Kardiologie:Besser ohne Koryphäen

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Auf den großen Kongressen versammeln sich oft Zehntausende Ärzte. Die größten Veranstaltungen in einer Karte. (Foto: SZ-Grafik: Julia Kraus)

Wie geht es den Patienten, wenn Kardiologie-Spezialisten massenhaft auf Kongressen weilen? Offenbar besser, ergibt eine Analyse der Sterbedaten aus insgesamt zehn Jahren.

Von Hanno Charisius

Herzspezialisten treffen sich regelmäßig auf Fachkongressen, um Erfahrungen und Wissen auszutauschen. In dieser Zeit können sie sich natürlich nicht um ihre Patienten kümmern - was für die Kranken eher ein Vorteil zu sein scheint. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt zumindest eine amerikanische Untersuchung im Fachblatt Jama (online). Eine Gruppe von Gesundheitsforschern um Anupam Jena von der Harvard Medical School in Boston, analysierte die Überlebensraten von Hochrisikopatienten mit Herzleiden zwischen den Jahren 2002 und 2011, die während zwei großen, jährlichen Kardiologentreffen in ausgewählten Krankenhäusern behandelt wurden.

30 Tage nach der Einlieferung hatten mehr Patienten überlebt, wenn die Experten für Herzleiden auf Dienstreise waren. In den Vergleichszeiträumen vor und nach den Kongressen lag die Sterblichkeit geringfügig höher. Jena und seine Kollegen vermuten, dass Herzspezialisten in einigen Fällen riskantere Prozeduren anwenden als Ärzte ohne ihr Fachwissen. So sank die Zahl der Angioplastien in Abwesenheit der Kardiologen deutlich.

"Eine mögliche Erklärung ist, dass die intensivmedizinische Betreuung während der Kongresszeiten geringer ausfällt und der Schaden durch diese Behandlung den Nutzen in einigen Fällen überwiegt", schreiben die vier Forscher in ihrem Bericht. Sie räumen allerdings ein, dass ihre Untersuchung die Frage nach den Ursachen für ihre Beobachtung nicht zufriedenstellend beantworten kann.

Die Daten aus den zehn Jahren zeigen auch, dass sich an der 30-Tage-Sterblichkeit von Herzpatienten nichts ändert, wenn Mediziner anderer Fachrichtungen zu ihren Spezialkongressen reisen. Es zeigt sich auch keine Veränderung in der Sterblichkeit von Patienten ohne Herzprobleme, wenn die Kardiologen tagen. In einem Begleitkommentar schreibt die Jama-Chefredakteurin Rita Redberg, dass es zunächst einmal beruhigend sei, dass die Patienten nicht unter der Abwesenheit der Spezialisten leiden. Bereits frühere Untersuchungen hätten gezeigt, dass komplizierte Prozeduren nicht immer Vorteile haben für die Patienten. "Diese Untersuchung hilft uns vielleicht dabei, die Ursachen zu verstehen und die Sterblichkeit über das gesamte Jahr hinweg zu reduzieren."

© SZ vom 23.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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