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Besser Infektionsschutz für Patienten Roland-Klinik verbietet langärmlige Arztkittel

Johannes Albers hat langärmligen Arztkitteln den Kampf angesagt. Er ist Handchirurg in der Roland-Klinik und zugleich Hygiene-Beauftragter. In seinem Zweitjob hat er jetzt zu drastischen Mitteln gegriffen.
16.11.2015, 00:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Roland-Klinik verbietet langärmlige Arztkittel
Von Sabine Doll

Johannes Albers hat langärmligen Arztkitteln den Kampf angesagt. Er ist Handchirurg in der Roland-Klinik und zugleich Hygiene-Beauftragter. In seinem Zweitjob hat er jetzt zu drastischen Mitteln gegriffen.

Johannes Albers hat noch einen erwischt. In einem Umkleideschrank hat er den Arztkittel gefunden. „Der wandert jetzt in die Wäscherei und wird danach entsorgt.“ Der Handchirurg ist in der Roland-Klinik zuständig für die Hygiene – und hat Anfang Oktober in dem Krankenhaus am Niedersachsendamm ein Kittelverbot für Ärzte erlassen.

Der Grund: Über die langen Ärmel könnten Keime leicht von einem zum anderen Patienten befördert werden. „Ob man es möchte oder nicht, die Ärmelmanschetten streifen immer irgendetwas. Und sie können nicht wie die Hände desinfiziert werden“, sagt Albers. Selbst wenn die Ärmel bei der Desinfektion aufgekrempelt würden, kämen sie doch wieder mit den Händen in Kontakt, wenn sie danach heruntergelassen werden. Zudem würden die Kittel nicht so oft gewechselt, wie es notwendig wäre. Albers: „Das ist eine klare Hygiene-Erkenntnis und ein Risiko, vor dem wir unsere Patienten schützen wollen.“

Keim-Infektionen sind ein Problem

Infektionen durch Keime sind ein Problem in Kliniken. Auf einem Fachkongress im Frühjahr 2014 hat die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGK) neue Zahlen zu sogenannten nosokomialen – im Krankenhaus erworbenen – Infektionen vorgestellt: Sie liege deutlich höher als bisher von offizieller Seite verkündet. „900 000 Infektionen und 300 000 Todesfälle belegen, dass die Hygiene noch erheblich verbessert werden muss“, heißt es im Fazit einer Untersuchung der Gesellschaft. Besonders gefährlich sind multiresistente Keime, gegen die Antibiotika nicht mehr wirken. Bei gesunden Menschen richten sie in der Regel keinen Schaden an. Kommt aber ein operierter oder schwerkranker Patient mit ihnen in Kontakt, kann das zu gefährlichen Komplikationen wie Wundheilungsstörungen, Lungenentzündungen oder Blutvergiftung führen.

„Komplett keimfreie Kliniken wird es nie geben, das ist eine Tatsache. Aber wir müssen alles Mögliche unternehmen, um die Patienten vor Infektionen durch solche Keime zu schützen“, sagt Albers. „Hauptüberträger sind die Hände. Aber wir wissen: Sie lassen sich sehr gut desinfizieren.“ Allerdings sei diese Hygienemaßnahme nur dann wirksam, wenn die Hände danach nicht gleich wieder mit nicht-desinfiziertem Material in Berührung kämen. Die langen Arme der Arztkittel seien eine solche Keimquelle. Albers: „Das sind echte Partikelfänger.“

Das haben auch Untersuchungen gezeigt. 2011 veröffentlichten israelische Forscher in einem Fachblatt dazu schockierende Ergebnisse: 60 Prozent der Arztkittel, deren Ärmel und Taschen sie im Labor untersucht hatten, trugen gefährliche Krankenhauskeime – darunter auch multiresistente.

„Vor dem Verbot haben wir es damit versucht, dass die Ärzte den Kittel vor jedem Patientenkontakt ausziehen, aber das hat nicht wirklich geklappt. Und man hat auch nicht die Kontrolle, ob sich jeder daran hält“, sagt Albers. Aus seiner Sicht habe der Arztkittel ohnehin nur noch eine Bedeutung: als Statussymbol – und als Orientierungshilfe für Patienten, um die Ärzte vom Pflegepersonal zu unterscheiden. Die 40 Ärzte in der Roland-Klinik hätten das Verbot gelassen hingenommen. Statt der Kittel tragen sie jetzt bei Visite und Sprechstunde kurzärmlige Polo- und Oberhemden oder sogenannte Kittelhemden wie sie im Operationssaal, auf Intensivstationen und dem Pflegepersonal längst Usus seien.

England und Niederlande als Vorbild

In England und den Niederlanden sind langärmlige Arztkittel aus Hygienegründen schon länger verboten, in Deutschland gibt es keine konkreten Regelungen. Jedes Krankenhaus kann selbst entscheiden, was als Berufskleidung erlaubt ist und was nicht. In Bremen ist die Roland-Klinik vorerst das einzige Haus, das die Kittel von den Stationen verbannt.

„In den sensiblen Bereichen wie Notaufnahme, Intensivstationen, der Frühchenstation und der Kinderklinik gibt es bei uns seit Langem nur noch spezielle Bereichskleidung mit kurzärmlige Kittelhemden“, sagt Karen Matiszick, Sprecherin der Gesundheit Nord, die vier kommunale Krankenhäuser betreibt. Die Kleidung würde bei Dienstantritt angezogen und anschließend in die Wäscherei gegeben. Kittel würden in anderen Bereichen noch getragen, langfristig sei geplant, ganz auf die kurzärmlige Bereichskleidung umzustellen.

Ein Kittel-Verbot ist am St. Joseph-Stift derzeit nicht geplant: „Aus krankenhaushygienischer Sicht stellt nicht der Arztkittel als solcher das Problem dar, sondern die Tatsache, dass Ärzte ihn beim Patientenkontakt am Krankenbett und insbesondere auf der Intensivstation nicht ausziehen oder ihn zu selten wechseln“, sagt der hygieneverantwortliche Arzt, Karsten Jaeger. Deshalb sollte bei direktem Patientenkontakt der Kittel abgelegt und darunter kurzärmlige Berufskleidung getragen werden. Auf der Intensivstation werde grundsätzlich kurzärmlige Berufskleidung getragen.

Darauf, dass Ärzte diese Regelung einhalten, setzt auch das Diako. Zwar gebe es noch Arztkittel. „Aber die Hygiene verlangt, dass sie bei Arbeiten, die eine Händedesinfektion erfordern, auch die Unterarme frei sind“, so Sprecher Ingo Hartel.

„Arztkittel sind bei uns nicht mehr vorgeschrieben, teilweise werden sie noch getragen. Wir achten darauf, dass sie nicht zu lange getragen und konsequent gewechselt werden. Und dass sie bei der Arbeit am Patienten ausgezogen werden“, sagt Walter Klingelhöfer, Geschäftsführer des Rotes Kreuz Krankenhaus (RKK). Auch die Klinik in der Neustadt gibt spezielle Schutzkleidung aus, die in der Klinik gewaschen wird.

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