Interview
Eine halbe Milliarde fürs Kantonsspital Aarau – «wir gehen keine Abenteuer ein»

Das Kantonsspital Aarau will in den nächsten neun Jahren eine halbe Milliarde Franken in Um- und Neubauten investieren. Laut Verwaltungsratspräsident Philip Funk, liegt dem Masterplan ein Finanzplan zugrunde: «Dieser ist ehrgeizig, aber erreichbar.»

Hans Fahrländer
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«Dem Masterplan liegt ein Finanzplan zugrunde. Dieser ist ehrgeizig, aber erreichbar.» Philip Funk, VR-Präsident (archiv)

«Dem Masterplan liegt ein Finanzplan zugrunde. Dieser ist ehrgeizig, aber erreichbar.» Philip Funk, VR-Präsident (archiv)

Das Kantonsspital Aarau will in den nächsten neun Jahren eine halbe Milliarde Franken in Um- und Neubauten investieren. Weil es im vergangenen Jahr nur einen bescheidenen Gewinn erwirtschaftet hat, führt das zu Fragen nach der Tragbarkeit und der Verschuldungsgrenze. Wir stellen sie Verwaltungsratpräsident Philip Funk, Rechtsanwalt in Baden.

Herr Funk, die Kantonsspital Aarau AG hat im letzten Jahr einen Gewinn von 1 Mio. Franken erwirtschaftet, dies bei einem Umsatz von über 600 Mio. Franken. Der neue Masterplan sieht Investitionen von 500 Millionen Franken bis 2023 vor. Wie will man diese grosse Summe stemmen?

Philip Funk: Ein Unternehmen finanziert seine Investitionen ja nicht aus dem Gewinn. Massgeblich ist der Cashflow, also die liquiden Mittel, die uns jährlich zufliessen. Der Cashflow lag 2013 bei rund 30 Mio. Franken. Der Gewinn drückt aus, was uns nach den Abschreibungen, also der Wertminderung von Geräten und Immobilien, noch verbleibt.

Und so gerechnet ist der grosse Investitionsbedarf zu decken?

Wir sind eines der acht grössten Spitäler der Schweiz, wir müssen zudem seit der Neuregelung der Spitalfinanzierung unsere Investitionen selber bewältigen – wir können und wollen es uns nicht leisten, finanzielle Abenteuer einzugehen. Dem Masterplan liegt ein Finanzplan zugrunde. Dieser ist ehrgeizig, aber erreichbar.

Das heisst, ein jährlicher Cashflow von 30 Mio. Franken reicht?

Nein. Unsere Berechnungen basieren auf einem nachhaltigen Cashflow von 50 Mio. Franken. Wir wollen dieses Ziel ab 2015 erreichen. Dazu braucht es sowohl Kosteneinsparungen wie auch Ertragssteigerungen. Einsparungen sind in einem Grossbetrieb wie dem KSA immer möglich, wenn man die Prozesse optimiert und die Effizienz steigert. Ein Masterplan ist auch ein Prozessoptimierungsplan.

Und die Ertragssteigerungen?

Diese ergeben sich schon allein durch die demografische Entwicklung. Die Bevölkerung nimmt zu, die Menschen werden älter. Es gibt aber noch mehr Ertragssteigerungs-Potenzial. Wir «verlieren» heute Operationen an andere Spitäler, weil wir teilweise zu lange Wartezeiten haben. Wenn wir die Operationskapazität ausbauen, steigen unsere Erträge. All unsere Vorhaben sind gekoppelt mit Effizienzsteigerungen. Wir rechnen mittelfristig mit jährlichen Mehrerträgen von mindestens 25 Mio. Franken gegenüber heute.

Und diese 50 Millionen Cashflow im Jahr – die reichen dann?

Nein. Es gibt weitere Möglichkeiten. So haben wir Immobilien im Wert von über 300 Mio. Franken, die nicht belehnt sind. Wenn wir in die Gebäudeinfrastruktur investieren, können wir – wie jeder Private auch – Fremdkapital aufnehmen.

Das Kantonsspital Baden hat im Jahr 2013 einen Gewinn von 25 Mio. Franken realisiert. Das reicht weiter.

Abgesehen davon, dass ich – als Badener! – kein feindliches Konkurrenzdenken zum KSB pflege, muss ich auf gewichtige Unterschiede zwischen KSA und KSB hinweisen. Das KSA hat als Zentrumsspital Aufgaben, die das KSB nicht hat. Dabei geht es nicht nur um Spezialisierungen, die relativ wenig beansprucht werden und deshalb teuer sind, es geht auch um die sogenannten Vorhalteleistungen. So müssen wir permanent Infrastrukturen bereithalten für Notfälle. Wir haben zum Beispiel 16 Betten auf der Intensivstation. Die sind nicht dann am teuersten, wenn sie gebraucht werden, sondern dann, wenn sie nicht gebraucht werden. Ein anderer Unterschied: Das KSB ist ein Kompaktbau, das KSA ist ein Campus mit vielen Gebäuden. Das verteuert die Abläufe. Unser Masterplan ist auch darauf ausgerichtet, diese Abläufe effizienter zu gestalten.

Der Kanton ist nicht mehr für die Investitionen zuständig – aber er spielt immerhin Bank: Er hat einen Fonds von total 1 Mrd. Franken geäufnet und stellt den Spitälern Darlehen zur Verfügung. Machen Sie davon Gebrauch?

Ja, allerdings nur in beschränktem Ausmass. Die Bedingungen sind nicht sehr attraktiv. Die Zinsen sind nicht besonders günstig – und die Rückzahlungsfrist von 12 Jahren ist sehr ehrgeizig. Üblicherweise richten sich die Fristen für Immobilien nach ihrer Lebensdauer von 30 bis 50 Jahren. Da fahren wir günstiger, wenn wir zu einer «normalen» Bank gehen.

Themenwechsel. Die Politik hat das Ansinnen, KSA und KSB unter einem Dach zusammenzuführen, fallen gelassen. Sind Sie froh?

Ja. Zwar ist klar: Die heutige Spitallandschaft mit rund 360 Häusern ist viel zu dicht besetzt. Wahrscheinlich würde ein Sechstel davon für eine hochwertige Versorgung der Bevölkerung genügen. Doch auch wenn man von 60 Einheiten ausgeht – KSA und KSB sind dabei. Dass es sie braucht und dass sie gut arbeiten, ist bewiesen. Man soll sie jetzt in Ruhe weiterarbeiten lassen, selbstverständlich unter Ausnützung aller Synergiemöglichkeiten.

Gibt es im Aargau keine Spitalschliessungen mehr?

Dass Behörden Spitäler schliessen – wie es Regierungsrat Ernst Hasler mit dem Bezirksspital Brugg gemacht hat –, das ist wohl vorbei. Der Markt soll entscheiden, ob allenfalls weitere Häuser verschwinden. Ich wundere mich aber schon etwas, wie Politik und Medien im Aargau ständig die Daseinsberechtigung der beiden Kantonsspitäler diskutieren – doch die Regionalspitäler kommen ungeschoren davon. Vielleicht müsste man hier auch einmal etwas genauer hinschauen.

Die Leute haben halt gern «ihr» Spital vor ihrer Haustüre.

Aber wenn Wirtschaftlichkeit und Qualität im Zentrum stehen sollen, dann ist es erlaubt, nicht nur über Anfahrtswege, sondern auch über Angebote zu diskutieren. Komplexe und eher seltene Operationen brauchen eingespielte Teams, möglichst hohe Fallzahlen und eine entsprechende Infrastruktur. Und da stossen kleinere Spitäler an ihre Grenzen.