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Operationen der Schamlippen werden zum Trend

Hinter dem Wunsch nach der Verkleinerung der Schamlippen stecken oft körperliche Beschwerden oder ein angeschlagenes Selbstwertgefühl Hinter dem Wunsch nach der Verkleinerung der Schamlippen stecken oft körperliche Beschwerden oder ein angeschlagenes Selbstwertgefühl
Hinter dem Wunsch nach der Verkleinerung der Schamlippen stecken oft körperliche Beschwerden oder ein angeschlagenes Selbstwertgefühl
Quelle: pa/Bildagentur-online/Die Welt
Korrekturen an Brust, Bauch und Po reichen nicht mehr – immer mehr junge Frauen wünschen sich auch eine schönere Scheide und lassen ihre Schamlippen chirurgisch modellieren. Der Eingriff ist riskant.

Einen derartigen Ansturm hat es noch nie gegeben, berichten Intimchirurgen: In aller Welt lassen sich immer mehr Menschen an ihren Genitalien operieren. Die größten Zunahmen gibt es bei der Korrektur der kleinen Schamlippen. In England hat sich die Zahl der Schamlippenoperationen innerhalb von zehn Jahren verfünffacht, und der nationale Gesundheitsdienst NHS hat in den Jahren von 2008 bis 2012 sogar bei 266 Mädchen unter 14 Jahren die Kosten dafür übernommen. In Deutschland werden mittlerweile in einem Jahr mehr als 7000 Operationen an den Schamlippen durchgeführt – meistens bei Frauen zwischen 16 und 35 Jahren.

„Die typische Patientin in unserer Praxis, die sich für eine Verkleinerung der inneren Schamlippen interessiert, ist Mitte Zwanzig, kinderlos und im Intimbereich vollständig enthaart“, berichtet der Münchner Schönheitschirurg Dominik von Lukowicz im Fachblatt „Journal für Ästhetische Chirurgie“.

Hinter dem Wunsch nach einer Korrektur der Schamlippen (Labien) steckt meistens eine Mischung aus körperlichen Beschwerden, Problemen beim Sex und angeschlagenem Selbstwertgefühl. Viele Betroffene empfinden ihr Äußeres als Handicap, das ihnen den Besuch in Schwimmbad oder Sauna verleidet, beim Fahrradfahren stört und beim Sex als Lustbremse wirkt.

Sex nicht mehr nur im Dunkeln

Alexandros Bader, Frauenarzt und Schönheitschirurg aus Athen und Vorsitzender der Europäischen Gesellschaft für Ästhetische Gynäkologie beurteilt die Entwicklung verständlicherweise positiv: „Die Menschen haben nicht mehr nur im Dunkeln Sex und kennen ihre Anatomie sehr gut. Die Intimchirurgie, und hier voran die Vaginalverjüngung, ist weniger ein Trend der Schönheitsindustrie als ein weiterer Schritt des Bedürfnisses nach Jugendlichkeit, einem erfüllten Liebesleben und einem gepflegtem Aussehen“.

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Einen weiteren Grund für die Korrekturwünsche sieht Privat-Dozentin Ada Borkenhagen von der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig im anscheinend unaufhaltsamen Trend zur Intimrasur: „Durch die Mode der Intimrasur fallen die individuellen Unterschiede der weiblichen Genitalien stärker auf. Das massenmedial etablierte Intimideal folgt dabei der allgemeinen Schönheitsnorm von Jugendlichkeit: Gefragt ist ein Genitale, das wie das eines jungen Mädchens aussieht und der Oberseite eines Brötchens gleicht, wobei die äußeren Schamlippen die inneren verdecken und die Schamlippen in engen Tangas oder Bikinihöschen nicht auftragen sollen“.

Schmetterling oder Muschel?

Eine ähnliche Zielvorgabe verkündet der Münchner Intimchirurg Stefan Gress, der sich im Internet mit den von Medien verliehenen Attributen „Labien-Papst“ und „Vagina-Picasso“ schmückt: „Für die meisten Frauen unseres Kulturkreises sieht der ‚optimale‘ äußere Genitalbereich in der Regel so aus, dass straffe äußere Schamlippen die inneren vollständig bedecken, ähnlich der Form einer geschlossenen Muschel“.

So helfen 3D-Drucker in der plastischen Chirurgie

Die Entwicklung der 3D-Drucker kann im medizinischen Bereich vieles erleichtern. So hilft der Drucker beispielsweise Schönheitschirurgen, ihren Patienten die angedachten Korrekturen zu illustrieren.

Quelle: Reuters

In anderen Ländern könnten Chirurgen mit solchen Angaben kaum Frauen in ihre Praxen locken. So berichtet Intimchirurg Thomas Gohla aus Karlsruhe im „Journal für Ästhetische Chirurgie“: „In Europa wird von den meisten Frauen als schön empfunden, wenn die äußeren Schamlippen die inneren kleinen Schamlippen gerade bedecken. In Japan dagegen gilt ein schmetterlingsflügelhaftes Aussehen der Schamlippen als ideal, in manchen afrikanischen Ländern sogar ein besonders langes Hervorhängen der inneren Schamlippen“.

Bei den Begriffen Schönheitschirurgie oder kosmetische Chirurgie handelt es sich übrigens nicht um geschützte Berufsbezeichnungen. Theoretisch kann deshalb jeder Arzt auch ohne eine entsprechende Qualifikation Schönheitsoperationen durchführen. Viele der Anbieter haben keine fachärztliche Weiterbildung für die plastische und ästhetische Chirurgie absolviert. Im Bereich der ästhetischen Chirurgie kann nach Gesetzeslage jeder Arzt tätig werden kann, nach dem Motto: „Wer kann, der darf“.

Große Unterschiede

Bisher haben sich die Mediziner noch nicht einmal auf ein einheitliches System zur Vermessung der Schamlippen einigen können. Doch wann können die Labien wirklich als zu groß bezeichnet werden? Ada Borkenhagen sagt: „Es liegen bisher keine validen Studien über Länge und Größe der äußeren weiblichen Genitalien vor. Lediglich Lloyd und Kollegen haben die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane von 50 Patientinnen in Großbritannien vermessen und dabei eine große Variationsbreite hinsichtlich Größe und Form der inneren und äußeren Schamlippen und der Klitoris gefunden.“

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Die Längen der inneren Schamlippen variierten zwischen 7 und 50 Millimeter, mit einer mittleren Länge von 21,8 Millimeter. Eine Verkleinerung der Schamlippen könne deshalb erst bei einer Länge zwischen drei und fünf Zentimetern erwogen werden.

Kaum Reue nach dem Eingriff

Die Anbieter von Verschönerungen von Vulva und Vagina versprechen den Frauen ein besseres Sexleben und den freien Umgang mit der Sexualität. Ob die Modellierung ihrer Vagina die Frauen tatsächlich glücklicher macht, versuchte die Forschergruppe um David Veale vom King’s College in London mit Hilfe einer prospektiven Fall-Kontroll-Studie zu beantworten.

Das Ergebnis war überraschend positiv: 25 der 26 Teilnehmerinnen waren drei Monate nach dem Eingriff mit dem Erscheinungsbild ihres Geschlechtsorgans deutlich zufriedener und auch sexuell erfüllter als zuvor. Von den 23 Frauen, die auch noch nach elf bis 42 Monaten befragt werden konnten, waren 21 immer noch glücklich mit dem Ergebnis. Eine Frau bereute den Eingriff.

Auch Dominik von Lukowicz berichtet, dass die 526 Patientinnen, die zwischen 2010 und 2013 in seiner Praxis operiert wurden, zufrieden sind: „Die Patientenzufriedenheit ist sehr hoch. Mit der Funktion sind 93 Prozent der operierten Patientinnen zufrieden oder sehr zufrieden. Mit der Ästhetik sind 91 Prozent zufrieden und sehr zufrieden. Über 99 Prozent der Patientinnen würden die Operation so direkt wieder durchführen lassen. Die allgemeine Zufriedenheit und Selbstsicherheit der befragten Patientinnen hat sich durch den operativen Eingriff enorm gebessert“.

Risiko wird verharmlost

Der Eingriff zur Labienverkleinerung wird von den Schönheitschirurgen gern als unkompliziert und risikoarm bezeichnet. Die Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe warnt deshalb in einer Stellungnahme: „Zu den Komplikationen und Risiken dieser Eingriffe zählen Wundheilungsstörungen und Entzündungen, Narbenbildungen, Sensibilitätsstörungen mit herabgesetzter sexueller Empfindlichkeit, veränderte taktile Empfindungen bis hin zu deutlichen Funktionsbeeinträchtigungen des Genitale.“

Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) oder das Nicht-Eintreten der gewünschten Stimulationswiederherstellung gehörten dazu. Durch die Narbenbildung, Asymmetrie könne es zudem zu Schmerzen beim Gehen, Sitzen, bei sportlicher Betätigung und beim Geschlechtsverkehr kommen – auch noch Jahre nach der Operation. „Sie können das Sexualleben und die Lebensqualität beeinflussen.“

Die DGGG hat deshalb nach dem Beispiel des American College of Obstetricians and Gynecologists Empfehlungen für genitalkosmetische Maßnahmen formuliert. Sie fordert, dass die Motive für die Operation vor dem Eingriff genau abgeklärt werden müssen und dass ein körperlicher Befund vorliegen müsse. Es müsse darüber aufgeklärt werden, dass bisher keine ausreichenden wissenschaftlichen Daten darüber vorliegen, ob diese Eingriffe zu anhaltenden psychischen oder funktionellen Verbesserungen führen.

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Risiken wie Infektionen, veränderte Sensibilität, Dyspareunie, Verwachsungen und Narben müssten umso detaillierter erklärt werden, je weniger der Eingriff den Charakter einer ärztlichen Heilmaßnahme hat. Diese ausführliche Aufklärung müsse zudem sorgfältig dokumentiert werden.

Die Gesellschaft betont auch, dass der Schönheitschirurg die Frauen darüber aufklären muss, dass es bislang keine wissenschaftlich erarbeiteten Operationsstandards gibt, die bei unzureichenden Operationsergebnissen als Klagegrund verwendbar wären.

Hohe Kosten

Die Modellierung einer „Designer-Vagina“ kann viel Geld kosten: Für die Verkleinerung oder Straffung werden zwischen 800 und 3000 (in der Schweiz 4000) Euro verlangt.

Das boomende Geschäft mit der Intimsphäre hat übrigens auch zu einer verwirrenden Vermehrung der Fachgesellschaften geführt: Zu den drei Gesellschaft der plastischen und ästhetischen Chirurgie DGPRÄC, DGÄPC und GÄCD gesellen sich mittlerweile auch eine „Deutsche Gesellschaft für Intimchirurgie und Genitalästhetik“ (DGintim) und eine „Gesellschaft für ästhetische und rekonstruktive Intimchirurgie“ (GÄRID). Die letztgenannte Vereinigung aus Chirurgen, Dermatologen, Gynäkologen, plastischen Chirurgen, Urologen und anderen interessierten Ärzten trifft sich Anfang März bereits zu ihrer dritten Jahrestagung. Der diesjährige Tagungspräsident: Dominik von Lukowicz.

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Die Nase zu groß, die Augen zu klein: Wenn manche Menschen in den Spiegel sehen, scheint eine Grimasse zurückzustarren. Dabei sehen sie normal aus. Sie leiden unter einer körperdysmorphen Störung.

Quelle: Die Welt

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