Schlusspunkt auf Bewährung

Mit der Veröffentlichung der festgesetzten Spitaltarife versucht der Regierungsrat, in der Spitalplanung einen Schlusspunkt zu setzen. Ob das gelingt, ist noch unklar. Manche Akteure prüfen, eine Beschwerde einzureichen.

Reto Scherrer
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Jetzt ist klar, wie viel die Akutspitäler für ihre Eingriffe verrechnen können; der Kanton hat die Tarife festgesetzt. (Bild: Christoph Ruckstuhl / NZZ)

Jetzt ist klar, wie viel die Akutspitäler für ihre Eingriffe verrechnen können; der Kanton hat die Tarife festgesetzt. (Bild: Christoph Ruckstuhl / NZZ)

Kaum eine Zahl hat die Spitallandschaft in den vergangenen Monaten so sehr beschäftigt wie jene, die am Donnerstag zum vorerst letzten Mal Thema gewesen ist: Der Gesundheitsdirektor, Thomas Heiniger, präsentierte die festgesetzten Basisfallpreise (vgl. Tabelle). Diese zeigen sich gegenüber den provisorischen Tarifen nur leicht verändert. Nach dieser Festsetzung können die Akutspitäler nun ihre Leistungen des Jahres 2012 dem Kanton und den Versicherern definitiv in Rechnung stellen; ebenso wissen sie, mit welchem Tarif sie für das Jahr 2013 und, bis auf Widerruf, für die kommenden Jahre kalkulieren können.

Damit wird ein Schlusspunkt unter ein langwieriges Verfahren gesetzt. Eigentlich hätten sich die Spitäler mit den Versicherern auf einen Tarifvertrag einigen und diesen dem Kanton zur Genehmigung vorlegen müssen. Das ist nur in wenigen Fällen erfolgt. So musste die Gesundheitsdirektion selber die Höhe der Tarife bestimmen und nun von der Regierung festsetzen lassen. Vorausblickend liess sie zugleich festlegen, in welchem Preisband künftig Tarifverträge genehmigt würden. Das hat natürlich massive Auswirkungen auf entsprechende Vertragsverhandlungen.

Gegenüber den ursprünglichen Plänen zur Tariffestsetzung ist die Gesundheitsdirektion in verschiedenen Punkten abgewichen. So wurden mehr Spitalkategorien gebildet, um den unterschiedlichen Kosten- und Patientenstrukturen gerechter zu werden. Dabei betonte Regierungsrat Thomas Heiniger erneut, dass er bei den Fallpauschalen von einer Preissetzung, nicht von einer Kostenrückerstattung ausgehe. So erhalten kostengünstige Spitäler mehr, als sie für den laufenden Betrieb und die anstehenden Investitionen brauchen würden, während teurere Spitäler damit einen Anreiz erhalten sollen, ihre Kosten zu senken.

Kein gutes Haar lässt Heiniger an der Rechnung des Schweizer Preisüberwachers, der deutlich tiefere Tarife empfohlen hatte. Dieser habe absurd hohe Abzüge gemacht – und sei so auf die tiefen Basisfallpreise gekommen, denen sich einige Versicherer, namentlich der Zusammenschluss Tarifsuisse, dankbar angeschlossen hätten: «Ein Teil der Versicherer wollte auf dem Buckel der Zürcher Härte demonstrieren.» Dabei, so fordert Heiniger, müssten diese vielmehr besorgt sein, ihre Prämien im Zusatzversicherungsbereich endlich zum Sinken zu bringen. Mit der Festsetzung liegt der Kanton ziemlich genau zwischen den Forderungen von Versicherern und aus Spitalkreisen. Thomas Heiniger sieht Zürich mit Blick auf andere Kantone in der Vorreiterrolle. Viele hätten auf die hiesige Festsetzung gewartet, um nun in ihren Verfahren auf dieser Basis arbeiten zu können.

Als Stadtzürcher Gesundheitsvorsteherin – und damit zuständig für zwei Spitäler – kritisiert Claudia Nielsen den Regierungsrat scharf. Sie habe zwar befürchtet, dass die Zahlen so herauskämen, doch sei sie überrascht, «wie wenig sich der Kanton um die Versorgungssicherheit sorgt». Sie könne sich nicht erklären, weshalb der Kanton meine, Spitäler könnten mit derart tiefen Tarifen dieselbe Leistung erbringen wie in andern Kantonen. Mit den festgelegten Tarifen bestehe die Gefahr, dass die Spitäler langfristig «ausbluten», was die medizinische Versorgung gefährde. Für das Triemlispital fordert sie daher höhere Tarife analog jenen anderer Zentrumsspitäler, sonst drohten Defizite in Millionenhöhe, die der Stadtzürcher Steuerzahler berappen müsste. Auch das Waidspital soll mehr erhalten. Aus diesen Gründen prüft nun die Stadt, den Beschluss des Regierungsrats beim Bundesverwaltungsgericht anzufechten.

Damit steht sie nicht allein da. Ähnliche Gedanken machen sich auch andere Spitäler. Und ebenso wollen sich die Versicherer nicht festlegen, ob sie die Tarife so akzeptieren werden. Verena Nold, Direktorin der grossen Einkaufsgemeinschaft Tarifsuisse, erklärt auf Anfrage, sie würden nun die Details «Spital um Spital anschauen» und dann über allfällige Beschwerden befinden.

Reto Scherrer ⋅ Alle sind unzufrieden. Auf mehr konnte der Zürcher Gesundheitsdirektor realistischerweise nicht hoffen. Seiner Präsentation der neu festgesetzten Spitaltarife vom Donnerstag sind schnell empörte Reaktionen gefolgt. Das deutet darauf hin, dass die Regierung mit ihrem Entscheid nicht allzu fest danebengehauen hat. Es ist nicht verwunderlich, dass die Tarife von Spitälern und ihren Trägerschaften – wie etwa der Stadt Zürich – als zu tief gescholten werden. Ebenso wenig ist erstaunlich, dass manche Versicherer gern tiefere Tarife gesehen hätten. Und auch der Preisüberwacher hatte an den klaren Worten aus Zürich kaum Freude.

Überraschen darf der Entscheid der Regierung aber niemanden. Die zuständigen Stellen haben nie ein Geheimnis daraus gemacht, in welche Richtung sie tendieren. Es war klar: Der Gesundheitsdirektor wollte Preise festsetzen, nicht Kosten abgelten, wie das zum Beispiel der Schweizer Preisüberwacher gefordert hatte. Diese Preise sollten sich an den bereits seit Jahren bei den Zürcher Listenspitälern erfassten Fallkosten orientieren. Dabei wurde immer deklariert, dass weder der Durchschnitt, wie das von Spitalseite verlangt wurde, noch die günstigste Klinik massgebend sein würde, worüber gerade Versicherer glücklich gewesen wären. Vom nun definierten Benchmark, der leicht unter dem kantonalen Durchschnitt liegt, war schon lange die Rede; nur die exakte Höhe des Betrags war noch offen.

Voraussehbar war, dass sich nun die einen um explodierende Kosten im Spitalwesen sorgen, während andere bange Blicke auf die Gewährleistung der Versorgungssicherheit werfen. Ob dies tatsächlich anhand der festgelegten Basisfallpreise erörtert werden soll, ist fraglich. Das neue System ist wesentlich besser als das alte, das Fehlanreize auch auf Kosten der Patienten gesetzt hatte. Der mancherorts verklärte Blick in andere Kantone trügt: Dort sind zwar heute die provisorischen Tarife höher als in Zürich, doch die Spitallandschaften sind weit weniger fit für künftige Herausforderungen; in Zürich muss kein Spital ernsthaft um seine Existenz bangen.

Zu fragen ist aber, ob es der Weisheit letzter Schluss ist, dass der Kanton als Genehmigungsinstanz für die Tarifverträge installiert wurde. Er muss nicht nur die Preise festsetzen, wenn sich Spitäler und Versicherer nicht einig werden, sondern garantiert auch die Versorgungssicherheit und kommt für stationäre Spitalbehandlungen zur Hälfte auf. Dass diese Kumulation von Aufgaben schwierig ist, zeigt sich nun erneut daran, dass sie den Kanton zum umfassenden Planer in der Spitalwelt macht.

Alle sind unzufrieden. Auf mehr konnte der Zürcher Gesundheitsdirektor realistischerweise nicht hoffen. Seiner Präsentation der neu festgesetzten Spitaltarife vom Donnerstag sind schnell empörte Reaktionen gefolgt. Das deutet darauf hin, dass die Regierung mit ihrem Entscheid nicht allzu fest danebengehauen hat. Es ist nicht verwunderlich, dass die Tarife von Spitälern und ihren Trägerschaften – wie etwa der Stadt Zürich – als zu tief gescholten werden. Ebenso wenig ist erstaunlich, dass manche Versicherer gern tiefere Tarife gesehen hätten. Und auch der Preisüberwacher hatte an den klaren Worten aus Zürich kaum Freude.

Überraschen darf der Entscheid der Regierung aber niemanden. Die zuständigen Stellen haben nie ein Geheimnis daraus gemacht, in welche Richtung sie tendieren. Es war klar: Der Gesundheitsdirektor wollte Preise festsetzen, nicht Kosten abgelten, wie das zum Beispiel der Schweizer Preisüberwacher gefordert hatte. Diese Preise sollten sich an den bereits seit Jahren bei den Zürcher Listenspitälern erfassten Fallkosten orientieren. Dabei wurde immer deklariert, dass weder der Durchschnitt, wie das von Spitalseite verlangt wurde, noch die günstigste Klinik massgebend sein würde, worüber gerade Versicherer glücklich gewesen wären. Vom nun definierten Benchmark, der leicht unter dem kantonalen Durchschnitt liegt, war schon lange die Rede; nur die exakte Höhe des Betrags war noch offen.

Voraussehbar war, dass sich nun die einen um explodierende Kosten im Spitalwesen sorgen, während andere bange Blicke auf die Gewährleistung der Versorgungssicherheit werfen. Ob dies tatsächlich anhand der festgelegten Basisfallpreise erörtert werden soll, ist fraglich. Das neue System ist wesentlich besser als das alte, das Fehlanreize auch auf Kosten der Patienten gesetzt hatte. Der mancherorts verklärte Blick in andere Kantone trügt: Dort sind zwar heute die provisorischen Tarife höher als in Zürich, doch die Spitallandschaften sind weit weniger fit für künftige Herausforderungen; in Zürich muss kein Spital ernsthaft um seine Existenz bangen.

Zu fragen ist aber, ob es der Weisheit letzter Schluss ist, dass der Kanton als Genehmigungsinstanz für die Tarifverträge installiert wurde. Er muss nicht nur die Preise festsetzen, wenn sich Spitäler und Versicherer nicht einig werden, sondern garantiert auch die Versorgungssicherheit und kommt für stationäre Spitalbehandlungen zur Hälfte auf. Dass diese Kumulation von Aufgaben schwierig ist, zeigt sich nun erneut daran, dass sie den Kanton zum umfassenden Planer in der Spitalwelt macht.