Geriatrie wird immer wichtiger. Deshalb rät die Ärztin Martina Brielmaier davon ab, deren Ansiedlung in Albstadt zu verhindern. Foto: Symbolfoto: Deck

Gebürtige Albstädter Ärztin warnt: 44.000-Einwohner-Stadt braucht ein Krankenhaus. Akutgeriatrie nicht abtun.

Zollernalbkreis - "Fassungslos" über die Optionen, die in Sachen Krankenhaus-Standorte diskutiert werden, ist Martina Brielmaier. Die promovierte Ärztin schreibt aus Augsburg in ihre Geburtsstadt und teilt ihre Ansichten zur Krankenhausdebatte mit.

Subjektiv gesehen, so schreibt Martina Brielmaier, hätte auch sie genügend Gründe, sich über eine Schließung des Krankenhauses Albstadt zu freuen. Objektiv gesehen, könne sie solche Pläne aber nur als "absoluten Schwachsinn" werten: "Aus Bayern kenne ich die Situation eher so, dass Landräte – unter Verschwendung von Steuergeldern – an kleinsten Kliniken festhalten, um sich Denkmäler zu setzen und keine Wählerstimmen zu verlieren", berichtet die Ärztin, die aus Albstadt kommt und an einer Augsburger Klinik tätig ist. "Dort ist klar: Ein Landrat der eine Klinik schließt, verliert die nächste Wahl!"

Auch ist sie der Ansicht, dass der Landkreis seine "Hausaufgaben bereits gemacht hat" mit der Schließung von Hechingen und der Schwerpunktverteilung der einzelnen Fachrichtungen zwischen Balingen und Albstadt. Zudem müsse man sich bei einem "offenbar nicht defizitärem Haus" fragen, was die Gesundheit der Bevölkerung der Kommunalpolitik wert sei.

Da ihre hochbetagten Eltern in Albstadt leben, wäre sie selbst "unmittelbar von einer Klinikschließung betroffen", betont die Ärztin, die plant, ihren eigenen Alterswohnsitz "sehr wohl auch von der medizinischen Versorgung abhängig" zu machen. "Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass dies Albstadt sein wird. Bei einer Klinikschließung mit Sicherheit nicht mehr."

Ihrer Ansicht nach hätte eine Schließung durchaus Einfluss auf die Entscheidung von Menschen für Zuzug oder Wegzug aus Albstadt, und auch die Fachkräftesuche der Industrie wäre davon betroffen, ebenso wie die ambulante medizinische Versorgung: "Junge Kollegen lassen sich gerne in der Stadt nieder, in der sie am Krankenhaus ihre Ausbildung gemacht haben. Bereits jetzt hat Albstadt Probleme frei werdende Arztsitze zu besetzen" – als Beispiel nennt Martina Brielmaier die zu erwartende Abdeckung mit Hausärzten in Onstmettingen.

"Die älter werdende Bevölkerung ist auf eine wohnortnahe Versorgung sowohl ambulant als auch stationär angewiesen. Albstadt würde fraglos erneut massiv geschwächt."

Außerdem dürfe die geografische Lage der Stadt, trotz leichterer Winter, nicht vergessen werden: "Wer übernimmt die Verantwortung für Todesfälle aufgrund nicht rechtzeitiger Versorgung von Notfällen? Auch beim DRK, so kenne ich das, werden stetig Fahrzeuge reduziert. Die längeren Anfahrtszeiten nach Balingen würden häufig genug bedeuten, dass keine freien Fahrzeuge mehr vorhanden sind, und auch bei Notfällen müssten, sofern dort noch vorhanden, Fahrzeuge aus Nachbarkreisen anfahren – und das bei Notfällen, bei denen es oft um Minuten geht!"

"Solche Abteilungen sind unabdingbar"

Unglücklich findet die Wahl-Augsburgerin, "dass die Erwähnung einer geriatrischen Abteilung in Albstadt so abgetan wird". In Bayern entstünden allerorts geriatrische Akutabteilungen, die in einem Akuthaus mit verschiedenen Abteilungen gut angesiedelt wären, mache die demografische Entwicklung den Ausbau solcher Abteilungen doch unabdingbar.

Baden-Württemberg sei bei diesem Thema inzwischen Schlusslicht in Deutschland, weiß die Medizinerin und rät dazu, solche Überlegungen durchaus weiter zu verfolgen.

In ihrem Brief widmet sie sich zudem einer Frage, die zurzeit heftig diskutiert wird: "Wie viele Patienten würden bei einer Schließung des Krankenhauses Albstadt nach Sigmaringen – unter Umgehung Balingens – abwandern? Kann dies im Interesse des Kreises sein?"

Da in ihren Augen die Kommunalpolitik schon lange nichts mehr im Gesundheitswesen zu suchen hat, fragt Martina Brielmaier außerdem: "Hat man mit der Acura-Klinik schon mal über einen Kauf der Klinik in Albstadt gesprochen – oder zumindest über die Übernahme einzelner Abteilungen?" Die Truchtelfinger Klinik, die zum Verbund der Acura-Kliniken gehört, haben auf sie "einen sehr guten und professionellen Eindruck gemacht".

Nicht zuletzt äußert sich die Ärztin zur Unterschriftenaktion der "Bürgerinitiative pro Krankenhaus in Albstadt": "Über 5000 Unterschriften ist schon sehr gut – nichtsdestotrotz sollten es weit mehr werden. Auch die umliegenden, mitbetroffenen Gemeinden und Bürger sind gefragt!" Außerdem fehle es an Informationsständen: "Die Bevölkerung sollte noch viel mehr über die Konsequenzen informiert werden – Gesundheit interessiert doch alle!"

Als "Uralbstädterin", die in den vergangenen 20 Jahren die Entwicklung Albstadts intensiv beobachtet habe, hoffe sie sehr, "dass die Klinik nicht nur erhalten bleibt, sondern an die aktuellen Erfordernisse angepasst wird, um auch künftig gut aufgestellt zu sein", schreibt Brielmaier. "Unfassbar ist für mich, dass man einer Stadt mit rund 44 000 Einwohnern die Klinik nehmen möchte", gebe es doch schon seit einigen Jahren Stimmen, die sagten, man gewinne bei der Fahrt durch Albstadt den Eindruck, in einem der neuen Bundesländer zu sein. "Eine weitere Schwächung der Stadt sollte daher auf jeden Fall vermieden werden."