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Ravensburg und Friedrichshafen: Krankenhausfamilie vor der Zerreißprobe

Friedrichshafen / Lesedauer: 5 min

Zwischen Kannibalisierung und Verdrängungswettbewerb: Friedrichshafen und Ravensburg machen sich gegenseitig das Leben schwer
Veröffentlicht:24.04.2014, 18:10

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Zu viele defizitäre Standorte, zu hohe Kosten, zu geringe Erlöse. Die Krankenhäuser in der Region ächzen unter Altlasten und einer Finanzierung, die nach Ansicht ihrer Geschäftsführer hinten und vorne nicht mehr auskömmlich ist. Und das schon seit Jahren. Weil Schließung von Häusern und Abbau von Leistungen nur unter größten Widerständen möglich sind beziehungsweise gar nicht in Erwägung gezogen werden, flüchten sie in ihrer Not in den Wettbewerb um Patienten und Spezialleistungen. Denn nur über möglichst hohen Durchlauf, besondere Angebote und die Auslastung des teuren medizinischen Apparates lassen sich Defizite vermeiden.

Während die einen ihre Überlebenschance in der Privatisierung sehen, beschwören andere die kommunale Familie und setzen unter dem Dach von Städten und Landkreisen auf Verbundlösungen. Harmonisch geht es dabei nicht immer zu. Unter dem Zwang der Verhältnisse geraten Annäherungsversuche mitunter zur Zerreißprobe. Beispiel dafür ist die Konstellation von Friedrichshafen und Ravensburg. Die Zeppelinstadt als alleinige Gesellschafterin der Klinikum Friedrichshafen GmbH und der Landkreis Ravensburg als Hauptgesellschafter der Oberschwabenklinik GmbH (OSK) besitzen zwei hochmoderne Kliniken in einer Entfernung von 25 Kilometer.

In der Ochsentour-Sanierung

Überschneidungen im Leistungsspektrum lassen sich nicht vermeiden. Während sich das Einzugsgebiet der OSK mit seinem Ravensburger Haupthaus Elisabethenkrankenhaus (EK) und dem Heilig-Geist-Spital sowie den Satelliten Bad Waldsee, Wangen, Isny und ehemals Leutkirch weit über Oberschwaben und das Allgäu erstreckt, blieb das Friedrichshafener Klinikum bis vor Kurzem ein Solitär in exponierter Lage. Die Seelage als Standortnachteil – aus dem See kommen keine Patienten – haben die Friedrichshafener in den vergangenen Jahren mit einem Ausbau ihres Klinikum-Campus’, internen Umorganisationen und der Ansiedlung von externen Anbietern wett gemacht.

Als eines der wenigen Häuser in der Region schreibt Friedrichshafen schwarze Zahlen und erwirtschaftet Überschüsse. Darauf ist Geschäftsführer Johannes Weindel stolz, hat er doch den bis 2005 hoch defizitären Krankenhausbetrieb wieder auf Vordermann gebracht.

Demgegenüber kommt die OSK aus tiefroten Zahlen und steckt mitten in einer Ochsentour-Sanierung. Geschäftsführer Sebastian Wolf kämpft zusätzlich mit Altlasten. „Unser Problem ist nicht das EK“, sagt der OSK-Chef. „2013 schreiben wir in dem zentralen Haus sogar einen deutlichen Gewinn.“ Sorgenkinder waren vor allem die kleinen Standorte Leutkirch und Isny. Der eine ist bereits aufgelöst, der andere wird demnächst aufgegeben. Bad Waldsee stehe wirtschaftlich gut da. Wangen sei zwar defizitär, verfüge aber über ein eigenes Einzugsgebiet im Allgäu und werde von den dortigen Standortschließungen profitieren. Schwer ins Gewicht fallen aktuelle Investitionen am EK in Höhe von rund 260 Millionen Euro. Sie werden zwar vom Landkreis über eine eigene Immobiliengesellschaft finanziert. Doch eine so umfassende Rundum-Erneuerung, tangiere immer auch den aktuellen Betrieb.

Kein Wunder, dass die Übernahme des hoch verschuldeten städtischen Krankenhauses 14 Nothelfer in Weingarten durch das Klinikum Friedrichshafen im Januar 2014 die Ravensburger in Alarmstimmung versetzte. Die traditionell angespannten Beziehungen zwischen den Krankenhäusern in Ravensburg und Weingarten, die sich im Abstand von 2,1 Kilometern zwangsläufig Konkurrenz machen, sind durch den Besitzerwechsel jedenfalls nicht besser geworden. Zumal der Neue sich anschickt, in Bereiche vorzupreschen, in denen es dem anderen empfindlich wehtut. Unter anderem geht es um die Endoprothetik und Gelenkmedizin – eine der wenigen einträglichen Sparten, die die OSK in Wangen etablieren will. Die diesbezüglichen Aktivitäten der neuen Herren vom Bodensee in Weingarten gehen den Verantwortlichen am OSK an die Nieren. Der viel beschworene Schulterschluss der kommunalen Familie ist erst mal einer Abwehrhaltung gewichen. Wolf warnt gar vor gegenseitiger Kannibalisierung. Der Gesprächsfaden sei aber nicht abgerissen, versichern beide Geschäftsführer.

Viele reden mit

Betriebswirtschaftlich nachvollziehbar, aber volkswirtschaftlich bedenklich, so urteilt der Gesundheitsexperte und CDU-Bundestagsabgeordnete des Bodenseekreises, Lothar Riebsamen, über den Friedrichshafener Vorstoß. Die Annäherung Friedrichshafens an die Tettnanger Klinik hält Riebsamen dagegen für sinnvoll. Das ehemalige Kreiskrankenhaus ist nur zehn Kilometer von Friedrichshafen entfernt und seit 2008 unter den Fittichen der vor allem im Reha-Bereich tätigen Waldburg-Zeil Kliniken GmbH mit Sitz in Isny. Seit Jahresbeginn sind Bestrebungen im Gang, das Haus wieder zu rekommunalisieren. Nicht mehr unter dem Dach des Bodenseekreises, der nach wie vor einen Anteil von fünf Prozent an der Tettnang Klinik GmbH hält und diesen auch nicht abgeben will, sondern unter dem Dach des Friedrichshafener Klinikums. Die Verhandlungen ziehen sich schon Monate hin. Worauf der Deal hinausläuft, ist nicht klar: Fusion, Übernahme, Beteiligung – alles scheint möglich, aber viele reden mit. Am Montag, 14.April, traf man sich sogar in Bonn beim Bundeskartellamt.

Während der Handel mit Weingarten ruckzuck ging, ist es mit Tettnang komplizierter. Schließlich handelt es sich bei der angestrebten Verbindung eines kommunalen mit einem privaten Träger um eine Premiere. Auf jeden Fall soll es mit dem möglichen Partner „kein Lotterleben werden, wo man jederzeit auseinandergehen kann“, sagt Weindel.

Ein regional abgestimmtes, verbindliches Leistungsspektrum ist sein Ziel. Ob er dabei auch an die Einbindung der OSK denkt? „Wir sind im Gespräch“, sagt Weindel, setzt aber sofort nach: „Eine Dependance der OSK wollen wir nicht werden.“

Die Landespolitik hält sich bedeckt. Strategisch sei die Übernahme von Weingarten klug gewesen, sagt der örtliche Landtagsabgeordnete Martin Hahn (Grüne) aus Überlingen. Eine Fusion mit der Klinik Tettnang würde er sogar begrüßen. Ob allerdings diese Art von Wachstum auf Dauer hilft, bezweifelt Hahn.

Er denkt dabei nicht wie Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) an den Abbau von Betten. „Die Patienten sollen vor Ort die bestmögliche Versorgung bekommen.“ Der Bund müsse das Abrechnungssystem nach Fallpauschalen reformieren, denn die Grundversorgung sei nicht auskömmlich finanziert. Den Streit um Patienten und die regionale Vorherrschaft beobachtet der Grüne mit Skepsis: „Es ist ein falscher Weg, sein Glück darauf zu setzen, dass es dem anderen schlecht geht“, sagt der Landtagsabgeordnete.