Pfleger unter Mordverdacht :
Ermittler lassen acht Leichen exhumieren

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Oberstaatsanwalt Thomas Sander erläutert vor der Presse die notwendig gewordenen Exhumierungen im Raum Oldenburg.
Mehr als 200 Patienten könnte ein Krankenpfleger in Norddeutschland getötet haben. Jetzt lässt die Polizei die ersten Leichen ausgraben, um die genaue Todesursache zu ermitteln.

Im Fall des unter mehrfachem Mordverdacht stehenden Krankenpflegers Niels H. aus Delmenhorst lässt die Staatsanwaltschaft Oldenburg in den kommenden Wochen acht Leichen exhumieren. Die sterblichen Überreste sollen auf Spuren des Herzmedikaments Gilurytmal untersucht werden, sagte der Oldenburger Polizeipräsident Johann Kühme am Montag. Mit dem Mittel soll H. seine Opfer getötet haben.

Noch sei nicht klar, wie viele Exhumierungen insgesamt nötig werden. Nach dem aktuellen Ermittlungsstand müssten jedoch Gräber auf „einer mittleren zweistelligen Zahl an Friedhöfen“ im Nordwesten Niedersachsens geöffnet werden. Die Sonderkommission „Kardio“ ermittle in 174 Verdachtsfällen.

Angehörige sind informiert

Die Gräber sollten in größtmöglicher Diskretion und Würde geöffnet werden, sagte Kühme. Alle Angehörigen seien umfassend informiert worden. Sie hätten „betroffen aber gefasst“ reagiert. Besonders geschulte Mitarbeiter stünden für Beratungsgespräche zur Verfügung. Der Leiter der Sonderkommission, Arne Schmidt, unterstrich, dass die Leichen noch am selben Tag wieder in einem neuen Sarg bestattet werden sollen.

Auf welchem Friedhof in der Region die Ermittler Leichen ausgraben lassen werden, wollten sie nicht sagen. „Wir wollen verhindern, dass viele Schaulustige das Geschehen vor Ort verfolgen“, sagte der Präsident der Polizeidirektion Oldenburg, Johann Kühme. Aus Rücksicht auf deren Gefühle wird die Polizei den Friedhof während der Exhumierung absperren.

Pfleger gestand Tötung von mehreren Dutzend Menschen ein

Der frühere Pfleger muss sich zurzeit vor dem Landgericht Oldenburg wegen dreifachen Mordes und zweifachen Mordversuchs an Patienten auf der Delmenhorster Intensivstation verantworten. Im Prozess hat er jedoch gestanden, für den Tod von bis zu 30 Patienten verantwortlich zu sein. Die Polizei untersucht an dem Klinikum allein 174 Verdachtsfälle. Ein Gutachter hat inzwischen die Krankenakten von 23 Patienten analysiert. Bei 12 von ihnen sei der Tod nicht anhand des Krankheitsverlaufs erklärbar, sagte die zuständige Oberstaatsanwältin Daniela Schiereck-Bohlmann.

Dazu kommen mehr als 20 verdächtige Todesfälle am Klinikum Oldenburg, wo der Pfleger vor seiner Zeit in Delmenhorst gearbeitet hat. Außerdem überprüfen die Ermittler den Tod von acht Patienten bei den Rettungssanitätern im Kreis Oldenburg, für die der Pfleger von 2002 bis 2005 in seiner Freizeit fuhr. Der Angeklagte bestreitet, an anderen Orten als am Delmenhorster Klinikum Menschen geschadet zu haben.

„Es handelt sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren“, betonte Schiereck-Bohlmann. Deshalb könnten jederzeit neue Verdachtsfälle dazukommen. Wie viele Leichen die Ermittler am Ende exhumieren müssten, sei noch nicht absehbar.