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Interview

„Zahlen keine Schließungsprämien“

Wer hat welche Rolle bei der Schließung des Emsdettener Krankenhauses übernommen? Wer stellte den Antrag, Emsdetten aus dem Bettenplan zu streichen? Fragen, die Redakteur Chistian Busch an Martin Litsch, den Vorstandsvorsitzenden der AOK Nordwest, richtete.

wn

Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender der AOK Nordwest.
Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender der AOK Nordwest. Foto: AOK

Die Krankenkassen, und insbesondere die AOK, wurden bei der Demonstration zur Rettung des Emsdettener Marienhospitals öffentlich stark kritisiert. Fühlen sie sich zu Unrecht an den Pranger gestellt?

Martin Litsch: Ja. Denn es ist zwischen der Schließung des Marienhospitals Emsdetten Ende Juni und der Herausnahme des Krankenhauses aus dem Krankenhausplan zu unterscheiden. Nach uns vorliegenden Informationen hat der Träger des Marienhospitals Emsdetten der Bezirksregierung Münster mitgeteilt, dass der Klinikbetrieb aufgrund der Knappheit der Personalressourcen nur noch bis zum 26. Juni aufrecht erhalten werden könne. Danach solle der Betrieb geschlossen werden. Hierbei handelt es sich um eine Unternehmensentscheidung des Marienhospitals Emsdetten, in diesen Prozess waren die Verbände der Krankenkassen in Westfalen-Lippe nicht eingebunden.

Fakt ist doch, dass die Verbände der Krankenkassen in Westfalen-Lippe den Antrag formuliert haben, Emsdetten aus dem Krankenhausplan zu streichen. Da spielt die AOK als größte und mitgliederstarke Kasse doch eine große Rolle?

Litsch: Die Verbände der Krankenkassen in Westfalen-Lippe treffen ihre Entscheidungen und Beschlüsse in der Krankenhausplanung einvernehmlich und nicht nach dem Mehrheitsprinzip. Der Mitgliederanteil spielt dabei keine Rolle.

Wer vertritt die Verbände der Krankenkassen im Kreis Steinfurt? Wer ist sozusagen der Verhandlungsführer?

Litsch: Die Verbände der Krankenkassen in Westfalen-Lippe haben sich darauf verständigt, dass im Kreis Steinfurt der BKK-Landesverband Nordwest die Federführung bei der Krankenhausplanung hat. Der Federführer hat die Aufgaben, Abstimmungsprozesse zu koordinieren und dient als Korrespondenzadresse und Ansprechpartner. Beschlüsse zur Krankenhausplanung fassen die Verbände der Krankenkassen gemeinsam und gleichberechtigt.

Hat es bei der AOK Reaktionen auf die öffentliche Aufforderung des Emsdettener Bürgermeisters gegeben, sich bei den Krankenkassen zu beschweren? Haben sich Mitglieder oder Unternehmen gemeldet?

Litsch: Es hat einige Reaktionen von Versicherten, einem Arbeitgeber und einer Vertragsarztpraxis sowohl persönlich als auch per E-Mail gegeben.

Der Träger der Marienhospitäler erweckt in Stellungnahmen und Mitarbeiterinformationen den Eindruck, mit dem Antrag auf Herausnahme des Emsdettener Marienhospitals aus dem Krankenhausplan nichts zu tun zu haben. Was sagen Sie dazu?

Litsch: Die Schließung des Klinikbetriebs Ende Juni war eine Unternehmensentscheidung des Trägers des Marienhospitals. Der Träger des Marienhospitals hat die Gründe für die Schließung dargelegt und sich nicht gegen die Herausnahme aus dem Krankenhausplan ausgesprochen.

Die AOK sitzt nicht nur mit am Tisch, wenn es um die Zukunft eines Krankenhauses in Emsdetten geht. Sie ist im Insolvenzverfahren um das Marienhospital Münsterland auch im Gläubigerausschuss vertreten. Ist das kein Interessen­konflikt?

Litsch: Diese beiden Rollen werden von uns strikt getrennt.

Die AOK hat erklärt, dass auch nach der Schließung die Versorgung der Patienten durch umliegende Krankenhäuser sichergestellt ist. Anders herum gefragt: Sollte das Emsdettener Krankenhaus doch reaktiviert werden, wäre dann der Kreis Steinfurt im Bereich der stationären Akut- und Regelversorgung überversorgt?

Litsch: Uns ist keine Erklärung der AOK Nordwest bekannt. Vielmehr führt die Bezirksregierung Münster im Feststellungsbescheid zur Schließung des Krankenhauses aus, dass die flächendeckende Versorgung der regionalen Bevölkerung weiterhin sichergestellt sei. Die Verbände der Krankenkassen kommen zu keinem anderen Ergebnis.

Ganz konkret und aus Ihrer Sicht als einer der Haupt-Kostenträger: Wie viele Betten in welchen Bereichen gibt es im Kreis Steinfurt zu viel?

Litsch: Wir verweisen dazu auf die von der Bezirksregierung Münster zur Verfügung gestellten Orientierungswerte für den Kreis Steinfurt, die wir bei der Krankenhausplanung berücksichtigen. Das Marienhospital Emsdetten betreibt die Fachabteilungen Chirurgie, Innere Medizin und HNO-Heilkunde, der rechnerische Bettenüberhang für diese Fachabteilungen beträgt für den Kreis Steinfurt 169 Betten.

Gibt es finanzielle Anreize von Seiten der Krankenkassen, wenn ein defizitä-res oder „überplanmäßiges“ Krankenhaus geschlossen wird? Wenn ja, über welche Summen sprechen wir hier?

Litsch: Nein, die Krankenkassen zahlen keine „Schließungsprämien“.

Dass Emsdetten schließen soll, während Greven und Borghorst gestärkt werden, ist nicht neu. Das war schon vor der Insolvenz Teil einer Übernahmeplanung, auch die Krankenkassen waren in diese Verhandlungen involviert. Warum ausgerechnet Emsdetten? Hier wurde doch in den vergangenen Jahren viel investiert?

Litsch: Zwischen dem Insolvenzverfahren und der Krankenhausplanung ist zu unterscheiden. Zum Insolvenzverfahren können wir an dieser Stelle keine Ausführungen machen. Für die Krankenhausplanung ist vorrangig das Kriterium Bedarfsgerechtigkeit zu Grunde zu legen. Bei dem Vorschlag zur Herausnahme des Marienhospitals Emsdetten aus dem Krankenhausplan haben wir die Aussagen der Bezirksregierung Münster, des Krankenhausträgers und der umliegenden Krankenhäuser einbezogen, die alle diesen Vorschlag stützen.

Der Emsdettener Bürgermeister Georg Moenikes behauptet, der AOK-Vorstand Thomas Fritz hätte im März in einem Schreiben an ihn angeregt, dass man sich zeitnah zusammensetzen müsse, um über die Krankenhaus-Versorgung im Kreis Steinfurt zu sprechen. Warum sind diese Gespräche nie geführt worden?

Litsch: Der für Krankenhausfragen zuständige Geschäftsbereichsleiter Thomas Fritz hat in dem Brief auf Falschaussagen des Bürgermeisters zu „Schließungsprämien“ reagiert und in dem Zusammenhang zur Versachlichung dafür geworben, dass es für alle Beteiligten von hoher Bedeutung wäre, zeitnah eine Verständigung über nachhaltige Krankenhausstrukturen im Kreis Steinfurt zu erzielen.

Die Bezirksregierung Münster hat Emsdetten nach der Schließung bewusst nicht aus dem Krankenhausplan genommen, sondern nur die Betten-Ist-Zahl auf Null gesetzt, um den beginnenden Verhandlungen um den neuen Krankenhausbedarfsplan für das Münsterland nicht vorzugreifen. Warum beantragen die Krankenkas-sen dennoch die „vorzeitige“ Herausnahme aus dem Bettenplan?

Litsch: Die Bezirksregierung Münster hat von Amts wegen im Feststellungsbescheid das Betten-Ist auf „Null“ gesetzt, da der Krankenhausträger die Schließung des Krankenhausbetriebs angemeldet hat. Die Bezirksregierung kann nicht nach eigenem Ermessen ein Krankenhaus aus dem Krankenhausplan nehmen. Die Bezirksregierung Münster ist aber als zuständige Behörde berechtigt, zu Verhandlungen über ein regionales Planungskonzept aufzufordern. Mit Schreiben vom 29. Juni hat die Bezirksregierung Münster den Krankenhausträger und die Verbände der Krankenkassen in Westfalen-Lippe zu entsprechenden Verhandlungen aufgefordert. Ist solch eine Aufforderung ergangen, sind die Verhandlungen innerhalb eines Monates aufzunehmen und sollen spätestens drei Monate nach ihrer Aufnahme abgeschlossen werden. Die Aufforderung durch die Bezirksregierung hat damit einen zeitlich begrenzten Prozess in Gang gesetzt, so dass die Verbände der Krankenkassen in Westfalen-Lippe tätig geworden sind.

Was müsste aus Ihrer Sicht passieren, um Emsdetten im Bettenplan auch künftig zu verankern?

Litsch: Im Bettenplan des Landes ist das Marienhospital Emsdetten weiterhin enthalten und das Krankenhaus hat hierüber einen rechtsgültigen sogenannten Feststellungsbescheid der Bezirksregierung Münster. Die Schließung des Klinikbetriebs hat dazu geführt, dass im Feststellungsbescheid des Krankenhauses ausgewiesen ist, dass derzeit 0 von 201 Betten, die ursprünglich vorgesehen waren, betrieben werden, dies entspricht der aktuellen Situation. Die Verbände der Krankenkassen gemeinsam haben sich in Abstimmung mit dem Krankenhausträger dafür ausgesprochen, dass das Marienhospital Emsdetten nicht wieder in Betrieb genommen wird und vollständig aus dem Krankenhausplan genommen wird. Um dies zu ändern, müsste das Ministerium für Gesundheit eine entsprechende Entscheidung treffen. Das Ministerium wird bei seiner Entscheidung prüfen, ob das Krankenhaus für die Versorgung unverzichtbar ist.

Krankenkassen und Träger haben sich darauf verständigt, Emsdetten aus dem Bettenplan zu streichen. Selbst wenn die Landesregierung dem nicht stattgeben sollte – kommt das nicht einer eindeutigen Vorentscheidung für die eigentlichen Verhandlungen um den Krankenhausplan gleich?

Litsch: Nein. Bei der Krankenhausplanung handelt es sich um einen kontinuierlichen Prozess. Zu jeder Zeit müssen Verhandlungen zu ganzen Regionen oder auch einzelnen Krankenhäusern durchgeführt werden, sofern ein Krankenhausträger, die Verbände der Krankenkassen in Westfalen-Lippe oder die Bezirksregierung hierzu auffordern. „Eigentliche“ Verhandlungen in der Form, dass immer ein ganzer Kreis betrachtet werden muss, gibt es daher nicht.