Interview mit Thomas Hammer-Jakobsen Dänemark baut die Krankenhäuser der Zukunft

Sie sind modern, vernetzt und digital, die zukünftigen Superkrankenhäuser von Dänemark. 18 an der Zahl sollen in den nächsten acht Jahren aufgebaut werden und den Patienten eine optimale Versorgung ermöglichen. Und das bei einem durchschnittlichen Krankenhausaufenthalt von 3,8 Tagen. HCM hat mit Thomas Hammer-Jakobsen, Leiter des Copenhagen Healthtech Clusters, welches das Großprojekt begleitet, darüber gesprochen, warum E-Health für das Gesundheitswesen so wichtig ist, wie sich deutsche Unternehmen in Dänemark einbringen können und was sich Deutschland vom Nachbarland abschauen kann.

Das Superkrankenhaus wird in Hillerød in Nordseeland (40 km nördlich von Kopenhagen) gebaut. Baubeginn ist 2017. 2020 sollen die ersten Patienten dort aufgenommen werden. – © Region Hovedstaden

HCM: Herr Hammer-Jakobsen, in Dänemark entstehen 18 neue sogenannte Superkrankenhäuser – was genau kann man sich darunter vorstellen?

Hammer-Jakobsen: Die neuen Superkrankenhäuser stellen den umfangreichsten Ausbau der dänischen Krankenhauslandschaft in der Geschichte dar. Dafür gehen wir von einer Investitionssumme in Höhe von insgesamt 42,7 Milliarden Kronen (5,7 Milliarden Euro) aus. Dieses Kapital gibt uns die einzigartige Möglichkeit, das Konzept dänischer Krankenhäuser bezüglich flexibler Arbeitsabläufe, dem Technikeinsatz sowie der Schaffung von einheitlichen Versorgungsstrukturen für Patienten neu zu überdenken.

Die Superkrankenhäuser werden die klinische Behandlung zentralisieren und effizienter gestalten. Die Krankenhäuser in Dänemark werden durch öffentliche Mittel finanziert, über die Regionen des Landes. Durch die Zusammenführung von Behandlungsorten wollen die Regionen die professionelle Qualität verbessern und Ressourcen effizienter nutzen.

Ziel der neuen Superkrankenhäuser ist es, das Gesundheitswesen auf eine stärkere ambulante Behandlungsweise hin auszurichten. Dabei ist die sektorübergreifende Zusammenarbeit notwendig.

HCM: Der Aufbau und die Sanierung dieser Superkrankenhäuser erfordert eine hohe Investitionssumme. Was macht die dänische Regierung so sicher, dass dieses Geld sinnvoll in E-Health investiert ist?

Hammer-Jakobsen: Das Copenhagen Healthtech Cluster (CHC) wurde im November 2014 von der Hauptstadtregion und der Stadt Kopenhagen gegründet und gehört zu Copenhagen Capacity, einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft. CHC arbeitet mit öffentlichen und privaten Unternehmen aus dem Healthcare-Bereich zusammen. Der Hauptfokus liegt dabei auf Gesundheitstechnologien. Sowohl CHC als auch die dänische Regierung glauben, dass es möglich ist, die Ausgaben für das dänische Gesundheitswesen zu reduzieren, ohne dabei an Qualität einzusparen, ganz im Gegenteil, diese sogar zu steigern. Dabei wird es für private Unternehmen möglich, sich in diese Entwicklung einzubringen und die Krankenhauslandschaft zu revolutionieren. Damit kann der öffentliche Sektor auch das Wachstum von privaten Unternehmen anregen.

HCM: Welche Rolle spielt Copenhagen Capacity im Detail in der Aufstellung dieser flächendeckenden E-Health-Strukturen?

Hammer-Jakobsen: Copenhagen Capacity ist die Wirtschaftsförderungsgesellschaft für ein Gebiet, das wir Greater Copenhagen nennen. Es umfasst den Großraum Kopenhagen, aber auch Region Schonen in Südschweden. Wir unterstützen ausländische Unternehmen, die sich hier ansiedeln wollen. Für die E-Health-Infrastruktur stehen wir im intensiven Dialog mit den Regionen, die für die Krankenhäuser, und den Städten, die für die Altenpflege verantwortlich sind, um den zukünftigen Bedarf und Kernaufgaben festzustellen..Wir stellen auf internationalen Treffen das dänische Gesundheitssystem und die Möglichkeiten der Zusammenarbeit vor. Unser Ziel ist es, ausländische Unternehmen mit interessanten Technologien oder nützlichem Wissen zu finden, die am Ausbau der E-Health Infrastruktur in Dänemark beteiligt sein wollen. Wir sind das Bindeglied zwischen den internationalen Unternehmen und den öffentlichen Einrichtungen, die für die strategische Planung und die Auftragsvergabe zuständig sind.

HCM: Wo und wann sollen die neuen Krankenhäuser stehen?

Hammer-Jakobsen: Bis 2022 wird es insgesamt 18 Superkrankenhäuser in ganz Dänemark geben. Sechs dieser Häuser, in Aalborg, Gødstrup, Aarhus, Odense, Hillerød und Køge,  befinden sich bereits im Neubau und sollen im Zeitraum zwischen 2017 und 2022 einsatzbereit sein. Die anderen zwölf werden oder wurden renoviert. Diese Einrichtungen befinden sich in Randers, Aabenraa, Esbjerg, Viborg, Kolding, Horsens, Hjørring, Hvidovre, Holbæk, Slagelse, Herlev and Bispebjerg.

HCM: An welchen Stellen wird dort v.a. auf technische Neuerungen gesetzt?

Hammer-Jakobsen: Momentan arbeiten wir an 85 innovativen E-Health- und Telemedizin-Projekten in folgenden neun Arbeitsbereichen:

  • Notaufnahme
  • umweltfreundliche Lösungen
  • Heilende Architektur
  • Krankenhausbau
  • Krankenhausausstattung/Design
  • Krankenhaus-IT
  • Krankenhausausstattung – Logistik
  • Krankenhausausstattung – Tracking Systeme
  • Nachhaltiges Bauen

HCM: Wie sieht ein normaler Arbeitstag in einem E-Health-Krankenhaus für Pflegefachkräfte, Ärzte und Patienten aus?

Hammer-Jakobsen: Der Tag wird für beide Seiten flexibler und effizienter gestaltet sein. Mit E-Health-Technologien können mehrere Patienten zur selben Zeit behandelt werden, sowohl im Krankenhaus, als auch zu Hause. Gleichzeitig werden wichtige Daten gesammelt und gespeichert.

Ein durchschnittlicher Krankenhausaufenthalt dauert in Dänemark 3,8 Tage. Nach der Entlassung werden die Patienten nach Hause geschickt, wo sie ihre Rehabilitation in gewohnter Umgebung und mit nur wenig oder ganz ohne professionelle Unterstützung aufnehmen können. Diese Kombination aus kurzer Verweildauer und Heimpflege reduziert die Gefahr von Infektionen, steigert die Effizienz, die Patientensicherheit und unterstützt das Selbstmanagement.

HCM: Warum ist E-Health so wichtig für eine bessere Patientenversorgung?

Hammer-Jakobsen: E-Health und Telehealth stärken die Rolle der Patienten, tragen zu einem stärkeren Wohlbefinden bei und bringen für die Healtcare-Branche einige Ersparnisse und Verbesserungen wie

  • weniger Wiederaufnahmen,
  • die Rehabilitation des Patienten bei sich zu Hause unter geringem Einsatz von professioneller Seite,
  • die umfassende Erfassung und Auswertung von Patientendaten,
  • das Entfallen des Transports von Personal oder Patienten an Rehabilitationsorte sowie
  • das gleichzeitige Behandeln mehrerer Patienten.

HCM: Ist die Behandlung in einem Superkrankenhaus teurer als in einem „normalen Krankenhaus“?

Hammer-Jakobsen: Nein. Denn die Zentralisierung und die Verschlankung der Einrichtungen tragen dazu bei, die Effizienz im gesamten dänischen Gesundheitswesen zu steigern.

HCM: Wird die Ausbildung der Menschen, die in Superkrankenhäusern arbeiten werden, an die neuen technologischen Gegebenheiten angepasst?

Hammer-Jakobsen: Die dänischen Schulungseinrichtungen passen in regelmäßigen Abständen die Ausbildung an die neuen Verfahrensweisen an. Ein Beispiel dafür ist das Simulationstraining bei Ärzten.

HCM: Wie können Sie sicher gehen, dass die Patienten mit dem erhöhten Technikeinsatz klar kommen?

Hammer-Jakobsen: In Dänemark sind die Menschen generell offen für den Einsatz von neuen Technologien. Die Benutzerfreundlichkeit wird schon bei der Entwicklung der Technik und des Design mitgedacht um sicherzustellen, dass der Patient später einmal damit umgehen kann.

HCM: Wie werden E-Health-Strukturen jenseits der Superkrankenhäuser in Dänemark ausgeweitet?

Hammer-Jakobsen: Die dänischen Kommunen führen derzeit Projekte durch, die E-Health-Lösungen in die Heimpflege und in die Rehabilitation bringen. Ein Beispiel dafür ist die „digitale Reha“. Dafür versorgen die Städte ihre Bürger mit intelligenten Technologien, damit diese von zu Hause aus im virtuellen Kontakt mit Fachkräften ihre Rehaübungen durchführen können. Das spart Zeit für die Angestellten der Einrichtungen und verstärkt die Motivation des Patienten die Übungen durchzuführen, was wiederum eine Überweisung ans Krankenhaus verhindert.

HCM: In welchen Punkten könnte Dänemark dem deutschen Gesundheitswesen als Beispiel dienen?

Hammer-Jakobsen: Dänemark wird als das Land mit der größten E-Health-Bereitschaft gesehen. Das ist auf folgende Aspekte zurückzuführen:

  • Jeder Bürger hat eine Identifizierungsnummer, die das Erfassen und Auswerten von Patienten- und Behandlungsdaten vereinfacht. Das schafft bessere Präventionsmöglichkeiten.
  • Die großen Investitionen in Krankenhäuser sowie in die IT-Infrastruktur ermöglichen den Austausch und das Speichern von Patientendaten.
  • Telehealth wurde in Dänemark vielfach getestet und optimiert. Dabei stehen die einzelnen Regionen im Austausch miteinander, um eine Qualitätssteigerung trotz wachsender Bevölkerung herbeizuführen.  

HCM: Wie können ausländische Unternehmen dabei helfen, E-Health in Dänemark zu etablieren und dabei gleichzeitig selbst davon zu profitieren?

Hammer-Jakobsen: In Dänemark passiert gerade viel im Gesundheitsbereich. Die Gründe dafür sind eine alternde Gesellschaft, die wachsende Bedeutung von Pflege von chronisch kranken Menschen, die E-Health-Struktur und der Aufbau neuer Krankenhäuser. Viele der Produkte und Dienstleistungen, die das Land dafür braucht, werden aus dem Ausland kommen. Für deutsche Unternehmen ist gerader ein optimaler Zeitpunkt, um auf den dänischen Markt zu kommen. So können ausländische Unternehmen z.B. ihre Produkte und Dienstleistungen verkaufen, an neuen Projekten mitwirken, mit Forschungsinstituten zusammenarbeiten, neue Technologien entwickeln, von Technologien in Dänemark lernen und neue Produkte in Laboratorien, Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen testen. Copenhagen Capacity bietet kostenlos Unterstützungsmöglichkeiten z.B. bei der Einrichtung von Tochtergesellschaften, der Standortfindung oder der Mitarbeitersuche an.

HCM: Vielen Dank für die Antworten, Herr Hammer-Jakobsen.

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    Das Superkrankenhaus wird in Hillerød in Nordseeland (40 km nördlich von Kopenhagen) gebaut. Baubeginn ist 2017. 2020 sollen die ersten Patienten dort aufgenommen werden.
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    Das Krankenhaus Nordseeland gehört zu den insgesamt 18 Superkrankenhäusern, die Dänemark in den nächsten Jahren aufbauen will. Das Bild zeigt den geplanten Eingangsbereich des Krankenhaus Nordseeland.
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    Im Hof des Superkrankenhauses in Hillerød soll es viel Grün geben.
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    Von den Patientenzimmern aus wird der großflächige Park zu sehen sein.
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    Die Patientenzimmer im Superkrankenhaus in Hillerød in der Region Nordseeland sollen den Patienten einen hohen Wohlfühlfaktor bieten.