Lösung langfristig die medizinische Versorgung in der Stadt sichert“, erklärte Oberbürgermeister Axel Jahnz die Hintergründe. Und auch bei seinem Gespräch mit der Kommunalaufsicht wurde verdeutlicht, dass die Stadt Unterstützung nur dann erwarten kann, wenn sie diesen Weg geht.

FDP war gegen die Fusion

Die große Unbekannte im Spiel war im Vorfeld übrigens die SPD. In der Verwaltungsausschusssitzung am Freitag hatten sich die Sozialdemokraten enthalten, doch es wurde sogar gemunkelt, dass die Fraktion mit nein votieren könnte. Am Montagnachmittag trafen sie sich zu einer außerordentlichen Fraktionssitzung, am Ende wurde jedem Ratsmitglied die Entscheidung frei gestellt, also auf den Fraktionszwang verzichtet. Die 14-köpfige Fraktion stimmte dann mehrheitlich mit ja.

„Auch ich bin grundsätzlich für die Fusion“, sagte Inge Böttcher, als sie erklärte, warum sie der Mehrheit ihrer Fraktion nicht folgen wollte. „Aber ich möchte vorher einige Fragen geklärt haben. Nicht, dass wir jetzt Regelungen zementieren, aus denen wir später nicht mehr herauskommen.“ Doch die sollen alle erst im kommenden Jahr beantwortet werden, bevor der Rat den endgültig alles besiegelnden Einbringungsvertrag absegnet. Auch die Piraten wollten nicht einfach den Verträgen zustimmen. „Es gibt den Ratsbeschluss, die Fusion in einem Verhältnis 50:50 auszuhandeln. Wenn sich das nicht aushandeln lässt, gehe ich damit in den Rat und hole mir das entsprechende Mandat. Zeit dazu wäre gewesen“, sagte Fraktionschef Andreas Neugebauer.

Im November habe die städtische Verhandlungsführerin, Stadträtin Barbara Bartels-Leipold, im Rat noch ausgeführt, dass es über die Klinik-Fusion nichts zu berichten gäbe. Die Stadträtin entschuldigte sich auch für das zuletzt sehr schnelle Vorgehen. „Alle Verträge basierten auf einer 50:50-Regelung, doch als Anfang November die Bewertungen vorlagen, mussten wir ganz von vorn anfangen“, erklärte sie.

Die FDP stellte sich gegen die Fusion: Sie forderte, dass ein Arbeitnehmervertreter zwingend im Aufsichtsrat sitzen müsse, so wie bislang im Klinikum. In der Holding soll es lediglich nur noch einen Beirat für die Mitarbeitervertretung geben, eine deutliche Entmachtung der Beschäftigten. Doch dieser Antrag kam nicht durch.

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