Düsseldorf Kasse: Kliniken sollen ambulant behandeln

Düsseldorf · Die Techniker Krankenkasse fordert eine radikale Krankenhaus-Reform, um die Versorgung auf dem Land sicherzustellen. Danach soll die strikte Trennung zwischen niedergelassenen und Klinik-Ärzten aufgehoben werden.

Die größte deutsche Krankenkasse fordert, in ländlichen Gebieten die Grenze zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Fachärzten aufzuheben. "Wo es Kliniken schwer haben zu überleben, brauchen wir intelligente Lösungen", sagt Günter van Aalst, Chef der Techniker Kasse in Nordrhein-Westfalen. "Bedarfsnotwendige Kliniken sollen künftig als Integrierte Versorgungszentren arbeiten, in denen ihre Fachärzte auch ambulant zum Einsatz kommen. Da in den ländlichen Gebieten häufig auch niedergelassene Fachärzte fehlen, könnte so die Patientenversorgung gesichert werden."

Das wäre eine Revolution. Bislang gibt es in Deutschland zwei Facharzt-Schienen, die streng voneinander getrennt arbeiten. Der im Krankenhaus angestellte Orthopäde oder Gynäkologe darf nicht auch ambulant behandeln. "Das könnte man in ländlichen Gebieten ändern, um Kliniken besser auszulasten und eine Schließung zu vermeiden", sagt van Aalst. Ein Aufstand der niedergelassenen Fachärzte dürfte programmiert sein.

Hintergrund der Reformpläne: In Nordrhein-Westfalen ist die Klinik-Landschaft gespalten. In Ballungszentren wie dem Ruhrgebiet, Köln und Düsseldorf gibt es zu viele Krankenhäuser, in ländlichen Gebieten droht immer mehr Häusern die Schließung. Insgesamt schreibt jede fünfte Klinik rote Zahlen. "Wir müssen das Spannungsfeld zwischen überversorgten Regionen und dem ländlichen Raum auflösen", sagt van Aalst - und nennt weitere Eckpunkte für eine Klinik-Reform.

Mehr Spezialisierung Um Qualität und Wirtschaftlichkeit der Kliniken zu steigern, müssten sie sich stärker spezialisieren. "Nicht jedes Krankenhaus muss alles anbieten. Aber was es macht, soll es gut machen", sagt van Aalst. Die zunehmende Spezialisierung bedeutet auch, dass Patienten bei planbaren Operationen längere Wege in Kauf nehmen müssen. "Ein Blinddarm oder einfacher Knochenbruch muss weiter ortsnah versorgt werden. Doch für eine Hüft-OP sind Patienten auch bereit, 100 Kilometer zu fahren", sagt van Aalst.

Mehr Wettbewerb Um die Qualität der Versorgung zu erhöhen, sollen Patienten künftig unkompliziert auf objektive Informationen wie Rückfall- oder Komplikationsraten zugreifen können. "Dazu müssen Krankenkassen und Krankenhäuser ihre Daten offenlegen und sich auf Qualitätsstandards verständigen", fordert der TK-Chef. "Auf deren Basis können Patienten dann entscheiden, welche Klinik sie für welchen Eingriff wählen." Beabsichtigter Nebeneffekt: Die Abstimmung mit den Füßen wird dazu führen, dass schlechte Häuser oder einzelne Fachabteilungen vom Markt verschwinden.

Mehr Investitionen Während die Kassen den laufenden Betrieb finanzieren, sind die Investitionen Länder-Sache. Doch NRW lässt seine Kliniken hängen. Die Krankenhausgesellschaft schätzt, dass die Investitionslücke an NRW-Kliniken drei Milliarden Euro beträgt. Die Quote der Krankenhaus-Investitionsförderung beträgt in NRW nur 3,1 Prozent, beim Spitzenreiter Thüringen sind es 6,7 Prozent. Der Bundesschnitt liegt bei 4,1 Prozent. "Weil die Länder die Schuldenbremse einhalten müssen, ist zu befürchten, dass sich die Finanzlage der Kliniken verschärft", warnt van Aalst. "Dabei brauchen Kliniken Investitionssicherheit."

Derzeit beschäftigt sich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit einer Neuordnung der Klinik-Finanzen. Viele Länder spekulieren darauf, dass der Bund einen Teil der Investitionsausgaben übernimmt. Oder der prall gefüllte Gesundheitsfonds der gesetzlichen Kassen. "Das wäre eine schlechte Lösung, weil dann nur Kassenpatienten die Investitionsmittel zahlen müssen, Privatpatienten aber nicht", warnt van Aalst.

Die Techniker Kasse hat in NRW 2,2 Millionen Versicherte und ist damit die zweitgrößte Kasse im Land.

(RP)
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