Nach der Charité gibt es auch Ermittlungen gegen Top-Manager im landeseigenen Krankenhauskonzern Vivantes. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Finanzchef. Er wurde von seinen Aufgaben entbunden.

Wieder ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen einen Geschäftsführer eines landeseigenen Krankenhauskonzerns. Nachdem bereits Ermittlungsverfahren gegen den früheren Vivantes-Chef Joachim Bovelet und einen weiteren Ex-Manager des Konzerns laufen und die Staatsanwälte den geheimen Konten bei der Charité nachspüren, ist nun ein aktiver leitender Vivantes-Mitarbeiter ins Visier der Staatsanwälte geraten. Am Donnerstag durchsuchten Ermittler Teile der Geschäftszentrale von Vivantes an der Aroser Allee in Wedding. Es bestehe dringender Tatverdacht gegen den Finanzgeschäftsführer Bernd K. Nach Informationen der Berliner Morgenpost soll es bei den Vorwürfen um Bestechlichkeit im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit gehen. Die Staatsanwaltschaft war nicht zu erreichen.

Der Vivantes-Aufsichtsratsvorsitzende Peter Zühlsdorf habe unmittelbar Konsequenzen gezogen und den Manager von seinen Aufgaben entbunden, heißt es in einer Mitteilung, die Vivantes am Abend verschickte. Der Aufsichtsrat sei über die Vorgänge informiert und werde kurzfristig über die weiteren Maßnahmen entscheiden. Die mutmaßlichen Vergehen des Finanzgeschäftsführers haben jedoch keinen Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen die früheren Führungskräfte des kommunalen Krankenhauskonzerns. Geschäftsführung und Aufsichtsrat seien sich einig, mit den Ermittlungsbehörden vollumfänglich kooperieren zu wollen, teilte Vivantes mit. „Nach derzeitigem Kenntnisstand handelt es sich bei den Tatvorwürfen um ein individuelles Fehlverhalten des Finanzgeschäftsführers.“ Aktuell sei „nicht erkennbar, dass weitere Mitarbeiter des Unternehmens beteiligt“ gewesen seien.

Von seinen Aufgaben entbunden

Der Manager war bei Vivantes zuständig für das Controlling, aber auch für Einkauf und Gebäudemanagement. Der Betriebswirt war seit April 2012 als Geschäftsführer für Vivantes tätig, davor leitete er als Interimsmanager den Bereich Finanzen und Controlling. Er wurde vom damaligen Aufsichtsratschef Hartmann Kleiner geholt, weil er große Erfahrungen mit Bank-Finanzierungen vorzuweisen hatte. Diese Expertise wurde benötigt, weil Vivantes vom Senat die Erlaubnis bekommen hatte, eigenständig Kredite für Investitionen aufzunehmen.

Über die Ermittlungsverfahren bei Charité und Vivantes hinaus sehen sich die Krankenhausbetreiber auch durch neue Zahlen der Berliner Krankenhausgesellschaft unter Druck. Seit Jahren sinkt die sogenannte „Verweildauer“ der Patienten in Berliner Krankenhäusern. Lagen 1995 die Kranken im Durchschnitt noch 16,9 Tage in einem Klinikbett, waren es 2012 nur noch 7,7 Tage. In den beiden großen landeseigenen Krankenhauskonzernen bleiben die Patienten noch kürzer. Vivantes meldet 6,5 Tage Verweildauer, die Charité 6,39 Tage. Und die Zahlen sollen weiter sinken, sonst wird es die Charité laut ihres Wirtschaftsplans 2014 nicht schaffen, ein ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen.

Patienten werden kürzer behandelt

Für die Klinikbetreiber ist es wirtschaftlich enorm wichtig, die Patienten nicht länger als unbedingt nötig stationär zu versorgen. Früher bezahlten ihnen die Krankenkassen jeden Tag, den ein Bett belegt war. Ärzte berichten von ehernen Regeln. Die Verweildauer eines Blindarm-Patienten lag bei 14 Tagen, ein Gallen-Patient verbrachte drei Wochen im Krankenhaus. Seit einigen Jahren werden die Kliniken über Fallpauschalen finanziert. Jede Leistung wird zu einem sogenannten Landesbasisfallwert in Beziehung gesetzt. Dieser Basiswert beträgt in Berlin 3117,36 Euro und entspricht dem, was ein durchschnittlicher Behandlungsfall in die Kasse der Krankenhäuser spült. Ein einfacher Blinddarm-Fall ohne Komplikationen bringt rund 2000 Euro. 700 kostet die Operation selbst, mit 400 Euro schlägt ein Tag auf der Station zu Buche. Wird der Patient nicht nach drei Tagen entlassen, zahlt das Krankenhaus drauf.

Es sind diese Mechanismen, die die Krankenhausbetreiber belasten. Zumal die Fallpauschalen nicht stark genug steigen, um höhere Tarife für die Mitarbeiter auszugleichen. Krankenhäuser kalkulieren Personalkosten mit 70 Prozent. Vivantes und Charité sind seit Jahren bestrebt, ihre steigenden Kosten für Personal, Energie und Heilmittel mit Hilfe steigender Leistungen aufzufangen, um nicht ins Minus zu rutschen.

Die Charité etwa versorgte 2012 insgesamt 148.000 Patienten stationär, 2006 waren es rund 20.000 weniger. Vivantes kommt auf 214.000 Fälle im Jahr 2012, drei Jahre zuvor waren es 14.000 weniger. Experten befürchten, dass diese Wachstumspläne endlich sein könnten, weil sich die Krankenhäuser dann untereinander die Patienten abjagen müssten, um auf ihre Kosten zu kommen. Die beiden kommunalen Konzerne decken etwa die Hälfte des Berliner Marktes ab. Die Patientenbeauftragte Karin Stötzner sprach von einer „Herausforderung“ für die Krankenhausplanung, „dass es nicht zu ökonomisch bedingten Fallzahlen“ kommt. Sie teilt die Kritik der Krankenkassen, die sich den Anstieg bestimmter Operationszahlen nur aus wirtschaftlichen Interessen der Kliniken erklären können. „Die Steigerung hat nichts mit dem Bedarf, sondern mit dem Angebot zu tun“, sagte Stötzner. Dass die Personalsituation in den Kliniken überaus angespannt ist, bemerken auch die Patienten. „Die spüren den Stress von Pflegekräften und Ärzten, die an der Belastungsgrenze arbeiten.“

Reform der Krankenhausfinanzierung gefordert

Der Gesundheitsexperte der Linken, Wolfgang Albers forderte eine grundlegende Reform der Krankenhausfinanzierung in Deutschland. Denn bisher bezahlen die Patienten über ihre Krankenkassenbeiträge den Regelbetrieb. Die Länder sind zuständig für große Investitionen und den Krankenhausbau. Dieser Pflicht entziehe sich Berlin seit Jahren, klagen die Krankenhäuser. Sie sehen sich gezwungen, aus dem Regelbetrieb selbst Investitionen zu erwirtschaften. Das trifft besonders die Charité als Uniklinik. Die Universitätsmedizin sei im Vergütungssystem „schlecht abgebildet“, betonte Charité-Chef Karl Max Einhäupl. So lange sich das nicht ändert, bleibt den Managern nur, mehr Patienten schneller durchzuschleusen, um rote Zahlen zu vermeiden.

Nachtrag:

Die Staatsanwaltschaft Berlin hat das Ermittlungsverfahren gegen Joachim Bovelet wegen Untreue mangels Tatverdacht eingestellt.

Der in die Berichterstattung aufgenommene Verdacht wird nicht aufrechterhalten.

Die Redaktion.