Kolumne

Die Wirtschaft am Tropf des Gesundheitswesens

Das Gesundheitswesen wird als Wirtschaftsfaktor immer dominanter. Wenn der Sektor so ineffizient bleibt, wie er ist, wird das zunehmend zu einem Problem.

Andrea Martel
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Dass dem Gesundheitswesen eine gewisse Dynamik innewohnt, dürfte angesichts der alljährlich deutlich steigenden Krankenkassenprämien niemandem entgehen. Wie dominant der Gesundheitssektor jedoch mittlerweile geworden ist, wird einem erst bewusst, wenn man ein paar volkswirtschaftliche Statistiken konsultiert. Der Schweizer Arbeitsmarkt beispielsweise hätte ohne die Gesundheitsbranche in den letzten Jahren nicht annähernd eine so gute Figur gemacht. Laut dem Bundesamt für Statistik war das Gesundheitswesen im letzten Jahr für mehr als einen Drittel des Beschäftigungswachstums – 14 000 von insgesamt 40 000 neuen Vollzeitstellen – verantwortlich. Mit 249 000 Vollzeitäquivalenten werden inzwischen mehr Leute beschäftigt als in der Finanz- und Versicherungsbranche zusammen (210 000 Vollzeitäquivalente). Personalmässig gewichtiger ist fast nur noch die Bauwirtschaft, deren Bestand (inklusive Ausbaugewerbe) sich auf rund 316 000 Vollzeitäquivalente beläuft. Aber wie es aussieht, muss selbst die Baubranche bald froh sein, dass es das Gesundheitswesen gibt. Laut den Prognosen von BAK Basel findet nämlich der Bauboom bei den Wohn- und Geschäftsflächen 2015 und 2016 ein Ende. Die besten Wachstumsperspektiven hat laut den Basler Prognostikern dann der Sozialbau, denn die steigende Zahl der Personen im Rentenalter macht umfangreiche Investitionen in Spitäler, Altersheime usw. erforderlich.

Zum Glück, könnte man sagen, gibt es noch Branchen, die wachsen. Aber ist es «gesund», wenn nicht mehr nur unser körperliches und geistiges Wohlergehen vom Gesundheitswesen bestimmt ist, sondern bald die gesamte Volkswirtschaft an diesem Tropf hängt? Die Branche ist vergleichsweise wenig produktiv, und je dominanter sie wird, desto geringer wird auch die durchschnittliche Produktivität der Schweiz und damit das Wachstumspotenzial. Entgegenwirken liesse sich dem durchaus, denn Schuld an der niedrigen Produktivität ist nicht nur die Personalintensität der Branche. Es gibt auch viele Ineffizienzen, die sich mit etwas mehr Marktnähe verringern liessen.