Pflegekräfte haben oft alle Hände voll zu tun – die Berufskollegen dieser Frau im Klinikum der Stadt Stuttgart befürchten jetzt noch Zusatzaufgaben. Foto: dpa

Bei den Krankenhäusern der Stadt Stuttgart gibt es mächtig Ärger. Grund ist eine Neuerung bei der Führung und Leitung des Klinikums. Das Pflegepersonal, immerhin rund 2500 von 6300 Mitarbeitern, fürchtet um die Mitsprache bei wichtigen Entscheidungen.

Bei den Krankenhäusern der Stadt Stuttgart gibt es mächtig Ärger. Grund ist eine Neuerung bei der Führung und Leitung des Klinikums. Das Pflegepersonal, immerhin rund 2500 von 6300 Mitarbeitern, fürchtet um die Mitsprache bei wichtigen Entscheidungen.

Stuttgart - Mit einem Brief an Krankenhausbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) und an die Fraktionssprecher im städtischen Krankenhausausschuss hat Jürgen Lux Alarm geschlagen. Der Vorsitzende des Personalrats im Klinikum der Stadt Stuttgart beklagt sich darin über eine Änderung in der Klinikumsführung. Und die bedeute nicht weniger als eine „Machtverschiebung“ zum Nachteil der Pflegekräfte – und eine Entmachtung der Pflegedirektorin Gudrun Klein, die seit 1. April 2010 amtiert.

„Der Pflegedirektorin wird die Führungsverantwortung für die gesamte Berufsgruppe Pflege entzogen“, urteilte Lux. Diese Machtverlagerung sei ohne Information des Krankenhausausschusses und des Personalrats vorgenommen worden – „ein Unding“.

Im Intranet des Klinikums waren Lux und die anderen Beschäftigten am 17. April über die Änderung informiert worden, die rückwirkend zum 1. April gelten solle. Dabei handelt es sich um neue „Grundsätze der Führung, Planung und Steuerung der Krankenhausleitung des Klinikums“. Deren Folge sei, sagt Lux, dass bei der unterjährigen Steuerung der Klinikumszentren nur noch der Klinische Direktor Jürgen Graf, seit Anfang 2014 im Amt, sowie die Finanzdirektorin für alle Mitarbeiter in den einzelnen Zentren weisungsberechtigt seien.

Noch mehr Aufgaben für Pflegekräfte?

In der Praxis, erklärte Lux auf Nachfrage, könnten die Chefärzte an der Pflegedirektorin vorbei „jetzt Aufgaben abschieben an das Pflegepersonal“ und diesem so weitere Aufgaben aufbürden. „Bisher reinigen Putzfrauen die Infusionsständer und Ärzte nehmen Blut ab – künftig könnten dazu die Pflegekräfte angewiesen werden.“

Das Pflegepersonal sei mächtig empört, sagte Lux, und es mache immerhin rund 2500 aller 6300 Klinikum-Mitarbeiter aus. Die Krankenpflege zweifle nun an ihrer Wertschätzung. Manch einer bange um die Unabhängigkeit des Pflegeberufs, weil die Pflegedirektorin in der Führung nicht mehr beteiligt sei. Die Pflege sei nicht mehr gleichberechtigter Partner im Prozess der wirtschaftlichen Sanierung des Klinikums. Das gefährde diese Sanierung. Damit gab Schmitz genau das falsche Signal, meinte Lux. Die Maßnahme fördere nämlich die Abwanderung und schrecke die ab, die man als zusätzliche Mitarbeiter gewinnen wollte.

Nach Kenntnis des Personalratsvorsitzenden haben die Pflegekräfte und sämtliche Stationsleiter einen Protestbrief an Schmitz geschrieben. Außerdem laufe eine flächendeckende Unterschriftenaktion.

Während sich Wölfle am Montag noch im Urlaub befand, braute sich auch über dem Rathaus ein Gewitter zusammen. FDP-Stadtrat Dr. Heinz Lübbe, ein Mitglied des Krankenhausausschusses, redete gegenüber den Stuttgarter Nachrichten Klartext. Der Vorgang komme einer „gewaltigen Entmachtung“ der Pflegedirektorin gleich. „Für sie könnte es kaum schlimmer kommen – ihre Hauptaufgabe ist ihr entzogen.“

Kritik auch an der Kommunikation

Schmitz müsse dafür klare Gründe nennen. Die Entscheidung zu treffen, ohne den Ausschuss als Klinikum-Aufsichtsrat zuzuziehen, sei auf jeden Fall ein Unding. Er wisse nicht, ob Wölfle Bescheid gewusst habe, sagte Lübbe. „Wenn ja, hätte ich erwartet, dass er uns informiert.“

Grünen-Fraktionschefin Silvia Fischer mochte nicht ausschließen, dass die Maßnahme sinnvoll ist. Dass Schmitz nicht rechtzeitig mit dem Personalrat geredet habe, sei für sie aber „nicht nachvollziehbar“, sagte Fischer, die ebenfalls dem Krankenhausausschuss angehört. Sie erwarte eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung und Personalrat: „Herr Schmitz kennt ja die Kommunikationswege in einem öffentlichen Betrieb und muss wissen, dass die Vermutungen ins Kraut schießen.“ Dass man immer wieder vom Personalrat Dinge erfahre, die der Ausschuss auf einem anderen Weg hätte erfahren müssen, sei äußerst unerfreulich.

Schmitz bemühte sich am Montagabend um Entspannung. Es handle sich größtenteils um ein Missverständnis und ein „Kommunikationsproblem“. Man habe nur eine „leichte Variation der Aufgabenverteilung“ in der fünfköpfigen Führungsrunde vorgenommen. Statt zu fünft gehe man jetzt nur noch zu zweit alle zwei Wochen in die Klinikzentren, um zu schauen, ob bei der operativen Umsetzung der jährlichen Budget- und Strategiezielsetzung alles gut laufe. Die Pflegedirektorin bleibe gleichberechtigtes Führungsmitglied. Sie habe die Änderung mitgetragen. Vielleicht habe die Formulierung der Botschaft allerdings den falschen Eindruck hinterlassen, dass die Pflegedirektorin aus dem operativen Geschäft raus wäre und bei der Pflege nichts mehr zu sagen hätte. Da man im Grundsätzlichen nichts geändert habe, sei der Ausschuss aber nicht einzuschalten gewesen. Den Bürgermeister habe er im Februar informiert.