Wogen der Empörung schlagen dem Klinikchef Jörg Martin und dem Landrat Rainer Haas bei einem Informationsabend zum Umbau der kleinen Vaihinger Klinik entgegen. Hauptkritikpunkt ist die offenbar dünne Faktenbasis von Martins Gutachtern.

Vaihingen/Enz - Schon bevor die Kritik in der Vaihinger Stadthalle so richtig laut wurde, sahen sich der Landrat des Kreises Rainer Haas und der Kliniken-Chefmanager Jörg Martin genötigt, eines zu betonen: sie hätten am Montagabend lieber mit dem Oberbürgermeister Gerd Maisch ein Gläschen Wein getrunken, als den rund 450 Anwesenden in der rappelvollen Stadthalle ihre unpopulären Pläne für das Vaihinger Krankenhaus zu erläutern.

 

Wie berichtet wollen Martin und Haas – und mit ihnen eine Mehrheit des Kliniken- Aufsichtsrats – das Vaihinger Krankenhaus einer radikalen Schrumpfkur unterziehen. Statt der bislang 60 Betten soll das Haus künftig nur noch mit sechs bis zehn Betten arbeiten. Als Scharnier zwischen ambulanter und stationärer Versorgung sollen vor allem ältere Patienten hier unterkommen, allerdings nur noch tagsüber. Wer länger bleiben muss, soll demnach nach Ludwigsburg oder Bietigheim, zu dessen Außenstelle Vaihingen werden soll.

„Kann nicht garantieren, dass die Kassen mitmachen“

Der Grund für den radikalen Schnitt ist das laut Martin konstant hohe Defizit, das in den kommenden Jahren auf zwei Millionen Euro anzuwachsen drohe. Mit der geplanten Tagesklinik soll der Zuschuss auf rund 1,1 Millionen Euro gesenkt werden, und das bei moderaten Investitionen von rund 500 000 Euro. Allerdings räumte er auch ein, dass dahinter noch ein Fragezeichen stehe: „Ich kann nicht garantieren, dass die Krankenkassen bei der Finanzierung mitmachen.“ Die Option sei für Vaihingen aber immer noch besser als eine Totalschließung.

Zahlreiche aufgebrachte Bürger meldeten sich zu Wort. „Vaihingen soll ausbluten“, hieß es, oder: „Dass wir neuerdings auch in der Kreispolitik verarscht werden, gefällt mir nicht.“ Der Landrat bat die Teilnehmer darum, sich nicht im Ton zu vergreifen. Scharfe Kritik an der Schrumpfkur äußerte auch der Vaihinger Oberbürgermeister und Freie-Wähler-Kreisrat Gerd Maisch. Wenn der letztlich zuständige Kreistag am 27. April für den radikalen Umbau des Krankenhauses stimme, „dann werde ich dem Gemeinderat vorschlagen, eine Veränderungssperre zu verhängen“. Damit könne im Krankenhausareal nichts ohne die Zustimmung der Stadt geschehen.

„Ihr Gutachter hat nie mit uns gesprochen“

Im Umgangston freundlich, aber in der Sache am schärfsten fiel die Kritik der zahlreich im Saal vertretenen Mediziner des Ärztehauses Vaisana aus. Christoph Schöll, Internist und einer der Vaisana-Geschäftsführer, hatte zuvor bei Kreisräten und dem Klinikchef für einen Umbau des Krankenhauses geworben. Ohne Chirurgie und reduziert auf rund 30 Betten könne das Haus durch eine engere Verzahnung mit dem benachbarten Vaisana zu einem Zentrum für Alters-Intensivmedizin gemacht werden.

Laut dem vom Klinikmanagement bestellten Gutachter liegt bei diesem Modell der jährliche Zuschuss immer noch bei knapp zwei Millionen Euro, es wären allerdings zunächst Investitionen von rund sechs Millionen Euro nötig. Damit sei das Krankenhaus auf Dauer nicht zu retten. Für viele überraschend meldete sich Schöll jedoch am Montag zu Wort und kritisierte, dass „Ihre Gutachter nie ein Wort mit uns gesprochen haben“. Die Vorteile seines Modells und die dahinter stehenden Zahlen und Synergien seien somit nicht ins Gutachten eingeflossen. Weder Haas noch Martin widersprachen. Der Landrat hielt lediglich fest, dass „der Kontakt zu den Vaisana-Ärzten gepflegt“ werden solle. Das brachte viele Zuhörer erst Recht auf die Palme – immerhin steht bereits in rund drei Wochen, am 17. April, die wichtige Vorentscheidung im Kliniken-Aufsichtsrat an. Von einem „Schweinsgalopp“ war die Rede im Saal, Bürger warfen Haas und den Kreisräten vor, nach dem Motto „Augen zu und durch“ zu verfahren.

Der Pförtner, den es nicht gibt

Für relativ wenige Patienten müssten relativ hohe Kosten vorgehalten werden, argumentierte Martin. Beispielsweise ein Pförtner, der auch nachts arbeite. Nach Informationen unserer Zeitung gibt es in Vaihingen, anders als etwa in Bietigheim oder Ludwigsburg, aber längst keinen Pförtner mehr, nur eine Patientenaufnahme bis 20 Uhr. Sauer waren viele Zuhörer, weil das Krankenhaus Marbach ähnlich hohe Defizite aufweist wie Vaihingen, aber erhalten werden soll. Der Versuch des Landrats, den Volkszorn zu besänftigen, misslang. „Über Marbach ist noch nicht entschieden“, sagte Haas. „Es soll aber mit hohem Investitionsvolumen erweitert werden“, konterte Maisch unter dem Applaus der Zuhörer.

Stimmen von Vaisana-Ärzten und Krankenhauspersonal

Dieter Walbrecht, Arzt und Mitbegründer des Vaisana: „Dieses Konzept ist eine Worthülse. Sie haben weder organisatorisch noch fachlich dafür Weichen gestellt. Dabei hat Ihr Vorgänger vertraglich garantiert, dass zur Sicherung des Krankenhauses das medizinische Angebot weiterentwickelt wird und dafür personelle und räumliche Bedingungen geschaffen werden.“

Karl Bausch, Internist im Ärztehaus Vaisana: „Sie präsentieren uns hier eine Mogelpackung. Ich glaube, Sie wissen selber nicht, was da drin ist. Dafür stellen Sie das Modell von Herrn Schöll völlig falsch dar. Sie interpretieren Ihre Zahlen so, wie es Ihnen ins Konzept passt. Das Potenzial altersmedizinischer Intensivfälle ist in Wirklichkeit viel größer als von Ihnen dargestellt.“

Wolfram Rödl, Chirurg im Ärztehaus Vaisana: „Die Chirurgie im Krankenhaus ist für unsere Praxis im Vaisana wichtig. Herr Dr. Klötzer hat dort schon oft ohne zu murren Patienten von uns übernommen. Wenn unsere Praxis in Ihrem Modell die Chirurgie übernehmen soll, wäre das schlicht nicht möglich. Wir sind am oberen Ende dessen angelangt, war wir leisten können.“

Petra Hetzel, Unternehmensberaterin aus Vaihingen: „Sie präsentieren uns hier eine Bankrotterklärung. Sie haben seit Jahren darauf gesetzt, dass wertvolle Bauplätze rund ums Krankenhaus verkauft wurden, die man vielleicht für die Entwicklung des Hauses gebraucht hätte. Vaihingen wächst permanent. Bei Ihrem Beratungstempo haben wir kaum Chancen, Einfluss zu nehmen.“

Bärbel Pfeil, Mitarbeiterin im Krankenhaus Vaihingen: „Was Sie sagen, stimmt nicht: nachts wird das Vaihinger Krankenhaus sehr wohl von Notärzten angefahren. Sie können gerne mal zu uns kommen, wir haben alles dokumentiert. Wie soll das funktionieren, wenn die Patienten abends verlegt werden müssen? Es gibt jetzt schon zwei, drei Stunden Wartezeit bei Transporten.“

Kommentar: Entscheidung ohne Fundament

Kliniken - Je mehr sich der Nebel der Gerüchte lichtet, je mehr vage Fakten zur Zukunft des Vaihinger Krankenhauses ans Licht kommen, desto mehr zeigt sich: das Klinikmanagement muss sich zwei ganz zentrale Versäumnisse vorwerfen lassen. Die Geschäftsführung verstößt erstens gegen den Gründungsvertrag des Ärztehauses Vaisana, in dem das Wörtchen „Standortgarantie“ vorkommt. Justiziabel ist das nicht. Aber dass darüber still schweigend hinweg gegangen wird, ist deshalb noch lange nicht in Ordnung.

Und zweitens, schlimmer noch: obwohl Jörg Martin, der Chefmanager der Kliniken, stets versprochen hat, dass das Reformmodell des Vaisana-Geschäftsführers Christoph Schöll „untersucht und durchgerechnet“ werde, haben sich die Gutachter nie bei den Ärzten oder Schöll selbst gemeldet. Diese Variante wurde offenbar nur zum Schein und auf wackeliger Basis geprüft. Es muss also nachgearbeitet werden – auch wenn das den straffen politischen Zeitplan über den Haufen wirft.

Gut möglich, dass auch ein detailliertes Gutachten nicht die Rettung des Krankenhauses bedeuten würde. Doch der Kreistag und der Aufsichtsrat können eine so weitreichende Entscheidung keinesfalls ohne sicheres Fundament treffen. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass das angebliche Rettungsmodell von Martin in Wahrheit nur ein Schwarzer-Peter-Modell ist. Sollten die Krankenkassen bei der Finanzierung dieses neuartigen Modells nicht mitmachen, hätte das Management einen Schuldigen für die dann wohl fällige Schließung. Und der Landrat hätte Wort gehalten – er hat ja eine Schließung niemals vorgeschlagen.