Klartext um das Gesundheitssystem

Auf der 10. Krankenkassentagung von CS und EY wurden konkrete Verbesserungsvorschläge für das Schweizer Gesundheitswesen vorgelegt.

Rico Kutscher, Luzern
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Das Gesundheitssystem braucht Wettbewerb. (Bild: Keystone)

Das Gesundheitssystem braucht Wettbewerb. (Bild: Keystone)

Bei Diskussionen um das Gesundheitswesen werden die Probleme normalerweise aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen nicht beim Namen genannt. Doch an der Konferenz zur Krankenversicherung, die von der Credit Suisse sowie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zum zehnten Mal veranstaltet wurde, haben viele Teilnehmer Klartext geredet. Im Zentrum standen konkrete Möglichkeiten, überall im Schweizer Gesundheitssystem Geld zu sparen und damit weitere Prämiensteigerungen möglichst moderat ausfallen zu lassen.

Teurer Kantönligeist

Von allen Kosten im Gesundheitswesen fallen fast die Hälfte für stationäre Behandlungen an. Daher liegt in diesem Bereich das grösste Sparpotenzial. Doch genau in diesem Gebiet spielt – wie etwa Thomas Grichting, Chef der Krankenkasse Groupe Mutuel, hervorhob – der Wettbewerb am wenigsten. Teilweise liefen 26 kantonale Spitalplanungen völlig parallel, und es komme in einigen Kantonen fast zu einem Wettrüsten bei den Krankenhäusern. Dem pflichtete auch das gesundheitspolitische «Urgestein» Manfred Manser, ehemaliger Chef der Krankenkasse Helsana und heutiger Verwaltungsratspräsident des Universitäts-Kinderspitals beider Basel, bei. Er verwies auf die am Bedarf orientierte kantonsübergreifende Spitalplanung in der Nordwestschweiz, deren Umsetzung bisher aber an der Politik, sprich an der Zustimmung der Kantonsparlamente, gescheitert sei.

Thomas Heiniger, Regierungsrat und Gesundheitsdirektor des Kantons Zürich, erläuterte, dass einige Kantone anstelle einer gesetzeskonformen Planung lieber Strukturpolitik betrieben. Als Beispiel nannte er die Aufnahme der Clinica Holistica Engiadina auf die Spitalliste des Kantons Graubünden, an deren übergrossen Dimensionen sich nun die Zürcher kostenmässig beteiligen sollen. Otto Bitterli, Chef der Krankenkasse Sanitas, klagte über die vorherrschende Technokratie im System etwa bei der Festsetzung von Spitaltarifen, welche sich teilweise selbst am Leben halte und das Gesundheitswesen unnötig verteuere. Beträchtliche Zusatzkosten verursachten beispielsweise Korrekturen von provisorischen Fallpauschalen, die oftmals noch Jahre später vorgenommen werden müssten. Manser hob als Möglichkeit für Kosteneinsparungen hervor, dass über die Fallpauschalen auch Anreize für die Spitäler zu effizienten Arbeitsweisen geboten werden müssten. So sollten sich schlanke Abläufe etwa bei Kostengutsprachen mit den Krankenkassen auch in höheren Tarifen für die Krankenhäuser niederschlagen.

Trend zur Konsolidierung

Sanitas-Chef Bitterli nahm in seinem Referat zudem Bezug darauf, dass die geschäftliche Basis in der Grundversicherung Skaleneffekte sind und dieser Gedanke ausgebaut werden müsse. Zwar sei die Automatisierung bei vielen Krankenkassen bereits weit fortgeschritten – einige Versicherer verarbeiten rund 70% der Belege heutzutage vollautomatisch –, doch brauche es innerhalb der Branche mehr Partnerschaften oder Kooperationen etwa im IT-Bereich. Eine Konsolidierung unter den noch rund 60 Krankenkassen komme derzeit nicht voran, weil für die in Stiftungen, Vereine oder Genossenschaften gekleideten Gesellschaften oftmals andere als ökonomische Werte zählten. Die Assekuranz müsse zudem Entwicklungen wie «Big Data» nutzen, um individuell auf Kundenbedürfnisse und Therapien reagieren zu können.

Alle Teilnehmer unterstrichen, dass als Treiber im Gesundheitswesen nur die unternehmerische Freiheit und das Sich-am-Markt-beweisen-Müssen funktionierten. Ein zur Überregulierung neigender Staat könne eine solche Aufgabe im System nicht wahrnehmen.