Die Vermessung der Solidarität

Ökonomen debattieren auf einer Tagung der Schweizerischen Gesellschaft für Gesundheitspolitik über die Möglichkeiten für Neuerungen im Gesundheitswesen.

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(kut.)

Die grossen Schwierigkeiten bei der Weiterentwicklung des Krankenversicherungssystems sind am Montag an einem Anlass der Schweizerischen Gesellschaft für Gesundheitspolitik einmal mehr zutage getreten. Denn die Geister der Teilnehmer schieden sich schon an der Frage, wie hoch die Umverteilung in der Grundversicherung – also etwa von Gesund zu Krank und damit grösstenteils von Jung zu Alt, von Reich zu Arm und über die Kantonsgrenzen hinweg – eigentlich ist und wie die Solidarität im Gesundheitswesen einer perfekten Welt ausgestaltet sein sollte.

Während einige Redner die Meinung vertraten, dass sich beispielsweise die Transfers zwischen Jung und Alt unter Einbezug der Rabatte für Jugendliche, der Prämienzahlung durch die Eltern sowie der individuellen Prämienverbilligungen (IPV) ungefähr die Waage hielten, sahen andere Ökonomen allein schon durch die demografische Entwicklung grössere Nachteile für die jüngere Generation. Sie müssten im Verhältnis zu den selbst verursachten Gesundheitsausgaben den mit Abstand höchsten Solidarbeitrag leisten, hiess es. Dieser steige sogar noch an, weil sich das Problem mit einer grösseren Teuerung für die Gesundheitsausgaben bei den älteren Generationen verschärfe. Die starke Belastung der 19- bis 25-Jährigen habe allerdings auch damit zu tun, dass diese Personengruppe wenig Fürsprecher in der Gesundheitspolitik habe und die Jugendlichen daher generell stark zur Kasse gebeten würden.

Gemäss Konstantin Beck, Gesundheitsökonom und Mitarbeiter der CSS-Versicherung, ist das Verhältnis von Solidarität und Eigenverantwortung im Gesundheitswesen – je nach Weltanschauung – stark umstritten. Dies zeigten bereits die Debatten, ob bestimmte Leistungen von der Grundversicherung und damit von der Allgemeinheit getragen werden sollten oder ob die Prämien in einigen Kantonen zu hoch beziehungsweise zu niedrig berechnet würden. Hinzu käme, dass sich im Krankenversicherungsgesetz planwirtschaftliche Artikel mit solchen abwechselten, die im Gesundheitswesen den Wettbewerb förderten.

Natürlich steht beim Thema Umverteilung im Gesundheitswesen immer auch der Risikoausgleich im Mittelpunkt. Diesen braucht es im System, um unerwünschte Anreize der Risikoselektion durch die Krankenkassen zu vermindern und gleichzeitig den Generationenvertrag abzusichern. Allerdings sind zahlreiche Missstände im heutigen Gesundheitswesen darauf zurückzuführen, dass es von 1996 bis 2014 nicht gelungen ist, einen adäquaten Risikoausgleich verbindlich festzulegen.