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Holding soll Klinikum und Stift betreiben Krankenhaus-Vernunftehe rückt näher

Delmenhorst. Die Vernunftehe zwischen dem Klinikum Delmenhorst und dem St.-Josef-Stift ist ein gutes Stück näher gerückt. In einem interfraktionellen Gespräch wurde der Politik nun ein Eckpunktepapier vorgestellt, das den rechtlichen Rahmen der Kooperation umreißt.
03.07.2014, 19:00 Uhr
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Von Andreas D. Becker

Die Vernunftehe zwischen dem Klinikum Delmenhorst und dem St.-Josef-Stift ist ein gutes Stück näher gerückt. In einem interfraktionellen Gespräch wurde der Politik nun ein Eckpunktepapier vorgestellt, das den rechtlichen Rahmen der Kooperation umreißt. Als nächstes muss ein medizinisches Konzept auf die Beine gestellt werden. Und das Land will als Mitgift ein immenses Sümmchen für nötige Investitionen beisteuern.

Es klingt nach einem Angebot, das man nicht ausschlagen kann: „50 Millionen Euro ist der niedersächsischen Landesregierung der Abbau von Doppelstrukturen in der Delmenhorster Krankenhauslandschaft wert.“ Das teilten das städtische Klinikum und das katholische Stift gestern in einer gemeinsamen Presseerklärung mit. Ein ganz schöner Batzen Geld, denn insgesamt stehen demnach pro Jahr 120 Millionen Euro als Gesamtfördersumme für Krankenhäuser bereit. Geld, das sich Delmenhorst nicht durch die Lappen gehen lassen möchte. Deswegen ist es wichtig, dass es schnell vorangeht mit der Fusion – auch wenn es schwierig ist, einen kommunalen und einen kirchlichen Krankenhausbetreiber zusammenzuführen.

Wenn alle Gremien und Behörden zustimmen, könnte die Holding bereits im Herbst gegründet werden. Die Landesregierung drängt wohl auch darauf, dass der erste Schritt tatsächlich schnell umgesetzt wird. Staatssekretär Jörg Röhmann hat deswegen empfohlen, fix ein gemeinsames Management zu bilden. So sollen rasch Synergien ausgenutzt werden, zudem könne auf diese Weise schneller auch im Sinne eines Hauses gedacht werden, damit der weitere Fusionsprozess mit dem noch zu erstellenden Medizinkonzept und dem noch aufzusetzenden Gesellschaftervertrag zügig voranschreitet.

Das Eckpunktepapier sieht vor, dass eine Holding gegründet wird, an der sich beide Träger zu je 50 Prozent beteiligen. Unter diesem Dach wird die Arbeit dann zunächst unverändert an beiden Standorten fortgesetzt. Auch für die Mitarbeiter soll es keine Veränderungen geben. „Konkret bedeutet dies, dass die bestehenden Vergütungssysteme sowie Versorgungsansprüche erhalten bleiben“, heißt es in der Pressemitteilung. Wie dieser Punkt in Zukunft geregelt werden soll, muss sich noch zeigen, er birgt auf jeden Fall Konfliktpotenzial. Denn im Klinikum gilt der Tarif des Öffentlichen Dienstes, die Kirche beschreitet im Arbeitsrecht den nicht immer unumstrittenen sogenannten Dritten Weg.

Wie die Krankenhäuser mitteilen, sollen nach Zustimmung des Stadtrates und des Stiftungsrates des katholischen Krankenhauses im ersten Schritt unter dem Dach der Holding doppelte Angebote abgebaut werden. „Auch notwendige Spezialisierungen, wie zum Beispiel die Einrichtung einer geriatrischen Station oder die Verbesserung der Schlaganfallversorgung, können gemeinsam effektiver und schneller umgesetzt werden.“ Wobei die Verschmelzung der beiden Häuser nicht automatisch dazu führen wird, dass es in Delmenhorst auch neue Disziplinen geben wird. Das will die Landesregierung erst später klären, in einem der sogenannten Regionalgespräche, wobei dabei auch die Krankenhäuser in Oldenburg und Bremen mit am Tisch sitzen sollen, um über die medizinische Versorgung eines größeren Gebietes zu beratschlagen.

In einem zweiten Schritt soll nach der Gründung der Holding darüber nachgedacht werden, ob es einen gemeinsamen Standort der beiden Krankenhäuser geben wird. Dazu wird jetzt eine Machbarkeitsstudie erstellt. Die soll betrachten, ob der Standort an der Wildeshauser Straße ausgebaut werden kann oder ob es im Stadtzentrum beim Stift noch Entwicklungspotenziale gibt oder ob komplett neu gebaut werden sollte. Wenn die Studie vorliegt, könnten auch die 50 Millionen Euro vom Land fließen, um damit die entsprechenden Um-, An-, Aus- und Neubauten anzuschieben. Aber das wird noch dauern, steht in der Pressemitteilung. Diese Zeit „kann die Holding jedoch bereits nutzen, um sich durch die entstandenen Synergieeffekte wirtschaftlich und medizinisch zukunftsorientiert zu positionieren“.

Und sie kann die Zeit nutzen, um die weiteren Knackpunkte abzuarbeiten. So könnte sich mit Blick auf die Frauenklinik in einem gemischt kommunal-katholischen Haus ein Streit darüber entwickeln, wie nun mit Schwangerschaftsabbrüchen und Präimplantationsdiagnostik verfahren wird. Im Klinikum wurde beides angeboten, im Stift nicht. Und so wird es laut Eckpunktepapier vorerst auch unter dem Dach der Holding bleiben. Es gibt dieses Angebot also auch weiterhin nur bei niedergelassenen Ärzten in der Stadt.

Die Stadtverwaltung und der Rat können indes die Zeit nutzen, um ein weiteres gigantisches Problem zu lösen: Wenn beide Krankenhäuser schließlich in einer Gesellschaft zusammengeführt werden, müssen sie laut Eckpunktepapier schuldenfrei sein – abgesehen von echten Verbindlichkeiten durch Investitionen. Wie aber der Schuldenberg des Klinikums abgebaut werden soll, ist noch völlig unklar.

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