Steigende Personalkosten und Investitionen in Neubauten und Geräte setzen Vivantes unter Druck. Geschäftsführerin Andrea Grebe will nun die Löhne für Spezialisten erhöhen und für Hilfskräfte senken.

Berlins kommunale Kliniken stehen unter Druck. Zwar konnte der Vivantes-Konzern am Donnerstag für das zehnte Jahr in Folge eine schwarze Null ausweisen. Bei einem Umsatz von 941 Millionen Euro blieben 2013 unter dem Strich 7,9 Millionen Euro übrig, ein wenig mehr als im Vorjahr.

Dieses Ergebnis zu wiederholen, wird für die neue Vivantes-Chefin Andrea Grebe jedoch immer schwieriger. Denn die Personalkosten steigen, die Investitionen in Neubauten und moderne Geräte muss der Konzern weitgehend alleine stemmen und auch das überproportionale Wachstum bei der Zahl der behandelten Patienten könnte demnächst zu Ende gehen.

Sachlich und dialogorientiert

Grebe wurde am Mittwoch vom Aufsichtsrat offiziell zur Nachfolgerin des im vergangenen Jahr im Streit mit dem Finanzsenator gegangenen Joachim Bovelet zur Vorsitzenden der Geschäftsführung gewählt. Mit ihrer sachlichen, dialogorientierten Art soll die 52 Jahre alte Fachärztin mit Studienabschluss Public Health den landeseigenen Konzern aus den Schlagzeilen führen.

Zuletzt hatte Vivantes selbst Bovelet und einen anderen früheren Top-Manager wegen des Verdachts der Untreue angezeigt, unabhängig von diesen Vorgängen war kürzlich der Finanzgeschäftsführer wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ins Visier der Staatsanwälte geraten. Der Aufsichtsrat hat ihn am Mittwoch entlassen.

Für die Zukunft des Vivantes Netzwerks, das im vergangenen Jahr 523.000 Patienten stationär und ambulant versorgte und damit ein Drittel des Berliner Krankenhausmarktes bediente, sind diese Störfälle im Top-Management jedoch weniger entscheidend als Finanzfragen. Allein dass im Konzern nach einer langen Sanierungsphase inklusive eines Gehaltsverzichts der Mitarbeiter zum Januar wieder der allgemeine Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes gilt, steigert für Vivantes im laufenden Jahr die Personalkosten um 20 Millionen Euro. Gleichzeitig haben auch die städtischen Krankenhäuser immer größere Probleme, qualifiziertes Personal zu gewinnen und im Unternehmen zu halten.

Umworbene Intensivpflegerinnen wechseln bislang flexibel

Grebe und ihr Personal-Geschäftsführer Christian Friese sind deswegen bestrebt, „wettbewerbs- und marktkonforme Vergütungsstrukturen“ einzuführen. Vor dem Hintergrund der auch Vivantes treffenden bundesweiten Warnstreiks für Gehaltsverbesserungen im allgemeinen Tarifvertrag scheint es jedoch nicht so leicht möglich, die Gewerkschaft Ver.di für einen Konzerntarifvertrag zu gewinnen. Denn das stellt sich Personalchef Friese vor. Die verschiedenen Tätigkeiten der fast 15.000 Beschäftigten sollen differenziert betrachtet und bezahlt werden.

Umworbene Intensivpflegerinnen sollen künftig mehr Gehalt bekommen dürfen. Denn viele dieser Spezialistinnen lassen sich schon heute lieber von Zeitarbeitsfirmen anheuern, weil sie dann flexibel an eine andere Klinik wechseln können, wenn ihnen ein Arbeitgeber nicht zusagt. Am anderen Ende des Arbeitsmarktes würde Friese einfache Tätigkeiten gerne geringer entlohnen. Der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes lege hier Löhne fest, die deutlich über den Vereinbarungen für einzelne Service-Branchen lägen, so die Analyse der Vivantes-Vorstände.

Auf Leistungen konzentrieren ohne Qualitätseinbußen

In den vergangenen Jahren war es dem Management gelungen, die Erlöse stets so zu erhöhen, dass die steigenden Kosten aufgefangen werden konnten. Zwischen 2010 und 2013 stieg der Konzernumsatz um mehr als 100 Millionen Euro, die Zahl der behandelten Patienten um mehr als 50.000. Für die Zukunft erwartet Andrea Grebe hingegen kein Wachstum mehr, das über dem des Berliner Krankenhausmarktes insgesamt liegt. Die Auslastung der 5200 Klinikbetten liegt bereits bei 90 Prozent, eine Steigerung ist kaum möglich.

„Wir müssen uns auf unsere medizinisch-pflegerische Kernleistung konzentrieren und schlanker werden, ohne an Qualität einzubüßen“, beschrieb Andrea Grebe die anstehende Aufgabe. Sie kenne die Belastungen auf den Stationen und würde am liebsten „jede Schichtbesetzung verdoppeln“. Aber das sei finanziell unter den gegebenen Rahmenbedingungen der Krankenhausfinanzierung in Deutschland nicht zu machen.

Vom Berliner Senat hätte Vivantes gerne mehr finanzielle Unterstützung, ohne dass die neue Führungsspitze mit dieser Forderung lautstark hausieren ginge. Denn eigentlich ist der Krankenhausbau in Deutschland eine Aufgabe der Bundesländer. Förderanträge über 270 Millionen Euro für verschiedene Projekte hat Vivantes in den vergangenen Jahren beim Senat gestellt. „Die liegen da“, sagte Grebe.

Psychiatrische Stationen sind oft überbelegt

Deshalb musste Vivantes einen Großteil seiner Bauinvestitionen aus eigenen Mitteln finanzieren, die mit der Krankenbetreuung erwirtschaftet wurden. 2013 investierte Vivantes 45 Millionen Euro aus Eigenmitteln. Auch die 105 Millionen Euro für die neuen Häuser am Klinikum Friedrichshain mit 400 Betten wird der Konzern selbst aufbringen. Der Senat finanziert immerhin die Erweiterung der Psychiatrie in Hellersdorf mit 29 Millionen Euro, die nächstes Jahr fertig sein soll.

Die Behandlung seelischer Krankheiten ist ohnehin ein Schwerpunkt der Vivantes-Zukunftspläne. Die psychiatrischen Stationen seien oft zu mehr als 100 Prozent belegt, der bauliche Zustand „nicht ganz schön“, sagte die Vivantes-Chefin. Neben dem Neubau in Hellersdorf wird für 2,3 Millionen Euro bis Ende 2015 die Psychiatrie im Wenckebach-Klinikum in Tempelhof saniert.

Um effizienter zu werden, prüft Vivantes auch weitere Kooperationen mit dem ebenfalls landeseigenen Universitätsklinikum Charité. Im vergangenen Jahr wurde das gemeinsame Labor in Wedding eröffnet. In Friedrichshain beginnen noch in diesem Jahr die Bauarbeiten für eine gemeinsam betriebene Strahlentherapie. Zehn Millionen Euro kostet das Vorhaben. Es sollen Patienten der Universitätsklinik und der Regelkrankenhäuser behandelt werden.