Geschönte Bilanzen:Rechnungsprüfung ohne Rechnungen

Nach und nach werden weitere Details über die finanzielle Schieflage der Seefelder Klinik bekannt

Von Christine Setzwein, Andechs/Seefeld

Die Geburtstagsfeier, zu der Wolfram Gum am Freitag eingeladen war, musste ohne ihn beginnen. Der Seefelder Bürgermeister und Vorsitzende des Krankenhauszweckverbands Seefeld hatte erst einmal Wichtigeres zu tun. Die 120 Mitglieder des Freundeskreises Krankenhaus Seefeld, die sich zu ihrem Benefizessen im Klostergasthof Andechs trafen, verlangten nach Aufklärung über die finanzielle Schieflage der Chirurgischen Klinik. Immer wieder tauchte die Frage auf, warum die offensichtlich geschönten Bilanzen des mittlerweile entlassenen Geschäftsführers niemandem früher aufgefallen waren.

Gum erklärte es so: 2011 habe das 72-Betten-Haus eine "Schwarze Null" erreicht. Noch 2010 mussten die Träger der kommunalen Klinik - der Landkreis Starnberg sowie die Gemeinden Andechs, Gilching, Herrsching, Inning, Seefeld, Weßling und Wörthsee - eine Umlage in Höhe von 180 000 Euro zahlen. 2012 sei ein "kleines Minus" aufgelaufen, aber 2013 sei wieder alles in Ordnung gewesen, weil "große Rückstellungen aufgelöst" worden seien. Man sei auf einem guten Weg, habe der Geschäftsführer seinerzeit betont, die Fallzahlen seien gestiegen, die Sanierung und den Umbau der Klinik habe man gut gestemmt. 2014 sei dann nach Gums Worten das "Schicksalsjahr" gewesen. Aber noch heuer in der Zweckverbandsversammlung am 15. Januar habe der Verwaltungsleiter versichert, es sei alles gut, die schwarze Null erreicht und man habe eine halbe Million Euro Investitionsrücklage.

Alles nicht wahr, wie Gum vor wenigen Wochen feststellen musste. So lange hat es gedauert, bis der Geschäftsführer die Zahlen schriftlich vorgelegt hat. Ohnehin muss die jährliche örtliche Rechnungsprüfung eher schwierig gewesen sein, wie Werner Röslmair, früherer Inninger Bürgermeister und damit Mitglied im Zweckverband einräumte: "Wie will man eine Rechnungsprüfung ohne Rechnungen machen? Eine überörtliche Prüfung findet nur alle drei Jahre statt. Die letzte war 2011.

Damit die Bilanzen schön ausgefallen sind, soll der Geschäftsführer Kassenkredite aufgenommen haben. Als Höchstbetrag pro Jahr sind in der Haushaltssatzung 700 000 Euro festgelegt, wie im Amtsblatt des Landkreises Starnberg nachzulesen ist. Allerdings nur bis 2010. Seitdem wurde keine Haushaltssatzung der Klinik mehr veröffentlicht. Die Schulden, die sich in den vergangenen drei Jahren angehäuft haben, sollen bei mindestens 1,5 Millionen Euro liegen. Für die müssen nun die Gemeinden und der Landkreis aufkommen.

Landrat und Bürgermeister wollen die Klinik, die einen sehr guten Ruf hat, unbedingt erhalten. Die Bürgermeister sogar als eigenständigen Betrieb. Doch Gum baut schon einmal vor. "Nur für den Fall, dass wir es nicht schaffen, werden wir uns nach einem starken Partner umschauen, der den Bestand des Hauses für die nächsten zehn, 15 Jahre garantiert."

Dafür kämpft Ingrid Frömming seit 40 Jahren, seit der damalige Landrat Rudolf Widmann aus dem Krankenhaus ein Altenheim machen wollte. Jetzt, sagt die Vorsitzende des Freundeskreises, "habe ich mein Waterloo erlebt".

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