Gastkommentar

Mehr Wirtschaftlichkeit wäre dringlich

Kostenwahrheit, verbessertes Messen der Behandlungsergebnisse und eine Rückkehr zum ökonomischen Versicherungsprinzip eröffnen die Chance, die Wirtschaftlichkeit des Gesundheitswesens zu erhöhen.

Bruno Weber
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Die Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH sieht die Gesundheitsausgaben bis 2017 auf 13 Prozent des BIP oder 80 Milliarden Franken steigen. 2013 waren es noch 70 Milliarden, nach einem durchschnittlichen jährlichen Anstieg in den letzten 15 Jahren von 3,75 Prozent. Im Vergleich dazu wuchs das BIP pro Einwohner lediglich um 1,85 Prozent – ein doppeltes Wachstum der Gesundheitskosten gegenüber dem Wachstum unserer Volkswirtschaft. Können wir dies als Gesellschaft wirklich tragen?

Es sind die Krankenkassenprämien, die im medialen Fokus stehen, und nicht etwa die Gesundheitsausgaben als Ganzes. Sie decken die Gesundheitsausgaben in der Schweiz nur zu 37 Prozent, allerdings mit zunehmender Tendenz. Je nach Kanton und Kasse beläuft sich die Grundversicherung zurzeit für Erwachsene auf 3500 bis 8500 Franken im Jahr. Und bereits kommen 30 Prozent der Versicherten in den Genuss von Prämienvergünstigungen, die sich auf über 4,2 Milliarden jährlich summieren. Die Finanzierungslücke wird zu einem guten Drittel von den privaten Haushalten (Zusatzversicherungen, Franchisen, Selbstbehalte usw.) und zu einem Fünftel vom Staat, das heisst im Wesentlichen von den Kantonen als Betreibern der Spitäler und der sozialmedizinischen Institutionen, gefüllt. Der Rest entfällt auf verschiedene Träger der sozialen Sicherheit (AHV, IV, UV, Stiftungen). In Anbetracht dieser Zahlen erscheint es verfehlt, sich allein auf den Prämienanstieg zu konzentrieren. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass sich zu den Problemen der Finanzierung von AHV und IV samt Ergänzungsleistungen ein weiteres gesellt, das mit Umverteilung nicht nachhaltig zu lösen ist.

Lösungen müssen an den Wurzeln gepackt werden, aber wie? Auch dazu liefert das BfS Anhaltspunkte. Nach Leistungen aufgeschlüsselt, entfallen 45 Prozent der Ausgaben auf den stationären Bereich mit steigender Tendenz, 34 Prozent auf die ambulante Behandlung, 11 Prozent auf Gesundheitsgüter, 6 Prozent auf andere Leistungen und Prävention sowie 4 Prozent auf die Verwaltung. Etwa drei Viertel der Ausgaben entstehen durch Personalkosten. Wie kann der Kostenexplosion begegnet werden? Mit verbesserter Wirtschaftlichkeit, einer Reduktion des Überangebots an Leistungen und dem Abbau der Konsumhaltung, die durch die weitgehende Kostenübernahme des Grossteils der medizinischen Leistungen entstanden ist. Es ist ja nicht so, dass die im Gesundheitswesen Verantwortlichen untätig waren – Tarmed, Fallpauschalen, Zulassungsstopp, Spitalschliessungen, freie Spitalwahl usw. haben dazu beigetragen, dass die Kosten nicht noch stärker gestiegen sind. Aber gleichzeitig hat dies den Umfang von Regulierung erhöht. Die obligatorische Krankenversicherung mit dem politischen Ziel der Solidarität lässt dabei keine risikogerechten Prämien zu. Nicht die Zahler, sondern die Anbieter steuern das Angebot und die Preise.

Die Gesundheitsstatistik des Bundes vermittelt einen Blick in die Gesundheit der Bevölkerung und in die Bestimmungsgrössen von Gesundheit. Demnach wären wohl rund vier Fünftel der Bevölkerung in der Lage, den Bagatellbedarf selber zu bezahlen. Sie müssten nur für Risiken, die sie nicht selber tragen können oder wollen, eine Versicherung abschliessen. Die Gesundheitskosten derjenigen Mitbürger, die nicht in der Lage sind, dafür aufzukommen, müssten gezielt und risikogerecht subventioniert werden. Die insgesamt daraus zu erwartenden Ausgabenreduktionen ergäben sich aus dem Risikoverhalten, das sich verändert hat, der geringeren Nachfrage und der neuen Notwendigkeit des Konsumenten, Leistungen und Preise zu vergleichen. Das Phänomen, dass eine Minderheit die Mehrheit der Kosten verursacht, ist allen Versicherern aus allen Sparten hinlänglich bekannt. Der bedeutendste Beitrag der Politik läge deshalb in der Abschaffung des KVG samt Leistungskatalog. Fasst sie das heisse Eisen an?

Der fehlende Vergleich von Preis und Leistung führt zum nächsten grossen Thema, dem im stationären Bereich besondere Bedeutung zukommt: Behebung der fehlenden Kostenwahrheit und damit verbunden die dringend notwendige Kostenreduktion. Die Leistungserbringer üben ihre spezifischen Tätigkeiten in grosser Unkenntnis der Kosten aus. Damit fehlen ihnen die Kenntnisse, die erforderlich wären, um die Nutzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen zu verbessern, eine Behandlungsdauer zu verkürzen und Behandlungsschritte zu eliminieren, die zu keinen Verbesserungen führen. Die Kosten sind auf Ebene Patient akkurat zu messen und über einen vollen Behandlungszyklus mit dem Behandlungsergebnis zu vergleichen. Die Senkung der Kosten bei der Gesundheitsversorgung kann letztlich nur von unten nach oben erfolgen und nicht top-down.

Kostenwahrheit, verbessertes Messen der Behandlungsergebnisse und eine Rückkehr zum ökonomischen Versicherungsprinzip eröffnen die Chance, die Wirtschaftlichkeit des Gesundheitswesens zu erhöhen.

Bruno Weber ist Unternehmensberater in Zürich.