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Gebärmutter wird oft zu leichtfertig entfernt

Unterleib einer Frau mit schematischer Darstellung der inneren weiblichen Geschlechtsorgane des Menschen: Gebärmutter (Uterus) mit Gebärmutterhals (Zervix), Eileiter und Eierstöcke (Ovarien) Unterleib einer Frau mit schematischer Darstellung der inneren weiblichen Geschlechtsorgane des Menschen: Gebärmutter (Uterus) mit Gebärmutterhals (Zervix), Eileiter und Eierstöcke (Ovarien)
Unterleib einer Frau mit schematischer Darstellung der inneren weiblichen Geschlechtsorgane des Menschen: Gebärmutter (Uterus) mit Gebärmutterhals (Zervix), Eileiter und Eierstöcke... (Ovarien)
Quelle: pa
Jede sechste Frau in Deutschland hat keine Gebärmutter mehr: Es wird viel zu häufig operiert, sagen Experten. Welche Ärzte schneiden zu viel, und welche Frauen sind die Leidtragenden? Hier die Fakten.

Sie tun einem irgendwie leid, die Frauen im rheinland-pfälzischen Kreis Birkenfeld: Sie landen besonders häufig auf den Operationstischen ihrer Frauenärzte. Die Wahrscheinlichkeit, dass den Birkenfelder Frauen die Gebärmutter entfernt wird, ist nämlich mehr als dreimal so hoch wie für Frauen im 150 Kilometer entfernten Heidelberg.

Die Entfernung einer erkrankten Gebärmutter (fachsprachlich Hysterektomie oder Uterusexstirpation genannt) gehört nach wie vor zu den häufigsten gynäkologischen Operationen. Nach aktuellen Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) Berlin haben die Frauenärzte in Deutschland im Jahr 2012 bei rund 133.000 Frauen eine Hysterektomie vorgenommen.

Das waren zwar etwa 20.000 weniger Operationen als fünf Jahre zuvor, aber immer noch so viel, wie eine mittlere Großstadt Einwohnerinnen hat. Von allen deutschen Frauen im Alter zwischen 18 und 79 Jahren hat jede sechste keine Gebärmutter mehr.

Laut Faktencheck der Bertelsmann-Stiftung wird im Bundesdurchschnitt jährlich bei 33,21 von 10.000 Frauen eine Hysterektomie vorgenommen. In Heidelberg liegt die Operationshäufigkeit bei nur 19,66 pro 10.000, in Birkenfeld verlieren dagegen 60,53 von 10.000 Frauen ihre Gebärmutter.

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Was steckt hinter derartig extremen Unterschieden? Und wird immer noch zu großzügig operiert? „Jeder Eingriff bedarf einer Indikation, also einer zwingenden Begründung“, sagt Frauenarzt Professor Dr. med. Peter Bung von der Gynäkologischen Praxisklinik Bonn.

Als „harte“ Indikationen gelten Krebs am Muttermund, am Gebärmutterkörper, an den Eierstöcken oder an den Eileitern. Auch bei besonders großen und immer wiederkehrenden Myomen, bei schweren Blutungen, die anders nicht gestillt werden können, oder bei einer starken Senkung der Gebärmutter muss das Organ meist entfernt werden.

„Allerdings erfolgt auch heute ein erheblicher Teil der Hysterektomien ohne ausreichende Indikation“, berichtet der Bonner Frauenarzt. „Wenn der Arzt sucht, findet er immer wieder Gründe, um doch zu einer Hysterektomie zu raten. Legt er bei einem harmlosen Befund die Stirn in Falten und spricht von der Möglichkeit einer bösartigen Entartung in der Zukunft, lassen sich die von dieser Aussicht geschockten Patientinnen leicht von der Notwendigkeit einer Operation überzeugen.“

Frauen von Anwälten werden seltener operiert

Besonders auffällig ist dabei die unterschiedliche Operationshäufigkeit zwischen Frauen mit niedrigem und Frauen mit hohem Sozialstatus: Während 31 Prozent der Frauen aus der niedrigen Bildungsgruppe hysterektomiert werden, sind es bei Frauen in der mittleren Bildungsgruppe nur 15,6 und bei Frauen mit hohem Sozialstatus sogar nur 11,6 Prozent. Ebenfalls merkwürdig: Die Frauen von Gynäkologen und Rechtsanwälten verlieren wesentlich seltener ihre Gebärmutter.

Zahlen aus der Schweiz belegen außerdem, dass Patientinnen ihre Gebärmutter unter Umständen eher behalten können, wenn sie sich mit ihren Problemen an eine Frauenärztin statt an einen männlichen Gynäkologen wenden.

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Bereits 1983 griffen im Kanton Tessin die Gynäkologinnen nur halb so oft zum Skalpell wie ihre männlichen Kollegen, wenn es um Erkrankungen der Gebärmutter ging. Eine weitere Studie zeigte, dass privat versicherte Patientinnen in der Schweiz häufiger hysterektomiert werden als gesetzlich versicherte.

Um als Fachärzte auf dem Gebiet der Gynäkologie anerkannt zu werden, müssen Ärzte während ihrer Weiterbildungszeit 300 operative Eingriffe durchführen, darunter 100 vaginale und abdominelle Operationen, zum Beispiel Hysterektomien.

„Die Assistenten müssen sich heute um diese Eingriffe balgen, um diese Zahlen zu erreichen“, berichtet Peter Bung, langjähriger Oberarzt der Universitäts-Frauenklinik Bonn aus eigener Erfahrung. „Der Druck verleitet dazu, die Begründungen für den Eingriff großzügiger als nötig zu handhaben und die Operation auch Patientinnen vorzuschlagen, die ohne eine Operation behandelt werden könnten.“

Schneiden, bis die Kasse stimmt?

Zurzeit gibt es in Deutschland 11.101 ambulant niedergelassene Gynäkologen und Gynäkologinnen, doppelt so viele wie vor 20 Jahren. Gynäkologen haben von allen Fachärzten in Deutschland die meisten Belegbetten in Kliniken.

Belegbetten aber wollen belegt sein, die Kliniken müssen Geld verdienen. Mit Hysterektomien geht das oft schneller als mit anderen Therapiemethoden: Eine Gebärmutterentfernung wird in Deutschland mit einer Fallpauschale von mindestens 3300 Euro von den Krankenkassen erstattet.

Für Therapien dagegen, bei denen die Gebärmutter erhalten bleibt, fallen die Erstattungen deutlich niedriger aus, einige der moderneren Verfahren werden, wenn ambulant durchgeführt, überhaupt nicht übernommen.

„Wir haben an vielen Orten, vor allem in städtischen Ballungsgebieten, viel zu viele gynäkologische Abteilungen, die um das Überleben kämpfen“, sagt Gynäkologie-Professor Peter Bung. „Schließlich ist die Zahl der Gebärmütter zwangsläufig begrenzt. Die Ausnutzung der Fallpauschalen erweist sich da als lohnenswert für die Träger der Kliniken.“

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Bei einer Krebserkrankung des Gebärmutterhalses, des Gebärmutterkörpers oder der Eierstöcke und Eileiter besteht in der Regel die Notwendigkeit zur Entfernung der Gebärmutter. Weitaus häufiger allerdings wird die Hysterektomie als elektiver Eingriff (Wahleingriff) zur Behandlung von gutartigen Erkrankungen durchgeführt.

Die statistischen Erhebungen der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) zeigen, dass zum Beispiel von den im Jahr 2008 insgesamt 137.943 Gebärmutterentfernungen mehr als 90 Prozent (125.233) aufgrund gutartiger (benigner) Erkrankungen des Uterus vorgenommen wurden. Die häufigsten Gründe dabei sind Myome (Muskelknoten) der Gebärmutter, eine sehr starke Regelblutung (Hypermenorrhoe) oder eine Gebärmuttersenkung.

Myome sind kein Grund zur Panik

Myome sind gutartige Tumore in der Gebärmutter. Oft bleiben sie unbemerkt oder werden nur zufällig entdeckt. Sie gelten nur dann als behandlungsbedürftig, wenn sie eine Schwangerschaft verhindern, Schmerzen oder gefährliche Blutungen verursachen oder zu schnell wachsen. „Mit einem Myom können Sie 112 Jahre als werden, wenn keine Beschwerden da sind“, mit diesem Hinweis pflegt Gynäkologe Peter Bung aufgeregte Patientinnen zu beruhigen.

Nicht immer machen Myome Probleme – daher werden sie häufig nur zufällig bei Routineuntersuchungen entdeckt
Nicht immer machen Myome Probleme – daher werden sie häufig nur zufällig bei Routineuntersuchungen entdeckt
Quelle: pa

Neben der Operation und einer Hormontherapie mit Antiöstrogenen stehen nach Angaben des Berufsverbandes der Frauenärzte mittlerweile moderne Therapieverfahren zur Verfügung, die den an Myomen erkrankten Patientinnen eine Hysterektomie in viele Fällen ersparen können:

Myomennukleation: Dabei handelt es sich um eine operative Ausschälung. Mit welchem Verfahren die Ausschälung vorgenommen wird, ist abhängig von der Lage des Myoms.

Myomembolisation: Hierbei werden kleine Kunststoffkügelchen über einen dünnen Katheter in die Gebärmutterarterie gespritzt, um die feinen Verästelungen, die das Myom mit Blut versorgen, zu verstopfen. Die verminderte Durchblutung führt zu einer Schrumpfung des Myoms.

MRT-gelenkter fokussierter Ultraschall: Eine nicht invasive Behandlungsmethode, bei der die Betroffenen in einem Magnetresonanztomographen liegen, der sehr genaue Aufnahmen des Myoms darstellt. Davon ausgehend werden dann Ultraschallwellen gezielt auf das Myom gerichtet, das dadurch gleichsam schmilzt. MRT-gelenkter fokussierter Ultraschall wird allerdings nur bei Myomen eingesetzt, die nicht größer als acht Zentimeter sind.

Auch zur Behandlung von zu starken, zu häufigen und unregelmäßigen Regelblutungen gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die Störung zu behandeln oder zumindest wesentlich zu bessern, ohne dabei die Gebärmutter entfernen zu müssen.

Verödung mit Hitze, Kälte oder Strom

Bei der Endometriumablation wird die Gebärmutterschleimhaut vollständig und irreversibel abgetragen. Es gibt unterschiedliche Methoden mit dem gleichen Grundprinzip: Die Schleimhaut der Gebärmutter wird bis auf die Muskulatur verödet beziehungsweise entfernt. Einige Beispiele:

  • Uterus-Ballon-Methode: Dabei wird ein Ballonkatheter in die Gebärmutter eingeführt und mit heißem Wasser gefüllt. Durch die Hitze wird die Gebärmutterschleimhaut zerstört.
  • Bei der Hydrothermablation wird das Endometrium durch eine 90 Grad heiße, isotonische Kochsalzlösung verödet.
  • Neben der Hitze gibt es auch die Möglichkeit einer Kryotherapie, die Verödung der Schleimhaut durch Kälte.
  • Ein weiteres Verfahren ist die Goldnetz-Methode („NovaSure“). Dabei wird die Gebärmutterschleimhaut durch elektrische Wärmeenergie, die durch ein in der Gebärmutter aufgespanntes Netz erzeugt wird, in wenigen Sekunden verödet.

Ärztliche Anwender der letzten Methode findet man bei der Initiative „Rettet die Gebärmutter“ im Internet. Dazu sollte man wissen: Die Initiative wird von der Herstellerfirma des zur Methode benötigten Geräts und der dabei verwendeten teuren Einmalinstrumente finanziert. Die Kosten der Goldnetz-Methode übernehmen bisher nur private und einige wenige gesetzliche Krankenkassen. Sie müssen sonst von der Patientin getragen werden.

Die Entfernung der Gebärmutter gehört zu den am meisten diskutierten Eingriffen bei Frauen: Während die Brust als ein Symbol des Frauseins gilt, wird die Gebärmutter von den meisten Frauen als Zentrum ihrer Weiblichkeit empfunden.

Die Aussicht, sie zu verlieren, führt oft zur Angst, nach der Operation keine „vollwertige“ Frau mehr zu sein. Es wird ja nicht einfach ein Stück Gewebe entfernt, sondern jenes Organ herausoperiert, mit dem sie Kinder empfangen können und aus dem ihre Kinder geboren wurden.

Die Hysterektomie ist außerdem ein Eingriff, der mit einem breiten Spektrum an Komplikationen verbunden sein kann und der immer zur Fortpflanzungsunfähigkeit führt. Deshalb werden die Hysterektomien bei gutartigen Erkrankungen von Frauen im Alter von unter 35 Jahren von vielen Experten besonders kritisch betrachtet.

Professor Dr. med. Gerlinde Debus, Chefärztin der Frauenklinik im Klinikum Dachau, sagt über die möglichen Folgen der Gebärmutterentfernung: „Neben der Harninkontinenz als möglich auftretende Folge einer Hysterektomie weisen einige Studien auch auf eine erhöhte Rate an Herz- und Kreislauferkrankungen hin.

Vermutet wird, dass die von der Gebärmutter produzierten Gewebshormone eine positive Wirkung auf Herz und Gefäße haben. Diese hormonähnlichen Stoffe, die die Kontraktionsfähigkeit der Gebärmutter beeinflussen, nehmen auch Einfluss auf das seelische Empfinden.“

Zweite Meinung einholen

Nach Ansicht von Gerlinde Debus sollten Frauen, denen ihre Ärztin oder Arzt eine Entfernung der Gebärmutter empfiehlt, bei ihrer Entscheidung grundsätzlich beachten:

  • Lassen Sie sich nicht unter Zeitdruck setzen. Selbst bei einer Krebsdiagnose muss nicht sofort auf der Stelle operiert werden.
  • Holen Sie eine zweite ärztliche Meinung, einen zweiten Kontrollbefund ein.
  • Informieren Sie sich bei entsprechenden Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen über mögliche Behandlungskonzepte und deren Erfahrungswerte.
  • Erkundigen Sie sich, wo es für Ihre Erkrankung spezialisierte Behandlungszentren gibt, denn ein chirurgischer Eingriff kann hohe Anforderungen an das Können eines Operateurs stellen, was den Heilungserfolg stark beeinflussen kann.
  • Seien Sie besonders kritisch, wenn Ihnen Ihr/-e Gynäkologe/Gynäkologin zu einer Operation rät, die von ihm/ihr selbst durchgeführt wird.
  • Nehmen Sie bei bedrohlichen Befunden eine Person Ihres Vertrauens zum Arztgespräch mit, da viele Betroffene in dieser Angstsituation mit einer Art Tunnelblick reagieren und Informationen nur noch sehr selektiv aufnehmen.

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) hat bereits 2010 die Erstellung einer Leitlinie zum evidenzbasierten Vorgehen bei Gebärmutterproblemen angekündigt. Ursprünglich sollte das Vorhaben bereits zum Jahresende 2011 realisiert sein, als nächste Termine wurden dann September 2014 und zuletzt März 2015 avisiert. Bis Mitte April 2015 lag jedoch immer noch keine Leitlinie vor.

Frau bekommt Baby nach Gebärmuttertransplantation

Medizin-Sensation in Schweden: Weltweit erstmalig hat eine Frau nach einer Gebärmutter-Transplantation ein Baby geboren. Der Eingriff könnte wegweisend im Kampf gegen weibliche Unfruchtbarkeit sein.

Quelle: Zoomin.TV

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