Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Sonder-Ratssitzung am Freitag Viele Fragen zur Krankenhaus-Fusion

Heute soll der Rat der Fusion des katholischen St.-Josef-Stiftes mit dem Klinikum Delmenhorst zustimmen. Nur: Die Entscheidungsgrundlage sei in einigen Punkten sehr dürftig, finden einige Politiker.
19.12.2014, 00:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
Zur Merkliste
Von Andreas D. Becker

Am heutigen Freitag soll der Rat in einer Sondersitzung eine der weitreichendsten Beschlüsse der vergangenen Jahre treffen, er soll den Verträgen der Fusion des katholischen St.-Josef-Stiftes mit dem Klinikum Delmenhorst zustimmen. Nur: Die Entscheidungsgrundlage sei in einigen Punkten sehr dürftig, finden einige Politiker.

Die Stimmung in Teilen der Ratspolitik

ist leicht gereizt, wenn es um den „Grundsatzbeschluss zur Verbundbildung zwischen dem Klinikum Delmenhorst gGmbH und dem St.-Josef-Stift Delmenhorst“ geht. Er wird das zentrale Thema im nicht öffentlichen Teil der heutigen Ratssitzung sein. Beginn: 16 Uhr im Rathaus. Der öffentliche Teil, in dem es um einen erneuten Zuschuss für das Klinikum in Höhe von 1,3 Millionen Euro geht, soll dann um 16.30 Uhr starten. Die Zeitplanung der Verwaltung ist optimistisch. Denn, wie gesagt, die Stimmung köchelt. Es gibt viele Fragen, die die Verwaltung beantworten soll.

Das Unbehagen in der Politik begann bereits damit, dass die Ratsmitglieder von der Verwaltung sehr kurzfristig vor der jüngsten Ratssitzung am Dienstag die Entwürfe von Konsortial- und Gesellschaftsvertrag zugesandt bekamen. Einige sollen die Verträge sogar erst am Montag erhalten haben, heißt es. Als dann bei einem interfraktionellen Gespräch am Montag und noch einmal im nicht öffentlichen Teil der Dienstagsratssitzung erste Nachfragen gestellt wurden, sollen die Antworten der Verwaltung eher dürftig ausgefallen sein. Stadträtin Barbara Bartels-Leipold, Verhandlungsführerin der Stadt, soll am Dienstag keine einzige Frage beantwortet haben, berichten mehrere Ratsmitglieder.

Die Grünen fordern nun, dass über die Fusion im öffentlichen Teil der Ratssitzung geredet werde. „Hier geht es um gesundheitliche Daseinsvorsorge vor Ort und die kann nicht hinter verschlossenen Türen diskutiert werden“, erklärt Marlis Düßmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des städtischen Klinikums. Und sie kritisiert, dass die Politik zuletzt lediglich informiert wurde, aber nicht mehr in die Verhandlungen und damit in die Vertragsausgestaltung eingebunden war. So war die Verwunderung in der Politik entsprechend auch groß, als am 8. Dezember in vertraulicher Runde bekannt gegeben wurde, dass die Fusion nicht mehr auf Augenhöhe geschieht. Das sah der Ratsbeschluss allerdings vor, von einer paritätischen Lösung war die Rede. Wie berichtet, wird die Stadt an der neuen Holding gemäß des Werts des Klinikums nur zehn Prozent der Anteile halten. Allerdings hatte sich die Verwaltung für diesen Verhandlungsausgang kein politisches Mandat mehr geholt.

Keine Alternativen verhandelt

Auch hat die Verwaltung offenbar versäumt, sich mehr Einfluss zu sichern. Die Verträge, so wie sie jetzt vorliegen, lassen zum Beispiel nicht die Option zu, dass die Stadt sich doch als gleichberechtigter Gesellschafter einkauft. Das kostete zwar sehr viel Geld, wahrscheinlich 5,5 Millionen Euro – aber wenn die Politik diese Priorität setzen wollte, müsste trotzdem alles neu verhandelt werden. Und auch ein Modell, mit dem die Stadt die Möglichkeit hat, ihre Beteiligung im Laufe der kommenden Jahre auszubauen, wurde nicht angedacht.

Entsprechend des 90-Prozent-Anteils des Stifts wird Delmenhorst zukünftig nur noch ein konfessionelles Krankenhaus haben. „Mit der Holding soll ein christlich geprägtes Haus entstehen“, heißt es im Konsortialvertrag. „Demnach werden Schwangerschaftsabbrüche, Präimplantationsdiagnostik und Maßnahmen der aktiven Sterbehilfe nicht durchgeführt.“ Auch wird darauf hingewiesen, dass zukünftig das kirchliche Arbeitsrecht gilt und dass es an beiden Standorten eine Kapelle mit christlichen Symbolen gibt. Und: „Über kirchenrechtliche und religiöse Fragen betreffend die Gesellschaft oder ihre Tochtergesellschaften entscheidet abschließend der Gesellschafter Stiftung St.-Josef-Stift.“ Bei diesen Fragen haben also weder die Stadt noch die Holding Einflussmöglichkeiten.

Der Einfluss der Stadt ist auch in Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat arg begrenzt. Aufgrund des ungleichen Kräfteverhältnisses hat sie lediglich ein Vetorecht in einigen wenigen Punkten. Aktiv die Krankenhauslandschaft in Delmenhorst kann sie dann nicht mehr mitgestalten, sie kann höchstens noch reagieren und zum Beispiel verhindern, dass das Krankenhaus verkauft werden soll. De facto ist diese Fusion eher ein Verkauf des Krankenhauses – und zwar ein extrem teurer.

Unklar ist allerdings, was die Fusion die Stadt tatsächlich kosten wird. 1,3 Millionen Euro muss sie auf jeden Fall bis Ende 2014 bezahlen – plus eine Million Euro bis Mitte nächsten Jahres. So sollen die Schulden des Klinikums auf das vertraglich festgelegte Limit von 7,7 Millionen Euro gedrückt werden. Dazu passt aus Sicht einiger Politiker nicht, dass die Stadt den Dispo des Klinikums von 10,6 Millionen Euro weiterhin für die nächsten 20 Jahre verbürgen soll. Die Differenz von 2,9 Millionen Euro würde sie der Holding bei vollem kommunalen Risiko – aber ohne weitere Gegenleistungen zu erhalten – leihen.

Auch für die Klinikum-Mitarbeiter ergeben sich viele Fragen. Für den Betriebsrat ist unter anderem unklar, ob den Mitarbeitern zum Beispiel ein Betriebsübergang droht, sie also unter das kirchliche Arbeitsrecht fallen könnten. Es geht auch um die betriebliche Mitbestimmung, und es geht um unklare Finanzen. Auch die Ärzte des Klinikums haben anscheinend leichtes Magenzwicken mit dem Fortgang der Fusionsverhandlungen, die sie ausdrücklich unterstützen – zumindest auf Grundlage des im Sommer präsentierten Eckpunktepapiers. Der Ärztliche Direktor des Klinikums, Rüdiger Schlick, bringt die Bedenken der Ärzteschaft in einem Brief an den Verwaltungsvorstand auch zum Ausdruck: „Die Diskussion in den letzten Tagen haben wir mit steigender Besorgnis verfolgt. Aus unserer Sicht wird hier deutlich von den Positionen des Eckpunktepapiers abgewichen.“

Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+! Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)