Qualitätsmessung in Krankenhäusern Auf der Suche nach guter Behandlung

BONN · Die von der Bundesregierung geplante Krankenhaus-Reform soll im Herbst vom Bundestag abgesegnet werden. Nach den Plänen sollen gute Krankenhäuser künftig mehr Geld bekommen, Abzug droht dagegen bei schlechten Leistungen. Überflüssige Klinikbetten und unnötige Operationen sollen reduziert werden.

 Wie optimal Patienten in einem Krankenhaus versorgt werden, soll künftig genauer gemessen werden. FOTO: DPA

Wie optimal Patienten in einem Krankenhaus versorgt werden, soll künftig genauer gemessen werden. FOTO: DPA

Foto: BVMed Bundesverband Medizintechn

Schlecht ausgelastete Kliniken sollen sogar ganz geschlossen werden. Krankenhaus-Chefs, auch aus der Region Bonn/Rhein-Sieg, befürchten Probleme bei der Messung der Qualität. Patienten fragen sich natürlich, was die Veränderungen für ihre Behandlungen bedeuten.

Ein Ritt ins Ungewisse für alle Beteiligten: "In Deutschland wird die Behandlungsqualität bisher bei der Leistungsvergütung von Krankenhäusern nicht berücksichtigt, die Auswirkungen des neuen Systems sind daher nicht abschätzbar", sagt Peter Magunia, Leiter der Healthcare Practice Deutschland bei der Unternehmensberatung Roland Berger und Autor einer Studie zu diesem Thema. Deshalb sei eine besonders sorgfältige Einführung mit einer engmaschigen Beobachtung der Auswirkungen zu empfehlen. Notwendig seien standardisierte Maßstäbe zur Qualitätsmessung sowie eine von öffentlicher Seite zur Verfügung gestellte Informationsplattform, die es den Patienten ermögliche, die Qualitätsniveaus einzelner Krankenhäuser objektiv vergleichen zu können.

In der Diagnose sind sich alle Beteiligten einig: Die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser ist alarmierend. Kostendruck und gesetzliche Einsparmaßnahmen engen den finanziellen Spielraum immer weiter ein. Bereits 40 Prozent der Krankenhäuser schreiben rote Zahlen. Die Folge: Die Krankenhäuser haben wenig finanziellen Spielraum, um die Qualität stationärer Behandlungen zu verbessern. Das soll sich durch die Krankenhausreform ändern. Doch die Form der Therapie ist umstritten.

Wie Magunia erläutert, lag Deutschland 2005 in einer Untersuchung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im europäischen Vergleich noch auf Platz drei bei der Qualität stationärer Behandlungen. "Ende 2013 lagen deutsche Krankenhäuser nur noch auf Platz neun, und das, obwohl das Land europaweit die zweithöchsten Gesundheitsausgaben verbucht", so der Unternehmensberater. Auch die OECD rät, dass die hohe Verfügbarkeit von Qualitätsinformationen in Deutschland zur Verbesserung der direkten Finanzierung benutzt werden sollte.

"Die Ausgaben werden oftmals nicht optimal eingesetzt, viele Krankenhäuser haben noch Verbesserungspotenzial", sagt Magunia. Er hält es für sinnvoll, dass das neu geschaffene Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen konkrete Leistungsbereiche wie beispielsweise Hüft-Implantationen benennt. Zudem seien klare Qualitätsmerkmale für eine hochwertige Behandlung, wie etwa die Häufigkeit der Wiederaufnahme aufgrund von Komplikationen, festzulegen. Bisherige Indikatoren zur Qualitätsmessung seien nur bedingt geeignet. Künftig müsse das Behandlungsergebnis stärker berücksichtigt werden. Das sei notwendig, um einen gerechten Vergleich zwischen der Behandlungsqualität verschiedener Krankenhäuser zu gewährleisten. "Nur so können die Messergebnisse zwischen einem Krankenhaus der Grundversorgung und einem Universitätsklinikum vergleichbar gemacht werden", erklärt Peter Magunia. Um Vertrauen in ein qualitätsorientiertes Vergütungssystem aufzubauen, solle sich die Vergütung nicht an kurzfristigen Zielen orientieren, sondern müsse langfristig als Anreiz wirken. Um die Transparenz zu verbessern, sollten die Qualitätsdaten auf einer Internetplattform öffentlich zugänglich gemacht werden. So könnten Patienten gute Krankenhäuser von schlechten unterscheiden. Zwischen den Krankenhäusern entstehe ein Qualitätswettbewerb, um im Ranking weiter nach oben zu gelangen.

Die Deutsche Krankenhaus Gesellschaft, in der sich die Kliniken zusammengeschlossen haben, ist angesichts der Pläne skeptisch: Vergütungszuschläge für "gute" Kliniken würden in der Praxis dazu führen, dass alle Patienten in den Kliniken behandelt werden wollen, bei denen die Kassen bereit sind, Qualitätszuschläge zu zahlen. Dies stehe in Widerspruch zu der gesetzlichen Vorgabe im Sozialgesetzbuch, dass von den Krankenkassen die Fahrkosten nur zum nächstgelegenen Krankenhaus getragen werden. Mehrkosten für entferntere Krankenhäuser müssen die Patienten selbst tragen. Damit würde der Zugang zur besonders prämierten und teuren Klinik schon aus Einkommensgründen nicht allen Patienten offenstehen.

Ebenfalls zu hinterfragen sei laut Verband die Signalwirkung, die von der Einteilung der Kliniken in gute und schlechte auf die Patienten ausgeht. Derzeit würden rund 1000 Kliniken etwa 150 000 Patienten mit Hüftprothesen versorgen. Würden alle Patienten in Kliniken mit Qualitätszuschlägen gehen wollen, könnte dies in der Praxis niemals ohne lange Wartezeiten realisiert werden. Tausendfach würden sich aber die Patienten, die den Zugang zu den prämierten Kliniken nicht erreichen, benachteiligt fühlen.

Wie schwierig die Qualitätsmessung im Gesundheitswesen ist, zeigt sich heute schon an Ärzteranglisten, die von Magazinen veröffentlicht werden. Regelmäßig zweifelt die Konkurrenz der ausgezeichneten Ärzte an den Maßstäben der Erhebung und führt andere Auszeichnungen an, bei denen sie selbst doch viel besser abgeschnitten haben.

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