Ein 29-Jähriger muss die Kosten für eine Chefarztbehandlung an der Orthopädischen Klinik Markgröningen doch selbst bezahlen. So sieht es zumindest das Landessozialgericht in Stuttgart.

Markgröningen - Wer vor einem operativen Eingriff Verträge vorgelegt bekommt, sollte es sich sehr gut überlegen, bevor er unterschreibt. Diese Lehre wird ein 29 Jahre alter Zimmermann aus Bretzfeld (Hohenlohekreis) nun womöglich aus dem gestrigen Urteil des Landessozialgerichts Stuttgart ziehen. Für eine komplexe Knieoperation an der Orthopädischen Klinik Markgröningen (OKM) habe er sich vor die Wahl gestellt gesehen, wie er sagte. Unterschreibe ich einen Vertrag für eine Chefarztbehandlung und erhalte dafür eine Spendersehne? Oder verzichte ich und laufe dadurch Gefahr, gar nicht oder schlechter operiert zu werden?

 

Keinen Anspruch auf Operation vom Chefarzt

Der Mann unterschrieb – und muss nun die rund 1300 Euro teure Chefarztbehandlung doch aus eigener Tasche bezahlen. Das Sozialgericht Heilbronn hatte seine gesetzliche Kasse, die IKK Classic Ludwigsburg, vor gut einem Jahr dazu verdonnert, die Rechnung zu übernehmen. Doch das Landessozialgericht hob dieses Urteil gestern auf. Mit der Begründung, dass auf der Rechnung der OKM lediglich die Chefarztbehandlung erwähnt ist, aber mit keinem Wort die Spendersehne vorkomme. „Die Spendersehne hat mit der Chefarztbehandlung gar nichts zu tun“, sagte der Vorsitzende Richter gestern.

Die Kasse habe sehr wohl für die Operation bezahlt, die übliche Kostenpauschale von 3300 Euro. Es sei im System begründet, dass „eine Fallpauschale die Kosten im Einzelfall nicht komplett abdecken kann“, sagte der Richter. Gesetzlich Versicherte hätten keinen Anspruch darauf, dass ihre Kasse eine Chefarztbehandlung bezahle. Sollte die Klinik Druck auf den Patienten ausgeübt haben, „dann müsste man die Frage stellen: darf sie das überhaupt?“ Das Krankenhaus sei gesetzlich verpflichtet, „die OP von dem durchführen zu lassen, der sie beherrscht“ – und zwar zum Preis der gesetzlichen Pauschale.

Diese Ansicht brachte den Verteidiger des Patienten auf die Palme. Sein Mandant sei dann womöglich „in eine Kostenfalle gelockt worden“. Ihm sei der Eindruck vermittelt worden, dass er „keine andere Chance hat, als zu unterschreiben, damit er wieder gesund wird“. Zudem verwies er auf ein Schreiben der IKK, in dem stehe, dass „die Kosten für eine Spendersehne nicht übernommen werden“. Ob er Rechtsmittel gegen das Urteil einlege, ließ er gestern zunächst offen.

Klinik sieht sich selbst in der Kostenfalle

Olaf Sporys, Ärztlicher Direktor der OKM, weist den Vorwurf zurück, den Kläger zu einer Chefarztbehandlung überredet zu haben. „Der Mann hatte Vertrauen zu unserem Chefarzt gefasst und sich bewusst für die Operation durch ihn entschieden“, sagte Sporys. Dabei gab Sporys zu, dass der Chefarzt vor der Operation an die Krankenkasse einen Satz geschrieben habe, der die Sicht des Patienten stütze: „In meiner Abteilung führe ausschließlich ich selbst diese Operation durch.“ Die Aussage sei etwas missverständlich formuliert. Der Arzt habe versucht, die Kasse zur Bezahlung der 2500 Euro teuren Sehne zu bewegen. Er habe nur zum Ausdruck bringen wollen, dass er selbst bisher alle Spendersehnen-OPs durchgeführt habe. Oberärzte hätten das aber übernehmen können.

Insgesamt zeige der Fall, dass die gesetzlichen Kostenpauschalen für komplexere Operationen den Kliniken ein großes Defizit bescherten, sagte Sporys. Den 3300 Euro von der IKK seien Kosten zwischen 6000 und 7000 Euro gegenüber gestanden. Selbst wenn man die Chefarztbehandlung einrechne – diese habe aber nichts mit der Spendersehne zu tun – bleibe eine Finanzierungslücke. Sein Fazit lautet: „Der Mann ist hier hervorragend behandelt worden.“ Eine Aussage, der auch der Anwalt des Klägers nicht widerspricht.