Klinik Seefeld:Unter Druck

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Vor einer ungewissen Zukunft steht die Chirurgische Klinik Seefeld. Bald entscheidet sich, ob sie einen Partner braucht. (Foto: Arlet Ulfers)

Nächste Woche zeigt sich, wie groß die Löcher in der Kasse der Klinik Seefeld tatsächlich sind. Schon jetzt ist klar: Der Ex-Geschäftsführer, der gegen seine fristlose Kündigung klagt, handelte unter Zugzwang

Von Christine Setzwein und Christian Deussing, Seefeld

Die Stunde der Wahrheit schlägt am kommenden Dienstag. Dann erfahren die Mitglieder des Zweckverbands Krankenhaus Seefeld, wie tief sie in die Tasche greifen müssen, um die Löcher in der Klinik-Kasse zu füllen, wenn der Kommunale Prüfungsverband das Ergebnis seiner Untersuchung vorlegt. Dazu kommt ein juristisches Nachspiel. Der fristlos entlassene Geschäftsführer hat beim Arbeitsgericht München Klage gegen die Kündigung eingereicht. Damit nicht genug, wächst im Landkreis die Kritik an der Arbeit des Zweckverbands, dessen Vorsitzender der Seefelder Bürgermeister Wolfram Gum ist.

Warum hat der Zweckverband nicht früher gemerkt, dass der Geschäftsführer ganz offensichtlich die Zahlen geschönt hat? Das fragen sich viele. Vor allem Gemeinde- und Kreisräte der Trägerkommunen Andechs, Gilching, Herrsching, Inning, Seefeld, Weßling, Wörthsee und Landkreis Starnberg. Immerhin habe der Rechnungsprüfungsausschuss - seit der Kommunwahl sind das die Bürgermeisterinnen Christel Muggenthal, Wörthsee, und Anna Neppel, Andechs, sowie Grünen-Kreisrätin Evelyn Villing - die Bilanz jährlich im Herbst geprüft. Doch niemandem ist aufgefallen, dass etwas nicht stimmt. "Das war zu geschickt gemacht", sagte Wolfram Gum am Freitag erneut. Draufgekommen sei man dem Geschäftsführer erst, als die Ärztliche Direktorin und Chefärztin der Klinik, Regine Hahn, ein neues medizinisches Gerät anschaffen wollte. Es war kein Geld mehr da, der Kassenkredit in Höhe von 700 000 Euro ausgeschöpft. Trotzdem hat, so die Information der SZ, der Geschäftsführer noch vor wenigen Wochen auf die Frage des Kreiskämmerers, ob er für 2016 eine Umlage einplanen solle, mit Nein geantwortet.

Über Zahlen erfuhr die Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren ohnehin wenig. Die Presse war zu den Verbandsversammlungen nicht eingeladen. In der Zweckverbandssatzung, die am 1. Januar 1996 in Kraft trat, ist das nicht geregelt, eine Geschäftsordnung hat sich der Verband nie gegeben. Die letzte Veröffentlichung der Haushaltssatzung im Amtsblatt des Landkreises Starnberg stammt aus dem Jahr 2010. Damals mussten die Gemeinden und der Landkreis eine Umlage in Höhe von 180 000 Euro zahlen. 2004 waren es noch knapp 360 000 Euro. 2011 soll die schwarze Null erreicht worden sein. Bei einem so kleinen Haus wie der Chirurgischen Klinik Seefeld mit nur 72 Betten schien das immer unmöglich zu sein.

Sicher ist jetzt: Der ehemalige Krankenhaus-Verwaltungsleiter will die Kündigung nicht akzeptieren und wehrt sich gegen die Vorwürfe. Der 48-Jährige hat eine Rechtsanwältin eingeschaltet, die eine Klage gegen den Arbeitgeber - also gegen den Zweckverband - eingereicht hat. Die Kanzlei wartet jetzt ebenfalls auf die Ergebnisse des Kommunalen Prüfungsverbandes. Allerdings wundert sich die Anwältin, dass der betroffene Geschäftsführer von den Prüfern noch immer nicht selbst befragt worden ist. Die Kanzlei hält jedenfalls die Klage ihres Mandanten für "begründet", sie ließ durchblicken, dass sich die Sache "noch ganz anders darstellen" könne.

Eins dürfte klar sein: Der Geschäftsführer muss unter enormem Druck gestanden haben. Allein schon mit dem Wissen, dass seine Vorgängerin, eine ausgewiesene Krankenhausexpertin, kurz vor dem Ende ihre Probezeit gekündigt worden war. Zwischenmenschlich habe es nicht geklappt zwischen Verwaltung und Chefarzt Nikolaus Hermes, hieß es damals. Diese Erfahrung musste der Verbandsvorsitzende Gum öfter machen, wie er jüngst beim Benefizessen des Freundeskreises Krankenhaus Seefeld sagte. "Ich musste ständig ausgleichen zwischen einem starken, kantigen Chefarzt und der Verwaltung und immer wieder neue Verwaltungschefs einstellen."

Der Geschäftsführer musste also spuren, wenn er seinen Job behalten wollte, und vor allem musste er verhindern, dass die Seefelder Klinik ihre Eigenständigkeit verliert. Das war sowohl für Chefarzt Hermes als auch für die Bürgermeister der Westgemeinden oberstes Ziel. Eine Kooperation mit der Kreisklinik in Starnberg sollte um jeden Preis verhindert werden. Ein hoher Preis, wie ein ehemaliger Verbandsrat einräumt: "Ich fühle mich moralisch verantwortlich. Wir haben zu viel Druck gemacht, weil wir unbedingt schwarze Zahlen schreiben wollten."

© SZ vom 24.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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