Es droht ein Overkill

Die neue Spitalfinanzierung sorgt dafür, dass veraltete Krankenhäuser ersetzt werden. Doch die Kantone haben noch immer zu viel Einflussmöglichkeiten.

Daniel Gerny
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Die St. Galler stimmten im November Investitionen für Spitalneubauten in Höhe von über 900 Millionen Franken zu. Beim Kantonsspital Aarau sind Einlagen von 800 Millionen Franken vorgesehen. Das Universitätsspital Basel rechnet für seinen Neubau mit Kosten von 700 Millionen Franken. Der Neubau des Spitals Burgdorf kostet 145 Millionen Franken, und in Graubünden werden 400 Millionen Franken verplant. Die Beispiele liessen sich fast beliebig fortsetzen.

Drei Jahre nach dem Inkrafttreten der neuen Spitalfinanzierung, die mehr Wettbewerb und eine Konsolidierung in der Branche bringen sollte, werden überall in der Schweiz Krankenhäuser gebaut . Gemäss einer Umfrage von PWC unter 19 öffentlichen und privaten Spitälern wird seit 2012 deutlich mehr investiert als in der Zeit zuvor. Wie lässt sich diese Entwicklung erklären angesichts ausufernder Spitalkosten und einer im OECD-Vergleich sehr hohen schweizerischen Spitaldichte?

Krankenhäuser aus den 1970er Jahren

Es ist kein schlechtes Zeichen, wenn Geld in die Modernisierung der Gesundheitsversorgung fliesst. Die schweizerischen Spitäler sind vielerorts in die Jahre gekommen. Das Gros der Immobilien ist mehr als dreissig Jahre alt, ein grosser Teil stammt sogar aus den 1960er und 1970er Jahren. Mit einem höheren Investitionsvolumen als Folge von mehr Wettbewerb ist deshalb schon bei der Verabschiedung der neuen Spitalfinanzierung gerechnet worden. Das sind Anzeichen dafür, dass die Spitäler mit ernst zu nehmender Konkurrenz rechnen: Weil der Markt stärker spielt, haben nur Kliniken eine Überlebenschance, die à jour sind. Niemand bestreitet deshalb, dass zusätzliche Mittel für den Bau und die Sanierung von Krankenhäusern sinnvoll sind.

Doch gibt es auch deutliche Indizien dafür, dass Mittel in die blosse Erhaltung von Strukturen fliessen. Investiert wird nicht nur dort, wo es notwendig ist. So wandern im Speckgürtel von Basel Patienten sukzessive ins baselstädtische Universitätsspital ab . Dennoch wird ein Neubau der mit einem Patienten-Rückgang kämpfenden Filiale des Baselbieter Kantonsspitals auf dem Bruderholz geplant. Auch in der Stadt Bern droht eine Überversorgung. Die Schweiz verfügt aber nicht nur über viele Spitäler pro Kopf, auch sind die einzelnen Häuser im internationalen Vergleich klein. Dabei ist bekannt, dass grössere Fallzahlen nicht nur die Rentabilität einer Klinik verbessern, sondern zu einer Qualitäts- und damit Attraktivitätssteigerung beitragen. Die roten Zahlen, die das Kantonsspital Aarau 2014 einfuhr, deuten darauf hin, dass mehr Patienten angezogen werden müssten, um Investitionen finanzieren zu können. Und das Spital von Nidwalden hat Zahlen veröffentlicht, die zeigen, dass 700 weitere Patienten notwendig wären, um ohne zusätzliche Gelder auszukommen.

Es fehlen Qualitätskriterien

Zwar nimmt die Zahl der Spitäler ab, doch gleichzeitig profitieren viele öffentliche Kliniken von der schützenden Hand der Kantone. Die neue Spitalfinanzierung ist eben kein reines Wettbewerbsmodell, sondern sie führt die gesteuerte Spitalplanung weiter – wenn auch in transparenterer Form und um wettbewerbsorientierte Elemente ergänzt. Indem Leistungen statt Spitaltage vergütet und dabei fast alle Belastungen in einer Vollkostenrechnung abgebildet werden, lässt sich besser beurteilen, welche Spitäler effizient arbeiten. Qualitätskriterien für die Kunden – Patientinnen und Patienten – fehlen aber weitgehend. Mit der Möglichkeit zur Vergütung von gemeinwirtschaftlichen Leistungen steht den Kantonen zudem ein Kanal für versteckte Subventionen zur Verfügung. Es gibt weitere Elemente, die den Markt verzerren.

Bis zu einem gewissen Grad sind solche Anreize in einer Sozialversicherung erwünscht, denn die öffentliche Hand hat bei der Gesundheit einen Versorgungsauftrag. Dennoch ist es wichtig, dass der Wettbewerb weiter gestärkt wird. Es braucht Rahmenbedingungen, die eine unterschiedliche Umsetzung der Spitalfinanzierung in den einzelnen Kantonen verunmöglichen und die den Markt über die Grenzen hinaus besser spielen lassen.

Die Mehrfachrolle der Kantone als Regulator, Schiedsrichter in Tarif-Streitigkeiten, Leistungserbringer und Kostenträger ist ebenfalls nicht tragbar. Auch die Spitalplanung mithilfe von kantonalen Spitallisten ist im Kern systemfremd und muss auf lange Sicht ersetzt werden. Denn bei aller Freude über den Boom im Spitalbau gilt: Investitionen von heute in eine überdimensionierte und zu kleinräumige Spitallandschaft gehen zulasten einer qualitativ auf der Höhe der Zeit stehenden Gesundheitsversorgung von morgen.