Ärzte können kein Deutsch – Patienten leiden

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Schweizer SpitälerÄrzte können kein Deutsch – Patienten leiden

In Schweizer Spitälern arbeiten Ärzte, die sich wegen mangelnder Sprachkenntnisse nicht mit Patienten verständigen können. Schuld ist der Ärztemangel.

D. Pomper
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D. Pomper
Patienten beschweren sich darüber, dass es Spitalärzte gibt, die sie nicht verstehen. Denn sie beherrschen keine Landessprache.

Patienten beschweren sich darüber, dass es Spitalärzte gibt, die sie nicht verstehen. Denn sie beherrschen keine Landessprache.

Stellen Sie sich vor, Sie gehen ins Spital und der Arzt versteht Sie nicht – weil er Ihre Sprache nicht spricht. Dieses Szenario ist bereits Realität.

Im Universitätsspital Zürich beispielsweise gibt es Ärzte, die nur auf Englisch kommunizieren. Patienten haben sich bei der Patientenschützerin Margrit Kessler darüber beschwert, wie die «NZZ» berichtet.

Tatsächlich räumt das Universitätsspital auf Anfrage ein, teilweise auch Mitarbeitende mit Patientenkontakt einzustellen, die noch über «ungenügende Deutschkenntnisse» verfügen, allerdings mit der Auflage, Deutschkurse zu besuchen. Wie viele Ärzte nicht Deutsch sprächen, werde nicht erhoben.

Ärzte aus den USA

Patientenschützerin Kessler berichtet von einem weiteren Fall. In einer Deutschschweizer Psychiatrie sei ein Patient an einer Infektion gestorben, weil der behandelnde Arzt ihn nicht verstanden habe, als der Patient ihn auf das Fieber und Unwohlsein hingewiesen habe.

«Seit sich die Arbeitsbedingungen in Deutschland verbessert haben, holen die Spitäler zunehmen Ärzte aus Rumänien, Polen und Bulgarien», stellt Kessler fest. Diese landeten vor allem in Psychiatrien, da dieser Bereich für Schweizer Ärzte medizinisch weniger attraktiv sei. Rekrutiert werde auch in den USA: «Aber wir können doch nicht von unseren Patienten erwarten, mit den Ärzten auf Englisch zu kommunizieren!»

Deutsch ist für Ärzte nicht zwingend

Denn Deutsch sprechen die ausländischen Ärzte oft nicht, da das Beherrschen einer Landessprache in der Schweiz im Gegensatz zum Ausland keine Bedingung für die Anstellung an einem Spital ist. Margrit Kessler macht sich deshalb gemeinsam mit dem Ärzteverband dafür stark, dass bei der Zulassung von ausländischen Spitalärzten höhere Sprachhürden errichtet werden.

Sie fordern, dass der Eintrag im Register der universitären Medizinalberufe das Beherrschen einer Landessprache voraussetzen soll. Dafür werden sie sich diese Woche einsetzen, wenn die Gesundheitskommission des Nationalrates das neue Medizinalberufegesetz diskutiert. «Es kann doch nicht sein, dass Helferinnen für das Schweizerische Rote Kreuz Deutsch auf Matura-Level beherrschen müssen und Ärzte gar keine Kenntnisse haben müssen», ärgert sich Kessler.

Erst in der Wintersession hatte es der Ständerat abgelehnt, bei der Sprachkompetenz ausländischer Ärzte hohe Hürden zu errichten. Er will es dem Bundesrat überlassen, ob dieser auch Ärzten mit schlechten Kenntnissen einer Landessprache eine Zulassung ermöglichen will.

«Besser ein fremdsprachiger Arzt als gar keiner»

Angesichts des derzeitigen Ärztemangels sei eine strengere Zulassungsregelung aufgrund der Sprachkenntnisse kontraproduktiv. «Wenn ich als Notfall eingeliefert werde, ist es mir doch lieber, wenn da ein fremdsprachiger Arzt ist als gar keiner», so Ständerätin Verena Diener zur «NZZ».

Tatsächlich ist der Ärztemangel ein grosses Problem. Dieser sei zu einem grossen Teil hausgemacht, da es für die Kantone günstiger komme, ausländische Ärzte ins Land zu holen als Ärzte im Inland auszubilden, sagt Gesundheitspolitikerin Jacqueline Fehr. Aus diesem Grund werde wohl noch immer am Numerus Clausus festgehalten.

«Wenn wir jetzt sofort den Numerus clausus abschafften und die Anzahl der Medizin-Studienplätze verdoppelten, könnten wir in 10 bis 12 Jahren den inländischen Ärztemangel decken», sagt Fehr. Allein letztes Jahr seien mehr Ärzte aus Deutschland eingewandert, als in der Schweiz ausgebildet wurden. Es sei höchste Zeit zu handeln: «Die Kantone müssen jetzt Prioritäten setzen. Sie könnten beispielsweise die Steuersenkungsprogramme kippen und in die Ausbildung inländischer Ärzte investieren.» Kosten würde diese Massnahme jährlich 200 Millionen Franken.

«Aufgabe gemeinsam lösen»

Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren GDK lässt diesen Vorwurf nicht auf sich sitzen: «Diese Aufgabe müssen wir gemeinsam lösen, nicht Schwarze Peter verteilen», sagt Zentralsekretär Michael Jordi und verweist auf die gemeinsame Verantwortung von Bund, Kantonen und Universitäten. Ausserdem sei man bereits daran, die finanziellen Rahmenbedingungen für 300 zusätzliche Medizin-Studienplätze zu schaffen. «Dies ist nötig – nicht weil wir keine ausländischen Ärzte mehr wollen – sondern weil wir einen Ersatz für die Schweizer Ärzte benötigen, die pensioniert werden.» Die Pensen der neuen Ärzte seien tiefer als die der alten Garde.

Haben Sie als Patient in Spitälern Erfahrungen mit Ärzten gemacht, die keine Landessprache beherrschten? Schreiben Sie uns: feedback@20minuten.ch

41 Prozent der Ärzte sind Ausländer

Fast jede dritte Erwerbsperson in Spitälern und Kliniken, nämlich 32%, ist ausländischer Nationalität. Diese Quote ist deutlich höher als der Anteil ausländischer Beschäftigter in der Gesamtwirtschaft, der bei 22% liegt.

Am höchsten ist der Ausländeranteil bei den Ärzten mit 41%, wie Zahlen des Bundesamtes für Statistik BFS aus dem Jahr 2012 zeigen. Beim Pflegepersonal haben 33% eine ausländische Nationalität. Gross sind die Unterschiede in den Regionen. In der Westschweiz und im Tessin beträgt der Ausländeranteil des Spitalpersonals jeweils über 40%. Am tiefsten ist er in der Zentralschweiz und im Espace Mittelland mit je 22%.

10,6% des Spitalpersonals stammen aus Deutschland (ärztliches Personal: 24,2%), 6,1% aus Frankreich (Pflegepersonal: 9,8%) und 3,0% aus Italien. 12,5% gehören diversen anderen Nationalitäten an. Aus welchen Ländern diese stammen, wurde nicht aufgeschlüsselt.

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