Claudia Horn aus Aschach ist in den letzten Wochen der Schwangerschaft. In den nächsten Wochen wird die 34-Jährige ihr zweites Kind im Helios St. Elisabeth Krankenhaus in Bad Kissingen auf die Welt bringen. "Ich kann mir nicht vorstellen, woanders hinzugehen", sagt sie. Ihr gefällt die kleine, überschaubare Geburtsstation. "Hier ist alles so familiär, man fühlt sich zuhause."

Horn gehört zu der letzten Handvoll Frauen, die in naher Zukunft im
Landkreis Bad Kissingen entbinden werden, Hausgeburten einmal ausgenommen. Ende Februar hatte der neue Eli-Klinikleiter Sebastian Güldner mitgeteilt, beide Kreißsäle - die letzten des Kreises - vorläufig schließen zu müssen. Die Klinik war nicht mehr in der Lage, den Betrieb aufrecht zu erhalten, weil mit Gabriela Kruppa nur noch eine Beleghebamme am Eli geblieben ist. Die letzte Kollegin hatte Ende Januar gekündigt. Beleghebammen sind nicht beim Krankenhaus angestellt, sondern werden von der Krankenkasse pro Geburt bezahlt. Weil zuletzt die Geburtszahlen am Eli gesunken sind, wurde es für die Hebammen immer schwerer, die eigene wirtschaftliche Existenz zu sichern. Viele entschieden sich auch deshalb für die Freiberuflichkeit.

Seit 1. März gilt die Zwangspause, aktuell werden noch die Babys auf die Welt gebracht, deren Mütter sich vorher angemeldet hatten. "Ich habe das Glück, dass ich noch hierher darf", sagt Horn. Sie ist erleichtert. Die Nachricht von der Schließung hatte sie schockiert. Horn hätte nur ungern in einer weiter entfernten und größeren Klinik wie dem Leopoldina in Schweinfurt entbunden. Carolin Hartung aus Eltingshausen sieht das ähnlich. Die zweifache Mutter zieht die familiäre Atmosphäre im Eli einer großen Geburtshilfe vor. "Das in Schweinfurt ist eine Massenabfertigung", sagt sie.

Kein Zuspruch auf Ausschreibung

Klinikleiter Güldner bekennt sich nach wie vor zur Geburtshilfe im Eli, auch wenn er bislang keine Erfolgsnachricht zu vermelden hat. Vier bis fünf Hebammen braucht das Krankenhaus, um die Geburtshilfe zu betreiben. "Auf die Stellenausschreibungen hat sich niemand gemeldet", sagt Güldner. Er betont, dass die Suche nach einer langfristigen Lösung oberste Priorität hat. Die Wirtschaftlichkeit spiele nicht die übergeordnete Rolle. Gleichwohl wies er darauf hin, dass er gegenüber der Klinik als Ganzes die Verantwortung trage und die Entwicklung genau abwägen müsse.

Die Klinik hat alle 19 Hebammen aus dem Kreis angeschrieben und vergangene Woche zu einem Treffen eingeladen. Der Zuspruch war überschaubar, fünf Frauen nahmen an dem Gespräch teil. "Wir hatten uns über die Voraussetzungen unterhalten, die es braucht, um die Geburtshilfe zu erhalten", sagt Güldner. Eine verbindliche Einigung wurde nicht erzielt, allerdings signalisierten die Hebammen weitere Gesprächsbereitschaft. "Sie können sich grundsätzlich vorstellen, dass eine Zusammenarbeit möglich ist. Wir müssen jetzt die Möglichkeiten ausloten", fasst er das Treffen zusammen.

Die Hebammen fordern einen Neustart. "Das Grundproblem ist, dass das Eli einen schlechten Ruf hat, sowohl bei den Frauen, als auch bei den Hebammen", sagt Franziska Stoewer. Sie ist die Kreissprecherin des Bayerischen Hebammenverbandes in Bad Kissingen und hat bis Ende Dezember im Eli gearbeitet. Das Treffen hat sie aus terminlichen Gründen verpasst.

Konstruktive Gespräche

Stoewer findet, dass die Klinik besser ist, als der Ruf, den sie hat, aber: "Es gibt schon den einen oder anderen Punkt, an dem Kritik gerechtfertigt ist", meint sie. "Ein großes Problem ist die Station." Frauen im Wochenbett sollten baulich getrennt in einer eigenen Station betreut werden. Zudem müsste das Pflegepersonal aufgestockt werden.

Kollegin Mareike Kraus wertet den Dialog als konstruktiv. Die Klinikleitung habe aufmerksam zugehört und die Kritik aufgenommen. Generell sieht sie eine Chance für die Geburtshilfe am Eli, aber Kraus macht deutlich: "Ich würde nicht zurückkehren, wenn kein klarer Schnitt gemacht wird."

"Ich habe das eine oder andere aus den Gesprächen mitgenommen", sagt Güldner. Der Ball sei jetzt wieder bei der Klinik. "Wir rechnen jetzt, wie das funktionieren kann."

Entbinden bei der Konkurrenz


Die vorläufige Schließung der Geburtshilfe am Helios St. Elisabeth Krankenhaus vor zwei Wochen hat derzeit noch keine nennenswerten Auswirkungen bei den nächstgelegenen Kliniken. Bei der Kreisklinik Bad Neustadt haben sich seit März nicht vermehrt Eltern aus dem Landkreis Bad Kissingen für eine Entbindung angemeldet. "Es lässt sich noch keine Tendenz erkennen", heißt es auf Nachfrage. Ähnlich sieht es beim St. Josef Krankenhaus in Schweinfurt aus. Auch das Leopoldina (Schweinfurt) und das Klinikum Fulda können zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehen, ob und wie sich der Zulauf aus Bad Kissingen entwickelt.

Professor Michael Weigel, Leiter der Geburtshilfeklinik am Leopoldina, erwartet aber einen Anstieg. "Wir haben seit einigen Jahren steigende Geburtenzahlen", sagt er. Nach der Schließung der Geburtshilfe in Werneck wird etwa die Hälfte der von dort stammenden Entbindungen jetzt im Leopoldina übernommen. Im Hinblick auf das Eli schätzt er, dass die Entwicklung sich ähnlich verhält.

Generell haben die benachbarten Kliniken in den letzten Jahren mehr Zuspruch aus dem Landkreis Bad Kissingen bekommen. Das St. Josef Krankenhaus verzeichnete letztes Jahr einen Anstieg von 18 Geburten (von 77 auf 105), am Klinikum Fulda wurden 2014 fast doppelt so viele Kinder aus Bad Kissingen geboren wie noch 2011 (von 23 auf 38). "Der Anstieg der Zahlen zeigt, dass unser Klinikum für werdende Mütter aus dem Landkreis Bad Kissingen eine echte Alternative darstellt", sagt eine Sprecherin aus Fulda.

Am Leopoldina hat die Zahl der Geburten aus dem Landkreis Bad Kissingen schon in den letzten Jahren deutlich zugenommen, von 160 Neugeborenen vor fünf Jahren auf 217 im vergangenen Jahr. Professor Weigel versichert aber, dass auch langfristig ein größerer Zustrom aus Bad Kissingen seine Klinik nicht an die Kapazitätsgrenzen bringt. Es seien genügend Räume und Personal vorhanden. Mehr als 1300 Babys wurden hier letztes Jahr auf die Welt gebracht, bis zu elf davon am Tag. Die Bad Kissinger "gehen im Rauschen und Schwingen der Zahlen unter", sagt Weigel.