Das Rechnungsprüfungsamt kritisiert das Stuttgarter Klinikum für sein defizitäres Geschäft mit einem regierungsnahen Komitee und wundert sich über die üppige Auszahlung von Taschengeld für Patienten.

Stuttgart - Der neue Leiter des Rechnungsprüfungsamts, Andreas Großmann, hat am Donnerstag seinen ersten Jahresbericht vorgelegt. Darin erwähnt er Verfehlungen wie Ausschreibungsfehler bei Straßenbauarbeiten im Zusammenhang mit dem Bau der U 12 und unberechtigte Mehrforderungen für die Fassadenarbeiten am Schulzentrum Heilbronner Straße. Auf Seite 77 geht es dann ans Eingemachte, konkret an offenbar riskante Projekte der International Unit des Stuttgarter Klinikums mit Libyen und Kuwait. Die Prüfer haben laut der Gemeinderatsvorlage, die am Freitag im Krankenhausausschuss hinter verschlossenen Türen diskutiert wird, Anfang November erst keine Anhaltspunkte gesehen, die der Feststellung des Jahresabschlusses entgegenstünden. Eine Woche später haben sie dann doch empfohlen, die Entlastung der Geschäftsleitung für das Jahr 2014 zurückzustellen. Es wird eine Sonderprüfung der Geschäfte geben und gegebenenfalls sogar eine rechtliche Würdigung. Konkret wird die Stadt prüfen, wer für etwaige Verluste in die Haftung muss.

 

Das tief in den roten Zahlen steckende Klinikum hat im Rahmen eines Nachtragshaushalts bereits 23 Millionen Euro Zuschuss erhalten. Zudem müssen im Doppelhaushalt 2016/17 die im Wirtschaftsplan ausgewiesenen Verluste für die nächsten zwei Jahre in Höhe von 13,3 Millionen Euro berücksichtigt werden. Ursprünglich soll die Klinikumsleitung beabsichtigt haben, im Wirtschaftsplan eine schwarze Null zu prophezeien. Die Annahmen erschienen im Rathaus aber als allzu optimistisch.

Handel mit Libyen: Ein Grund für die Finanzprobleme

Mitverantwortlich für die Schieflage ist laut Prüfbericht der Handel mit Libyen. Anlass für das Projekt sei 2013 die Anfrage eines regierungsnahen Komitees gewesen, ob das Klinikum verwundete und kranke Menschen behandeln könne. Nachdem das Rechnungsprüfungsamt stichprobenweise Belege kontrolliert hat, kam das Klinikum zum Schluss, die Organisation durch einen administrativen Leiter zu stärken. Das ändert am Ergebnis nichts: Vorauszahlungen von lediglich 19 Millionen Euro stehen Ausgaben von 28,4 Millionen Euro entgegen. 13,4 Millionen davon wurden nicht etwa für die Behandlung ausgegeben, sondern für „Regie“. Dazu zählen neben Hotelkosten auch Taschen- und Essengelder für die Patienten. Letztere seien in Höhe von 100 000 bis 300 000 Euro pro Monat pauschal ausbezahlt worden. Auf die Frage, wer das Geld erhalten habe, antwortete das Klinikum: „Die Höhe des Taschengeldes und Esssensgeldes wurde aufgrund von Erfahrungswerten mit den Repräsentanten des Kostenträgers vereinbart und von diesem auch entsprechend quittiert.“ Schriftliche Vereinbarungen seien nicht vorhanden, monieren die Rechnungsprüfer. Sie könnten daher nicht beurteilen, ob die Zahlungen ordnungsmäßig erfolgt seien. Sicher sei ein zusätzlicher Wertberichtigungsbedarf von 470 000 Euro im laufenden Jahr, falls Libyen kein Geld mehr überweise.

Aus Unterkunft, Verpflegung und Betreuung ergeben sich steuerliche Risiken, weil die Finanzbehörden diese als Leistungen bewerten könnten, die der Umsatzsteuer unterliegen. Das hätte zwar keine Konsequenzen, weil das Klinikum Vorsteuer geltend machen kann – sofern auf den Rechnungen die Umsatzsteuer ausgewiesen ist. Das sei aber häufig nicht der Fall.

Auch von einem Vertrag mit dem Gesundheitsministerium von Kuwait zur Verbesserung der medizinischen Leistungen des Razi-Krankenhauses für Orthopädie erwartete sich die Geschäftsführung des Klinikums einen Vorteil. Dieser berge aber „schwer kalkulierbare finanzielle und rechtliche Risiken“, meinen die städtischen Prüfer. Unter anderem, weil der Gerichtsstand Kuwait ist, der Vertrag in arabischer Sprache abgefasst sei und Beraterverträge ohne Ausschreibung erfolgt seien. Die Risiken seien konkret: Von den ersten beiden Raten über 7,1 Millionen Euro habe Kuwait nur 5,4 Millionen Euro ausbezahlt. Der Auftragswert beträgt 46,2 Millionen Euro, davon gehen 25,2 Millionen Euro an Berater und Vermittler. Ob das adäquat sei, habe nicht geprüft werden können, heißt es im Bericht. Das Klinikum solle 16,4 Millionen Euro behalten dürfen. Auf 100 000 Euro verzichteten die Stuttgarter: der Vorsteuerabzug im Jahr 2014 sei um diese Summe zu niedrig erfolgt, monierten die Prüfer. Und sie hätten längst nicht alle Rechnungen geprüft. Das muss nun die Klinikumsleitung nachholen.