Für jeden Assistenzarzt mindestens 15'000 Franken

Zu wenig Medizinnachwuchs und ein drohendes Versiegen des Zuzugs von Ärzten aus dem Ausland: Massnahmen gegen den Ärztemangel werden dringend. Die Kantone wollen nun in die Assistenzarzt-Stellen investieren.

Simon Hehli
Drucken
Die Ausbildung von Assistenzärzten ist essenziell für die Zukunft der Medizin in der Schweiz. Spitäler, welche die aufwendigen Schulungen auf sich nehmen, sollen wenigstens einen Teil der Kosten vom Staat zurückerstattet bekommen. (Bild: Adrian Baer / NZZ)

Die Ausbildung von Assistenzärzten ist essenziell für die Zukunft der Medizin in der Schweiz. Spitäler, welche die aufwendigen Schulungen auf sich nehmen, sollen wenigstens einen Teil der Kosten vom Staat zurückerstattet bekommen. (Bild: Adrian Baer / NZZ)

Der Schweiz droht ein massiver Ärztemangel: Laut einer Studie aus dem Jahr 2013 hat sie unter den OECD-Staaten eine der tiefsten Raten von Medizinstudenten im Verhältnis zu den heute praktizierenden Ärzten. Eine Mehrheit der Studierenden sind zudem Frauen; die Wahrscheinlichkeit, dass ein beträchtlicher Teil von ihnen künftig Teilzeit arbeitet oder ganz aus dem Job aussteigt, ist gross. Ob auch künftig zugezogene Ärzte aus dem EU-Raum die Lücke schliessen können, ist nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative ungewiss.

Umso wichtiger ist es deshalb, dass Schweizer Spitäler gute Bedingungen für die fachliche Ausbildung des medizinischen Nachwuchses bieten können. Doch aufgrund der neuen Spitalfinanzierung besteht laut der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) die Gefahr, dass die Spitäler bei der Weiterbildung ihrer Assistenzärzte sparen. Denn diese wird nicht via Fallpauschalen durch die Krankenkassen bezahlt, viele Kantone sind aber auch nicht mehr bereit, ein durch Weiterbildungskosten entstandenes Defizit zu decken. «Der Kostendruck nimmt stetig zu», sagt GDK-Zentralsekretär Michael Jordi.

In Genf 90'000 Franken, in Bern 10'000

Gross sind entsprechend die Unterschiede bei der Unterstützung der ausbildenden Spitäler durch die Kantone. Während sich die Genfer mit bis zu 90'000 Franken pro Assistenzarzt und Jahr grosszügig zeigen, knausern die Berner. Wegen der angespannten Finanzlage strich der Kanton die Beiträge radikal von bis zu 60'000 Franken im Jahr 2012 auf nun 10'000 Franken zusammen. Laut einer Schätzung des Bundesamtes für Statistik wendet ein Unispital jedoch durchschnittlich pro Jahr und Assistenzarzt 56'000 Franken für die Ausbildung auf. Dazu zählen sowohl die «strukturierte» Ausbildung, also beispielsweise Kurse, als auch die «unstrukturierte» Ausbildung – wenn etwa ein Oberarzt sich Zeit nimmt, für eine Gruppe von Assistenzärzten am Bett eines Patienten über dessen Krankheit zu dozieren.

Die GDK hat sich zum Ziel gesetzt, schweizweit eine gewisse Harmonisierung zu erreichen, das Resultat liegt nun vor. Es ist der kleinste gemeinsame Nenner: Mindestens 15'000 Franken sollen die Kantone künftig pro Assistenzarzt an die Spitäler überweisen. Von einer ursprünglich angedachten Differenzierung nach Spitaltyp – 24'000 Franken pro Kopf für Unispitäler, 18'000 Franken für grosse Zentrumsspitäler – hat sich die GDK damit verabschiedet. An einem weiteren zentralen Punkt hält sie jedoch fest: Ein mit 15 Millionen Franken alimentierter Ausgleichstopf soll dafür sorgen, dass jene Kantone, die überproportional viele Ärzte weiterbilden, teilweise dafür entschädigt werden.

Zwei Kantone stehen abseits

Am meisten vom Ausgleich profitieren Basel und Waadt. Zweitgrösster Zahler wäre Schwyz – doch zusammen mit Nidwalden weigern sich die Schwyzer, neben dem Finanzausgleich weitere Transferzahlungen zu leisten. Die Vereinbarung wird trotzdem in Kraft treten, wenn das Quorum von 18 beigetretenen Kantonen erreicht wird. Gegenüber den unwilligen beiden Innerschweizer Kantonen gebe es keine direkten Sanktionsmöglichkeiten, so Michael Jordi. Aber die GDK schafft Anreize: Für junge Schwyzer oder Nidwaldner Mediziner, die in anderen Kantonen ausgebildet werden, würde es keine Zuschüsse geben. Jordi hofft, dass sich dadurch die beiden Kantone bewegen lassen, der Vereinbarung beizutreten. «Sonst verschlechtern sie die Berufsaussichten ihres eigenen Ärztenachwuchses.»

Werner Bauer, Präsident des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF), zeigt sich froh, dass nach den jahrelangen Diskussionen nun eine tragfähige Lösung auf dem Tisch liegt – «auch wenn es eine Minimallösung ist». Die Verantwortlichen der weiterbildenden Spitäler hätten sich immer wieder bei ihm beklagt, so Bauer. «Oft betreiben sie die Nachwuchsförderung aus reinem Idealismus, die Entschädigung für die Spitäler ist und bleibt völlig inadäquat.» Das SIWF werde sich nun direkt bei den Kantonen dafür einsetzen, dass sie die Weiterbildungsstätten grosszügiger unterstützen.

Auch GDK-Zentralsekretär Jordi sieht keinen Grund, sich zurückzulehnen. Die Massnahmen zur besseren Finanzierung der Ausbildungsplätze seien notwendig, aber noch lange nicht hinreichend. «Um einen Ärztemangel zu vermeiden braucht es auch mehr Studien- und Praktikumsplätze.»

«Situation wird sich verschärfen»

Parallel zu den Bemühungen der GDK wurde auch BDP-Nationalrat Lorenz Hess tätig. Im September reichte er eine Motion ein, die vom Bundesrat ebenfalls eine schweizweit einheitliche Vorgehensweise fordert. Er befürchtet, dass sich der Fachkräftemangel in der Medizin weiter verschärft und «die Versorgungssicherheit nicht mehr sichergestellt werden kann». Hess hat sich die Unterstützung von Gesundheitspolitikern aus allen Fraktionen gesichert. Dennoch empfahl der Bundesrat den Vorstoss an seiner letzten Sitzung zur Ablehnung. Er verwies dabei auch auf die Bemühungen der Kantone, auf dem Konkordatsweg eine Lösung zu finden. Aus Sicht von Hess sind die so vereinbarten 15'000 Franken ein sehr geringer Beitrag. Dennoch überlegt er sich nun, die Motion zurückzuziehen. «Es muss ja nicht alles aus dem Bundeshaus verordnet werden, wenn es auch anders geht.»

Zum Thema